Für eine Ausbildungs-Reform

Bundestag, 25. September 2003, Thema: Berufsausbildung
Rede von Petra Pau

1.

Wenn wir über die Berufsausbildung, über Probleme und Vorhaben reden, dann geht es immer auch um Zahlen. Auch ich werde zwei, drei Zahlen bemühen, aber mir geht es erst einmal um etwas Weitergehendes.

Ich kenne Jugendliche, die sich zehn bis 100 Mal um einen Ausbildungsplatz bewerben und immer wieder Absagen erhalten, sofern man ihnen überhaupt antwortet.

In ihnen reifen Enttäuschung, Frust und Resignation. Das ist die menschliche Dimension des Themas „Berufsausbildung“. Darüber ist zu reden.

2.

Zumal das Problem nicht neu ist. Seit Jahren gibt es weniger Lehrstellen als Bewerberinnen und Bewerber, allemal in Betrieben. Die Differenz muss daher tiefer liegende Ursachen haben und das wissen Sie auch.

Wer hingegen die Konjunktur zum Dreh- und Angelpunkt der Ausbildung macht, der befördert einen Doppel-Fehler.

Zum einen signalisiert er den betroffenen Jugendlichen: Weil die Konjunktur schlecht ist, gehört deine Generation zu den Verlierern - du bist halt zur Unzeit geboren und daher überflüssig. Zum zweiten widerspricht die Konjunktur-Begründung der von Links bis Rechts anerkannten Tatsache, dass Bildung eine - wenn nicht gar die - Zukunftsfrage ist.

Mehr noch: Bildung und Ausbildung sind Menschenrechte. Sie sind zu gewähren und nicht zu beschränken.

3.

Ebenso falsch sind Vorstöße, Ausbildungszeiten zu straffen und auf bestimmte Inhalte zu verzichten, etwa Wirtschaftskenntnisse oder Sozialkompetenz. Ich frage: Wo soll das hinführen? Wir wollen doch keine lebenden Roboter, sondern kluge Fachleute!

Die PDS im Bundestag teilt deshalb die Ansprüche, die von Bildungsexperten, von weiterblickenden Unternehmern und von Gewerkschaften erhoben werden: Wir brauchen eine große Reform, um die Qualität der Ausbildung zu heben.

Übrigens: Die Gewerkschaften habe ihre Ausbildungs-Kampagne mit dem Zusatz versehen: „Reform ist, wenn es besser wird!“

Früher hätte man gesagt: „Das weiß man doch!“ Aber seit Rot-Grün den Reform-Begriff permanent umdeutet und Schlechtes als gut verkauft, ist die Erinnerung wohl richtig und fällig.

4.

Nun komme ich zu den versprochenen, wenigen Zahlen zurück.

Es gab Ende August rund 168.000 Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchten. Und es waren knapp 55.000 freie Stellen im Angebot.

Rein rechnerisch heißt das. Zwei von drei, die noch suchen können ihre Hoffnung auf eine gute Ausbildung in den Wind schlagen - in manchen Regionen sind es neun von zehn, allemal im Osten der Republik.

Das programmiert Auslese, es zwingt Jugendliche in die Ferne und entvölkert ganze Landstriche.

Nun höre ich von der Opposition zur Rechten gar, mehr Jugendliche sollten ihr Glück im Ausland suchen und sich dort ausbilden lassen. Mit Verlaub: Sie bleiben die Partei der Besserverdienenden und sie sind die Partei der Zyniker.

5.

Diese Woche erlebte Berlin, was selbst in Berlin nicht alle Tage zu erleben ist. Der BDI hatte zum Reform-Kongress und obendrein zu einer Kundgebung unter freiem Himmel geladen.

Wer wirklich Sorgen hat, arbeitslos ist oder eine Lehrstelle sucht, konnte sich vortrefflich wundern. Da standen gutbetuchte Herren und wenige Damen herum, die einen mit Sekt-Kelch, die anderen mit Kofferträgern, und alle forderten: „Den Reformstau auflösen!“

Das findet die PDS auch. Deshalb waren wir dabei, jenseits der Absperrung. Eine unserer Forderungen hießt: „Reformstau auflösen - Umlagefinanzierung jetzt!“

Und dabei bleiben wir: Wer ausbilden könnte und nicht ausbildet, der soll endlich einen Solidarbeitrag für jene leisten, die ausbilden, obwohl es ihnen finanziell schwer fällt.

Das ist - wir erinnern uns - eine Uralt-Forderung der SPD. Selbst Bundeskanzler Schröder hat sie drohend in den Raum gestellt. Nur: Da steht sie nun rum, wie bestellt und nicht abgeholt.

Am 30. September, also in knapp einer Woche, endet die Lehrstellen-Kampagne 2003. Sie war werbeträchtig inszeniert, um Minister Clement in grelles Licht zu stellen. Sie löst aber nicht die bestehenden Defizite.

Deshalb wiederhole ich:
Die PDS im Bundestag drängt auf eine große Reform der Berufsausbildung. Und wir bestehen auf einer Ausbildungs-Umlage, um insbesondere die großen Unternehmen wieder in die soziale Verantwortung zu zwingen.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

25.9.2003
www.petra-pau.de

 

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