LPG-Altschulden

Bundestag, 16. Oktober 2003,Tagesordnungspunkt 11 „Landwirtschafts-Altschuldengesetz“
Rede von Petra Pau

1.
Die Altschulden-Problematik ist seit 1990 eine Vielfache. Wir kennen Sie von den Wohnungsgesellschaften der DDR, die privatisiert wurden. Wir kennen sie auch aus der Landwirtschaft, insbesondere im Zusammenhang mit den LPG, den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften.

2.
Der Kern des Problems ist immer dasselbe: Das Steuer- und Kreditwesen der DDR war mit dem Recht der BRD nicht kompatibel und soll trotzdem passfähig gedeutet werden. Das musste zu Verwerfungen und das muss Gerichtsverfahren führen - bis heute.

3.
Nun verhandeln wir ein Gesetz, mit dem das „Altschuldenproblem“ ostdeutscher Agrarbetriebe endgültig und zukunftsträchtig gelöst werden soll. Es ist überfällig und die PDS ringt seit 13 Jahren mit konstruktiven Vorschlägen um Lösungen - auf Landes- und Bundesebene.

4.
Gerade deshalb ist es enttäuschend, dass der vorliegende Entwurf zwar vorgibt, abschließend und zukunftsfähig zu sein, es in Wahrheit aber nicht ist. Es gibt eine einfache Bauernweisheit: Man kann eine Kuh nicht schlachten und zugleich melken. Genau das aber versucht die Bundesregierung mit diesem Gesetz.

5.
Sie will möglichst hohe Einnahmen für den Erblasttilgungsfond erzielen. Und sie schröpft dabei zugleich die Wirtschaftskraft der betroffenen Betriebe über Gebühr. Der Vermögens- und Kreditverlust vieler Agrarunternehmen wäre so groß, dass von einem "enteignungsähnlichen Eingriff" die Rede ist.

6.
Wie so oft, ginge die Gesamtrechnung obendrein vollends schief. Denn den erhofften Mehreinnahmen des Bundes stünde ein erheblicher Steuerausfall an Gewerbe-, Körperschafts- und Einkommenssteuer gegenüber, zu Lasten der Ländern, Kommunen und Gemeinden.

7.
Es müsste doch selbst der Westmehrheit des Bundestages einsichtig sein, dass man nicht einerseits die Lage im Osten beklagen kann und zugleich Eigeneinnahmen der Neuen Bundesländer gefährden kann. Das aber droht, wenn der vorliegende Entwurf Gesetz würde. Sie wollen bis zu 65 Prozent möglicher Gewinne einkassieren. Das ist ruinös.

8.
Das Bundesverfassungsgericht hat dies mit seinem Urteil von 1997 jedenfalls nicht gemeint. Im Gegenteil: Es hat gefordert, den sogenannten Altschuldnern eine reale Chance zu eröffnen, im Wettbewerb der bundesdeutschen und der europäischen Agrar-Wirtschaft bestehen zu können.

9.
Deshalb werbe ich für einen PDS-Vorschlag, der keineswegs neu ist. Ein Großteil der sogenannten Alt-Schulden war schon durch den Einigungsvertrag als „entschuldungsfähig“ anerkannt worden. Sie wurden nicht entschuldet, weil damals angeblich die Mittel dafür fehlten. Das war zwar aus PDS-Sicht purer Unsinn, aber es war so.

10.
Derweil haben die nichtentschuldeten Nicht-Altschulden eifrig Zinsen geheckt. Sie machen inzwischen über 40 Prozent der Gesamtlast aus. Das entspricht der Banken-Logik, es entbehrt aber jeder politischen Vernunft. Deshalb appelliere ich namens der PDS, die Altlast-Frage vernünftig zu entsorgen und nicht auf Kosten der betroffenen Agrar-Betriebe, der Kommunen und der Neuen Bundesländer.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

16.10.2003
www.petra-pau.de

 

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