Wiederbelebung des Friedensprozesses in Kolumbien

Bundestag, 25. September 2003, Tagesordnungspunkt Friedensprozess in Kolumbien
Rede von Petra Pau

Rede zu Protokoll gegeben

Es ist zweifellos richtig, dass sich der Deutsche Bundestag endlich wieder der Situation im seit Jahrzehnten von Krieg, Terror, staatlicher Repression, paramilitärischer Willkür und blindwütigem Morden, Entführungen von Zivilistinnen und Zivilisten und US-amerikanischer Einmischung von außen zerrissenem Land zuwendet.

Gestatten Sie mir darauf hinzuweisen, dass die PDS bereits 1996 auf einer von ihr veranstalteten internationalen Konferenz anlässlich des 50. Jahrestages der UN-Menschenrechtskonventionen darauf hingewiesen hatte, dass Kolumbien zweifellos von einem der schwerwiegendsten Bürgerkriege mit den meisten Todesopfern und Verschwundenen geprägt ist. Ich musste selbst damals furchtbare Erlebnisberichte der Menschenrechtsbeauftragten und von Mitgliedern der Eisenbahner Gewerkschaft aufnehmen und habe seitdem mehrmals direkt mit von Bürgerkrieg unmittelbar betroffenen Kolumbianerinnen und Kolumbianern, darunter auch indigenen Menschen, gesprochen. Es ist zweifellos richtig, dass wir zur Lösung des Konfliktes mehr unternehmen müssen.

Ich halte es dennoch für fragwürdig, wenn in dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die EU und die deutsche Regierung aufgefordert werden, die kolumbianische Regierung unter dem Präsidenten Uribe dahingehend zu unterstützen, ein Gewaltmonopol herzustellen, das neutral und nicht im Interesse von Sondergruppen auszuüben ist. Ist doch gerade auch die Regierung Uribe selbst in das Konfliktknäuel in Kolumbien verwickelt. Uribe sieht sich als Exekutor des amerikanischen Planes „Colombia“ und ist maßgeblich für dessen Realisierung verantwortlich. Eine Friedenslösung wird jedoch nur möglich sein, wenn endlich der Dialog zwischen den verschiedenen Konfliktparteien, wozu auch die Guerilla-Bewegungen FARC und ELN gehören, eröffnet wird und in dem die verschiedenen Interessen offen und gleichberechtigt auf den Verhandlungstisch gelangen.

Die PDS wendet sich energisch gegen eine Regionalisierung des Konflikts, die letztlich das Übergreifen der Gewalt in Kolumbien auf Nachbarstaaten und eine ausländische Instrumentalisierung zu Gunsten internationaler Konzerne und der Herstellung ihrer Kontrolle über die Ressourcen und somit die Zerstörung der Lebensräume, vor allem auch der in diesen Gebieten lebenden indigenen Völkern, zur Folge hätte. Wir befürworten vielmehr eine internationale Konferenz unter UN-Mandat, an der alle Konfliktparteien gleichberechtigt teilnehmen müssen und die auf eine sofortige Beendigung jeglicher militärischer Handlungen und einen unverzüglichen Waffenstillstand gerichtet sein muss. Nur so wird sich eine zivilgesellschaftliche Partizipation am In-Gang-Setzen eines Friedensprozesses ermöglichen lassen. Wir teilen die Auffassung, dass dabei auch die vermittelnde Rolle der Katholischen Kirche in Anspruch genommen werden sollte. Wir meinen zugleich, dass die Staaten der Region - vor allem Venezuela und Ecuador - stärker als Vermittler in den Friedensprozess eingebunden werden sollten. Sie verfügen über Erfahrungen alternativer Gesellschaftsentwicklung und nehmen die Beseitigung der monströsen sozialen Widersprüche in diesen Ländern in Angriff.

Das Scheitern der jüngsten 5. Ministerkonferenz der WTO in Cancun zeigte einmal mehr, dass gerade wir in den entwickelten Ländern, in der EU und auch in Deutschland ernsthafter darüber nachdenken müssen, wie Entwicklungszusammenarbeit konkret zur Lösung sozioökonomischer Ursachen von Konflikten, zur Beseitigung von Armut und Perspektivlosigkeit großer Bevölkerungsteile für ein menschenwürdiges Leben auszugestalten ist.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

25.9.2003
www.petra-pau.de

 

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