USA-Politik ist anti-zivilisatorisch

Bundestag, 25. September 2003, Debatte zur aktuellen Lage im Irak
Rede von Petra Pau

1.

Sie haben, Herr Bundeskanzler, gestern mit ihrer Rede vor der UNO viel Aufmerksamkeit erheischt und Sie haben sie auch bekommen.
Und es gibt Passagen, denen stimmen auch wir, die PDS im Bundestag zu. Oder soll ich sagen: sogar wir?

Sie haben gemahnt, ich zitiere:
Wir werden scheitern, wenn wir unser Denken und Handeln auf militärische und polizeiliche Aspekte verengen. Wir müssen an den Wurzeln des Terrorismus und an den Ursachen von Unsicherheit ansetzen.

Sie haben erinnert, ich zitiere:
Um Fanatismus zu bekämpfen, müssen wir für soziale und materielle, aber auch für kulturelle Sicherheit sorgen.

Und Sie haben gesagt, ich zitiere wieder:
Um die Menschen für den Weg der Freiheit, des Friedens und der gesellschaftlichen Offenheit zu gewinnen, müssen wir ihnen helfen, in gesicherten Strukturen mehr Teilhabe und mehr Wohlstand zu erreichen.

Auch das finde ich richtig, obwohl es sehr dröge klingt.
Wir gehen sogar noch weiter.
Denn Sie haben nach fast jedem klugen Satz leider ein dummes ABER gesetzt, um die große Bedeutung der NATO zu begründen. Hier wäre weniger wirklich mehr gewesen.

Weniger Aber und weniger NATO. Das hätte sogar unseren Beifall gefunden.

2.

Nun haben Sie natürlich eine diplomatische Rede gehalten. Also eine, die diese oder die andere Deutung zulässt. Deshalb meine Bitte:
Widersprechen Sie mir deutlich, wenn ich Sie falsch interpretiere.

Sie haben gewarnt, ich zitiere wieder:
Um Ruchlosigkeit zu bekämpfen müssen wir der Rechtlosigkeit Einhalt gebieten. Ich gehe davon aus, dass Sie damit auch und ausdrücklich die USA gemeint haben. Denn die USA hat ruchlos einen rechtlosen Krieg gegen den Irak begonnen, was bekanntlich weltweit zu Protesten führte.

Sie haben dem internationalen Recht und einem internationalen Strafgerichtshof das Wort geredet.
Ich interpretiere auch das als klare Kritik an die USA. Denn es sind vor allem die USA, die sich internationalem Recht und einem Strafgerichtshof verweigern.

Und Sie haben für überfällige Reformen der Vereinten Nationen plädiert.
Auch das vernehme ich als deutliche Distanz zu den USA. Denn es waren die USA, die die UNO im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg für nichtig und überflüssig erklärt hatten.

Wie gesagt, Herr Bundeskanzler, sollte ich Sie falsch verstanden haben, dann bitte ich um eine helfende Klarstellung, auch den Medien gegenüber.

Andernfalls nicken Sie einfach als Zeichen, dass die PDS recht hat!

3.

Sie haben die Rede von UNO-Generalsekretär Kofi Annan gewürdigt. Ich fand sie auch bemerkenswert. Zumal er auf den großen historischen Rückschritt verwies, den die USA mit ihrem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak beschleunigt hat.

Zur Erinnerung:
Am 26. Juni 1945 wurde die Charta der Vereinten Nationen beschlossen. Sie galt als Lehre aus dem verheerenden 2. Weltkrieg und als Maßstab für eine künftige Weltordnung - ohne Kriege. Sie beschrieb ein zivilisatorisches Projekt.

Diese Grundsätze werden inzwischen vollends aufgekündigt und torpediert, allen voran durch die USA, aber nicht nur.

Das Recht des Stärkeren herrscht über die Stärke des Rechts. Das ist die Position der USA und das hat sie vor der UNO auch nicht revidiert.

Und deshalb schwant mir nicht Gutes, wenn Sie, Herr Bundeskanzler sagen, die Konflikte mit den USA rund um den Irak-Krieg seien beigelegt, nun wolle man gemeinsam nach vorne gucken.

Wenn Sie richtig hingucken, wo die USA vorn wähnt, dann werden Sie erkennen: es ist ganz weit hinten. Auf keinen Fall da, wo Willi Brandt die Zukunft sah, auf den haben Sie sich ja in Ihrer UNO-Rede ausdrücklich berufen.

4.

Der Irak-Krieg war dafür nur ein schlimmes Beispiel. Und deshalb verbietet sich alles, was diese Aggression im Nachhinein legitimieren könnte. Das sage ich deutlich an die Adresse der CDU/CSU und ihrem Versuch, Deutschland im Rahmen der NATO in die USA-Strategie einzubinden.

Das sage ich, angesichts der rot-grünen Pläne, die Bundeswehreinsätze in Afghanistan auszuweiten, um die USA militärisch zu entlasten und dafür ein joviales „Brav-so“ zu empfangen.

Und das sage ich auch mit Blick auf die EU. Denn nach dem vorliegenden Verfassungs-Entwurf sollen die Mitgliedsstaaten ja geradezu auf eine Außen- und Sicherheitspolitik verpflichtet werden, die auf militärischer Stärke baut und Präventivkriege einschließt.

Das alles lehnt die PDS ab. Ich hätte gern Gleiches von Ihnen gehört, Herr Bundeskanzler - grundsätzlich und fürderhin!

PS: Ich will noch zu Protokoll geben: 1973 wurde nicht Deutschland, wie Sie behauptet haben, in die UNO aufgenommen, sondern gleichzeitig und gleichberechtigt die BRD und die DDR. Sie werden sich erinnern, denn damals waren Sie Juso-Vorsitzender. Sie sollten als Kanzler nicht die Feinheiten auch ihrer Geschichte verdrängen.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

25.9.2003
www.petra-pau.de

 

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