Der Haushalt folgt einer falschen Politik

Bundestag, 26. November 2003, Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2004, (Elefantenrunde)
Rede von Petra Pau

1. EU-Stabilitäts-Pakt

Wir erleben seit gestern eine mächtige Debatte über den EU-Stabilitäts-Pakt. Sie sucht ihresgleichen. Insbesondere die CDU/CSU übertrifft sich mit Kassandra-Rufen und beschwört das Ende des Abendlandes.

Vielleicht glauben sie wirklich, was Sie in ihren fundamentalistischen Gebeten beschwören. Es klingt gefährlich, aber klug ist es nicht.

Der Stabilitäts-Pakt war schon umstritten, als sie ihn zu Waigels Zeiten einführen halfen. Er ist seither nicht besser geworden. Deshalb ist es höchste Zeit, über neue Regeln nachzudenken, statt an alten Fehlern festzukleben.

2. Verantwortungslose Täter

Wesentlich aber ist etwas anderes: Rot-Grün und Schwarz-Gelb, die Regierung und die Opposition zur Rechten, führen die EU als Kronzeugen für ihre eigenen Sozialabbau-Pläne ins Feld. Sie versuchen ihre politische Verantwortung an die EU abzuschieben.

SPD und Grüne entschuldigend, schließlich habe man schon gestrichen, was zu streichen sei. CDU und CSU drängend, schließlich könne man noch viel mehr streichen, als bislang vorgesehen. Diesen Hang zur verantwortungslosen Tat aber lassen wir ihnen allesamt nicht durchgehen.

Sie beklagen, die Verschuldung sei zu groß, weil die Ausgaben zu hoch seien. Wir fragen: Warum reden Sie nicht über Einnahmen? Warum verzichten Sie einerseits auf Zig-Milliarden und warum machen Sie andererseits Milliarden-Geschenke an Unternehmen, die selbst keine Steuern zahlen, sondern Steuern abzocken?

Das ist ihre Politik. Die können sie keinem EU-Pakt anlasten. Ebenso wenig, wie die Folgen - denn heraus kommt: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer zahlreicher.
Diesen Kurs lehnen wir ab, wir wollen ihn umkehren.

3. Alternative: Agenda sozial

Deshalb fordert die PDS eine Vermögenssteuer. Deshalb wollen wir eine Wertschöpfungsabgabe. Deshalb fordern wir eine Ausbildungsumlage. Deshalb wollen wir das parasitäre Kapital besteuern.

Wir fordern eine Renten-Versicherung von allen für alle. Wir wollen Werte, wie Gerechtigkeit und Solidarität erneuern. Wir fordern wirkliche Reformen. Das ist der Unterschied. Und deshalb haben wir mit der „Agenda sozial“ eine Alternative vorgeschlagen.

4. 3 Säulen rot-grüner Politik

Nun diskutieren wir über den Haushalt 2004 und was ihn trägt.

Es gibt eine simple Erfahrung. Sie sagt:
Was auf drei stabilen Beinen steht, das steht gut.
Sie kennen das von Tischen oder Stühlen.
Also haben wir uns gefragt: Was sind die drei Säulen, auf denen Rot-grün fußt?

Die erste heißt „Agenda 2010“. Sie zieht sich quer durch den Haushalt. Ob Arbeitsmarkt, Gesundheitspolitik oder Neue Bundesländer, überall geht es um die Agenda 2010.

Sie hat nur einen Kardinal-Fehler: Sie stabilisiert nicht. Im Gegenteil: Die Agenda 2010 gibt das Solidarprinzip preis, sie gefährdet den Sozialstaat und damit einen Gründungs-Grundsatz der Bundesrepublik.

Millionen spüren es, allemal Arbeitslose, Kranke und Alte. Die Folgen betreffen aber auch alle, die arbeitslos, krank oder alt werden könnten. Deshalb unser Befund: Die erste Säule trägt nicht, sie ist morsch.

Die zweite heißt Außenpolitik. Wir hatten hier im Bundestag seit Rot-Grün insgesamt 29 Debatten über Militäreinsätze der Bundeswehr und 25 Mal wurde sie in Marsch.

Dem stehen 7 Debatten über weltweite Entwicklungshilfe oder zivile Konfliktlösungen gegenüber.
Dieses Missverhältnis durchzieht auch den Haushaltsplan 2004. Ergo: Auch die zweite Säule hat eine gefährliche Schieflage.

Die dritte Säule heißt Akzeptanz. Umfragen belegen: Zweidrittel aller Deutschen lehnen die „Agenda 2010“ ab und Dreiviertel die zunehmende Militarisierung der Außenpolitik.

Ich komme aus einem Land, in dem eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger die damals vorherrschende Politik nicht mehr verstehen, tragen, stützen wollte. Den Staat gibt es heute nicht mehr.

Womit ich nur sagen will: Auch die dritte Stütze trägt nicht.
Rot-Grün fußt auf drei maroden Säulen.
Fatal ist: Die Angebote der CDU/CSU sind noch fauler.

5. Die neuen Länder

Einmal im Jahr widmet sich der Bundestag explizit der Lage in den neuen Bundesländern. Das ist doppelt bemerkenswert. Zum einen, weil die neuen Länder noch immer eine Sonder-Debatte wert sich - zu Recht. Zum anderen, weil sie ansonsten fast immer ausgeblendet werden - zu Unrecht.

Leider trifft das auch auf den Haushalt zu, der heute verhandelt wird.
Er ist ungeeignet, die Probleme im Osten zu bessern. Die Zahlen sprechen dagegen - ebenso die Politik, die dahinter steckt.

Die Hartz-Konzepte greifen nicht. Im Gegenteil: Sie werden den Mittelstand schwächen, die Arbeitslosigkeit und die Armut vergrößern. Die Ost-West-Angleichung stagniert seit fünf Jahren. Das belegen alle Analysen. Zugleich werden Fördermittel für die neuen Länder gekappt, die Arbeitsämter werden kastriert und die Kultur wird verarmt:

Kurzum: Die Hoffnung schwindet und die Jugend flieht.
Die neuen Bundesländer werden als Stiefkind des Schicksals behandelt. Das ist ein weiterer Grund, warum wir den Haushalt ablehnen.

Jüngst gab es ein Treffen der Arbeits- und Sozialminister der Länder. Dabei ging es auch um die Frage, wie die neuen Bundesländer vor extremen Negativ-Wirkungen der Bundes-Politik zu schützen seien.

Heraus kam: Die CDU-regierten Länder lehnten alles ab, was helfen könnte - also auch Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. So ist es, wenn Parteidisziplin mehr zählt, als politische Vernunft.

Bundes-Kanzler Kohl wollte die neuen Länder gewinnen. Er log und das war schlimm. Bundes-Kanzler Schröder gibt die neuen Länder verloren. Er schreibt sie ab und das ist schlimmer.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

26.11.2003
www.petra-pau.de

 

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