EU-Verfassung mit Licht und Schatten

Bundestag, 6. November 2003, zur EU- Verfassung
Rede von Petra Pau

1.

Der EU-Konvent hat eine Verfassung entworfen. Damit wird Neuland beschritten. Die PDS im Bundestag war und ist grundsätzlich dafür. Immerhin geht es um das Zusammenleben von Millionen Menschen in über 25 Staaten im 21. Jahrhundert. Dafür ist der vorliegende Entwurf eine gute Grundlage, allerdings keine ausreichende. In manchen Teilen ist er widersprüchlich, in anderen sogar widersinnig bis gefährlich.

2.

Ich beginne mit der guten Nachricht: Die Union wird insgesamt demokratischer. Die Gewaltenteilung kommt voran, das EU-Parlament erhält mehr Rechte, Bürgerbegehren sollen eingeführt werden. Dafür hat sich die PDS - auch im Europa-Parlament - immer engagiert. Und das wird so bleiben.

3.

Damit bin ich aber schon beim ersten Widerspruch. Man kann nicht eine Demokratisierung der EU feiern und zugleich daheim mehr Demokratie verweigern. Die PDS fordert seit langem eine Volksabstimmung über die künftige EU-Verfassung.

Doch im Bundestag gibt es eine merkwürdige Koalition dagegen: Der Bundeskanzler und die CDU/CSU. Alle anderen - SPD, Grüne, FDP, PDS und der Präsident des Bundestages, Herr Thierse - stehen im Wort. Deshalb wiederhole ich: Die Volksabstimmung über die EU-Verfassung ist ein akuter Anlass und eine Nagelprobe für die deutsche Demokratie.

4.

Die zweite gute Botschaft: Die Union soll sozialer werden. Das ist dem Teil (römisch) I der Verfassung zu entnehmen. Dort finden sich Wörter, wie „soziale Marktwirtschaft“, und Ziele, wie „Vollbeschäftigung“.
Der zweite Widerspruch: Im Teil (römisch) III steht das Gegenteil. Dort ist von einer „offenen Marktwirtschaft“ und einer bestenfalls „hohen Beschäftigung“ die Rede. Kurzum: Die Wirtschafts- und Finanz-Union schreitet voran, die Sozial-Union bleibt zurück. Die Prioritäten sind falsch und deswegen ist die PDS dagegen.

5.

Umstritten ist, ob die EU-Verfassung einen Bezug auf Gott haben soll oder nicht. Ich sage: natürlich nicht! Mit der vorliegenden Grundrechte-Charta wird die Religionsfreiheit durch die Europäische Union gewährleistet. Dabei sollte es bleiben.

6.

Nun komme ich zu den wirklich üblen Teilen der EU-Verfassung, jedenfalls so, wie sie bislang vorliegt. Demnach sollen die EU-Staaten verpflichtet werden, ihre militärische Stärke auszubauen und sie sollen bereit sein, weltweit Kriege zu führen.

Damit würde sich die EU an die fatale US-Strategie anhängen, anstatt sich als Friedens-Union zu emanzipieren. Das ist ein Kardinal-Fehler. Wir sind selbstverständlich dagegen.

7.

Zur militanten Außenpolitik gesellt sich eine restriktive EU-Innenpolitik mit ebenso fragwürdigen Mitteln. Bürgerrechte werden abgebaut und humane Normen unterlaufen. Geheimdienste feiern Urständ, Menschen in Not werden ausgegrenzt.

Bezeichnend ist: Deutschland ist Vorreiter, wenn es um die vielzitierte „Festung Europa“ geht. Die miserablen Innenarchitekten tragen Namen, wie Schily, Beckstein und Berlusconi. Das ist eine unheilige Allianz.

8.

Zusammengefasst:

a) Die PDS will, dass die EU-Verfassung sich klar zu einer sozialen EU bekennt.
b) Die PDS will, dass die EU-Verfassung eine Friedens-Union vorschreibt.
c) Und die PDS will, dass die EU-Verfassung zur Volksabstimmung gestellt wird.

Drei simple Forderungen, die draußen, im wahren Leben, mehrheitsfähig sind. Sie sollten es auch hier - im Bundestag - sein.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

6.11.2003
www.petra-pau.de

 

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