Zunächst: Obwohl die Stellung des Opfers im Strafverfahren in den letzten Jahren eine Aufwertung erfahren hat gibt es weder in der Rechtspolitik, der Rechtspraxis noch in der Rechtswissenschaft Zweifel daran, dass der Opferschutz weiter ausgebaut werden muss. Deshalb begrüßt die PDS im Bundestag, dass wir heute zur Abstimmung kommen.
Während der Verletzte in der Vergangenheit als Zeuge oft nur Objekt des Strafverfahrens war, besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass nicht zuletzt die Menschenwürde des Verletzten es gebietet, ihn einerseits vor zu großen Belastungen im Strafverfahren zu schützen und ihn andererseits die Lage zu versetzen, seine eigenen Interessen aktiv in das Prozessgeschehen einzubringen.
Das Opferschutzgesetz (1987) und das Zeugenschutzgesetz (1998) als auch die Regelungen zum Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) waren erste Schritte in dieser Richtung. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass die entsprechenden Vorschriften in vielen Fällen noch nicht ausreichen, so dass Verbesserungen und Ergänzungen erforderlich sind, um dem gewollten Ziel näher zu kommen.
Deshalb wird es Zeit, dass wir heute abstimmen und der in der Anhörung ausgebrochene Streit um Urheberrechte, statt um Lösungen beendet wird.
Auch der Weiße Ring, die Opferschutzorganisation, begrüßt diesen Gesetzentwurf und fordert eine schnelle Umsetzung der geplanten Maßnahmen. In ihrer Stellungnahme dazu heißt es:
Der Entwurf des Opferrechtsreformgesetzes der Bundesregierung beinhaltet zahlreiche Forderungen des Weißen Rings, darunter auch die Ausweitung des Opferanwaltes auf Staatskosten. Künftig kann er auch von den Angehörigen eines getöteten Opfers beantragt werden. Für Opfer von Straftaten ist eine zügige Schadenswiedergutmachung als Teil der Verarbeitung des Geschehens besonders hilfreich. Wurden sie bislang fast immer auf den Zivilklageweg verwiesen und hatten damit nach dem Strafprozess ein zweites meist ebenso belastendes Verfahren durchzustehen, dürfte dies in vielen Fällen künftig nicht mehr nötig sein. Durch vermehrte Anwendung des so genannten Adhäsionsverfahrens können zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat bereits im Rahmen des Strafverfahrens festgestellt und zugesprochen werden.
Auch das vorgesehene Anwesenheitsrecht von Vertrauenspersonen bei Zeugenvernehmungen, die Aufzeichnung auf Tonträger zur Vermeidung wiederholter Vernehmungen sowie der vom Schutzgedanken für das Opfer geprägte Ausbau der Videovernehmung von Opferzeugen in der Hauptverhandlung sind eindeutige Fortschritte beim Opferschutz. Dazu zählt weiterhin die bessere Information des Verletzten über seine Rechte im Strafverfahren, auf die er künftig Anspruch hat und die ihm nicht wie bisher lediglich gegeben werden können. Insbesondere für Opfer von Sexual- und Gewaltstraftaten ist es von besonderem Interesse, etwas über Dauer der Haft, Entlassung oder Vollzugslockerungen zu erfahren, um sich auf eine eventuelle Begegnung mit dem Täter einstellen zu können.
Allerdings gibt es auch noch einige Fragen, welche zügig geklärt werden müssen:
Unklar ist noch, ob - wie die Länderkammer verlangt - überhaupt keine Kopien von audiovisuellen Aufzeichnungen herausgegeben werden, da hier die Gefahr einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte des Opfers besteht. Die Bundesregierung hatte hier die Prüfung des Vorschlages zugesagt.
Das angestrebte Ziel, dass die Opfer von Straftaten nicht ein zweites Mal zu einem Opfer vor Gericht werden und eine schnelle Wiedergutmachung Ihrer Schäden erhalten, ist ohne Abstriche begrüßenswert. Inwieweit die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen, wird sich zeigen müssen.
Da sich z.B. bei dem Gesetz von 1986 Umsetzungsprobleme gezeigt haben, sollte man eine Begleituntersuchung über die Wahrnahme und tatsächlichen Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen durchführen. Denn gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.
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