Aktuelle Notiz: Tisch und Recht im Bundestag
von Petra Pau
Berlin,16. Januar 2004
15 Monate lang sitzen wir nun im Bundestag, ohne Tisch und Telefon. Das kann doch nicht wahr sein, empören sich selbst Leute, die ansonsten nichts mit der PDS am Hut haben. Regelmäßig schreiben Journalisten über die zwei Frauen, ganz hinten und die Satire-Sendung extra3 spendierte uns sogar einen Extra-Tisch. Bis in die CDU hinein erstreckt sich der Missmut über unsere blöde Lage bzw. ob der ungebührlichen Öffentlichkeit, die uns dadurch zuteil wird.
Vorgestern klingelte mein Telefon. Glückwunsch zu eurem Tisch, freute sich jemand. Eine Agentur hatte die frohe Botschaft aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen vernommen und flugs verbreitet. Wir wussten bis dato nichts davon und auch tags darauf fanden wir unseren Arbeitsplatz wie immer vor: zwei Stühle ohne Ablage, im Schatten der Kuppel und im Windzug des Ausgangs. Die Vorab-Meldung erwies sich als Ente, vorerst.
Gleichwohl wurde am späten Donnerstag erneut unser Antrag auf Gruppenstatus verhandelt und wiederum von allen Fraktionen abgelehnt. Der SPD-Abgeordnete Küster war als Kontra-Redner erkoren. Er beschwor das Ende des Parlaments, sobald wir als PDS-Gruppe anerkannt würden. Und er beschrieb die heile Welt, die uns beide umgebe. Gesine Lötzsch hielt dagegen. Sie schilderte unsere Benachteiligungen, sie kritisierte den Hochmut der anderen und sie forderte gleiches Recht für alle. Dann kam es zum Schwur. Alle, selbst die Vorzeige-Demokraten der Grünen, hoben brav ihre Hand zum Nein.
Nun geht es bei alledem bestenfalls am Rande um fehlende Möbel. Die viel weitergehende Frage ist, ob es Abgeordnete erster und dritter Klasse und mithin auch solche Wähler geben darf? Wir werden - obwohl beide PDS - nach wie vor wie zwei einzelne Abgeordnete behandelt. Wir dürfen weder Gesetze einbringen, noch Debatten begehren. Unser Fragekontingent ist begrenzt und damit unser parlamentarisches Recht, die Regierung zu kontrollieren. Schließlich verfügen wir über weit weniger Ressourcen, als jedes andere Bundestags-Mitglied - personell und finanziell.
Dabei hatte jede von uns zur Wahl mehr Direktstimmen ‚gewinnen' können, als Angela Merkel (CDU) oder Guido Westerwelle (FDP). Doch das zählt nicht. In der Begründung, warum wir nicht als Gruppe gelten dürften, wurden zwei Besonderheiten betont. Zum einen seien wir als Person und nicht als Partei gewählt worden. Das ist ein sehr fragwürdiges Argument. Zum zweiten seien Fraktionen die Säule des Parlaments und keineswegs die oder der Abgeordnete. Diese Begründung finde ich noch windiger.
Damit aber wären wir in einer Ebene, auf der es mitnichten darum geht, ob Gesine Lötzsch und ich im Bundestag gut oder schlecht behandelt werden. In Frage stehen Prinzipien der Demokratie und des Parlamentarismus. Vielleicht ist das grundsätzliche Problem sogar erst vor dem Bundes-Verfassungs-Gericht zu lösen. Das kostet Zeit und Geld. Wir werden uns also beraten lassen und prüfen, was Erfolg verspricht.
PS:
Freitag früh, also am Tag nach der Debatte über unseren Gruppen-Antrag, wurden wir überrascht. Links bzw. rechts neben unseren Stühlen standen zwei Beistell-Tischlein. Zwar ohne Telefon, aber immerhin mir vier Beinchen und im offiziellen Bundestags-Look. Saaldiener und -wächter drängelten sich neugierig um das seltsame Wunder. Nur die MdB-Kollegen, die sonst gern mal auf einen Plausch zu Besuch kommen, machten plötzlich einen eigenartig großen Bogen um unser Revier. Von manchen weiß ich inzwischen: Sie schämten sich wirklich für diesen Puppenstuben-Schwachsinn. Versuche eines ARD-Teams, dazu vom Präsidenten des Bundestages einen O-Ton zu erheischen, scheiterten übrigens an Wolfgang Thierses geschwinden Ausweichmanövern. Wahnsinn!
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