Mehr als ein Denkmal für ermordete Sinti & Roma

Kundgebung „Stein des Anstoßes“- Denkmal an die ermordeten Sinti und Roma Europas, 14. September 2003
Rede von Petra Pau

Manche der hier Anwesenden trafen sich vorhin schon beim Tag der „Erinnerung, Mahnung usw.“ im Marx-Engels-Forum. Der Tag hat inzwischen einen festen Platz im Berliner Kalender. So, wie die Erinnerung und die Mahnung an den Rassenwahn und den Massenmord in der NS-Zeit Deutschlands einen festen Platz im Gedächtnis der Generationen brauchen.
Dazu wollen wir beitragen, immer und immer wieder.

Deshalb werben wir auch seit Jahren für ein Denkmal das hier, in unmittelbarer Nähe zum Reichstags-Gebäude, erinnern und mahnen soll. Es soll an die systematisch betriebene Ausrottung der Sinti & Roma erinnern, die verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, weil sie Sinti & Roma waren. Aber es geht nicht um ein Denkmal für die Sinti & Roma. Es geht um ein Mahnmal primär für die Nachgeborenen, die dafür verantwortlich sind, dass sich nie wiederholt, was zwischen 1933 und 1945 an Ungeist und Mordsucht herrschte.

Solche Mahnmale sind nicht unumstritten. Fast zwei Jahrzehnte wurde um ein deutsches Denkmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden in Europa gerungen. Kaum weniger lang währt das Mühen, um ein Denkmal für die ermordeten Sinti & Roma. Inzwischen gibt es entsprechende Beschlüsse des Berliner Abgeordnetenhauses. Und ich hoffe sehr, dass auch die letzten Bundes-Hürden möglichst einvernehmlich und bald beiseite geräumt werden können.

Wie nötig das Ringen um gedenkende Erinnerung und wachsame Mahnung ist, zeigt sich immer wieder im Alltag.
Es ist kein Jahr her, da zogen jugoslawische Sinti & Roma hilfesuchend durch die Bundesrepublik, von Stadt zu Stadt. Meist wurden sie abgewiesen. Selbst Wasser und Brot wurde ihnen verwehrt. Dass sich in Berlin eine Senatorin persönlich für ihr Wohl und ihre Belange engagierte, galt als bemerkenswerte Ausnahme. Allein das spricht Bände.

Dieser Tage wurde ein Nazi-Komplott aufgedeckt. Geplant war ein bewaffneter Anschlag auf eine noch nicht gebaute Synagoge, in München, am 9. November. Erstmals seit Jahren interessieren sich die zentralen Medien für einen rechtsextremen Mordsplan, für ein paar Tage.

Als Bundestagsabgeordnete frage ich Monat für Monat die Bundesregierung, wie viele Straftaten mit rechtsextremem und ausländerfeindlichem Hintergrund sie registriert habe. Die amtliche Statistik stapelt tief. Sie ist gerade deshalb umso alarmierender: Stündlich eine Straftat, täglich ein bis zwei Gewalttaten und jährlich zehn Tote - nicht nur im statistischen Durchschnitt, sondern schlimmer: real.

Umso wichtiger ist es, die Erinnerung wach zu halten und die Mahnung aktuell. Das Denkmal, das hier entstehen soll und muss, ist dafür wichtig. Deshalb haben wir uns hier erneut versammelt, so wie wir morgen und übermorgen und immer wieder für Menschlichkeit, Gleichberechtigung und Toleranz kämpfen werden.

 

 

14.9.2003
www.petra-pau.de

 

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