Debatte um Kulturförderung

Bundestag, 17. Oktober 2003, Bericht der Bundesregierung zur Kulturfinanzierung in der Bundeshauptstadt 2001 - 2004
Rede von Petra Pau

1.

Die Deutsche Nationalstiftung hat dieser Tage eine Frage aufgegriffen, die seit 1990 einer Antwort harrt: Berlin: was ist uns die Hauptstadt wert? Die Fragestellung ist sogar noch verkürzt, denn sie zielt so gestellt recht schnell aufs Geld.

Die PDS hatte schon vor Jahren vorgeschlagen, die Sinn-Frage in den Vordergrund zu stellen: Was soll eine deutsche Hauptstadt im 21. Jahrhundert und im föderalen System? Aus den möglichen Antworten wäre dann die Frage abzuleiten, was die Hauptstadt dem Bund und den anderen Ländern wert sein muss.

Diese Denk- und Diskussionsaufgabe steht aber noch an. Und wenn ich höre, dass sich auch die gestern gebildete gemeinsame Föderalismus-Kommission des Bundestages und des Bundesrates damit befassen wird, dann sage ich: Gut, aber zu kurz gegriffen. Denn es geht nicht nur politische, sondern zugleich um es philosophische, wissenschaftliche, internationale und natürlich auch kulturelle Aspekte.

2.

Unabhängig davon ist offensichtlich, dass die Berliner Kulturlandschaft städtische Aufgaben erfüllt, darüber hinaus aber auch hauptstädtische und nationale. Deshalb ist es richtig, dass Berlin unterstützt wird, zum Beispiel über die Hauptstadt-Kulturförderung.

Mit dem Hauptstadt-Kulturvertrag von 2001 hat das Engagement des Bundes in Berlin an Profil und Klarheit gewonnen. Das begrüßt die PDS im Bundestag ausdrücklich.

Wir begrüßen auch, dass sich das Bundesengagement nicht nur auf große, repräsentative Einrichtungen beschränkt, sondern auch das zweite Standbein einer lebendigen, kreativen Kultur im Blick hat: die sogenannte freie Szene. Das soll auch so bleiben.

3.

Gerade deshalb lesen wir den Antrag der FDP nicht ohne Argwohn. Sie wollen den Einfluss des Bundestages auf die Verwendung der Kulturförderung erhöhen. Sie wollen mehr kontrollieren und mehr entscheiden können, ob die Mittel auch sinngerecht verwandt werden.

Das klingt erst mal logisch, getreu dem Motto: Wer die Musik bezahlt, entscheidet was gespielt wird. Beim zweiten Hinhören klingt es ein wenig misstrauisch gegenüber Berlin und gegenüber der Staatssekretärin für Kultur. Das eigentliche Problem aber ist viel grundsätzlicher: Sie wollen den inhaltlichen Einfluss des Staates und der Politik gegenüber kulturellen Projekten und auf die kulturelle Entwicklung erhöhen. Genau das halten wir für falsch und gefährlich. Und ich wundere mich schon, dass so ein Ansinnen ausgerechnet von einer Partei kommt, die sich gern liberal nennt.

4.

Damit wäre ich bei einem weiteren Problem: Der Hauptstadt-Kulturfond ist beschränkt, auch weil der Hauptstadt-Kulturvertrag befristet ist. Eine systematische Klärung, was gesamtstaatliche oder hauptstädtische Verpflichtungen des Bundes in Berlin sind, muss aber grundsätzlich sein. Sie verträgt keine Vorläufigkeit und auch keine Rückzugsoptionen.

Wer Berlin besucht weiß, welche kulturellen Schätze es hier gibt, zum Teil im Rang eines Weltkulturerbes. Allein ein Kulturgut, wie die Museums-Insel, kostet Millionen und mehr. Das Bundesengagement ist daher nicht nur wichtig, es ist unverzichtbar, nicht Berlin zuliebe, sondern aus humanistischer Verantwortung.

5.

Nun komme ich zu einem Thema, das dazu gehört: das Sonderprogramm „Kultur in den neuen Bundesländern“. Es hat sich bewährt und auch hier gilt: es ist unverzichtbar. Der Wegfall dieser Mittel wäre nicht kompensierbar, nicht durch die neuen Bundesländer, inklusive Berlin, nicht durch Dritte.

Es ist ein Gebot, ja eine Verpflichtung aus dem Einigungsvertrag von 1990: Die kulturelle Substanz in Ostdeutschland darf keinen Schaden nehmen. Wer sich auskennt, der weiß: sie nimmt Schaden, egal ob es um Theater oder Kulturhäuser geht. Ich könnte ihnen dazu ein Trauerlied - allein aus meinem Wahlkreis - singen. Ich lasse es, wegen der Zeit und wegen des Gesangs.

Kurzum: Das Programm ist fortzuführen, es ist nach Möglichkeit auszubauen, sagt die PDS im Bundestag.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

17.10.2003
www.petra-pau.de

 

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