Der Verbraucherschutz empfiehlt...

Bundestag, 22. Mai 2003, Bericht der Bundesregierung - Aktionsplan Verbraucherschutz
Rede von Petra Pau

1.
Das Thema Verbraucherschutz wurde in den letzten Jahren aufgewertet, auch politisch. Das begrüßt die PDS im Bundestag ausdrücklich. Insofern ist es auch gut, wenn die Bundesregierung nunmehr einen „Aktionsplan Verbraucherschutz“ vorlegt.

2.
Der Verbraucherschutz ist ein komplexes Feld, auch das verdeutlicht der Bericht der Regierung. Er ist aber auch ein Thema, dass häufig nur dann aktuell wird, wenn das „Kind im Brunnen liegt“. Ob BSE oder Geflügelpest, zumeist sind es offenbar gewordene Skandale und akute Bedrohungen, die den Verbraucherschutz „spannend“ machen, auch in den Medien. Ich finde deshalb Vorhaben - wie in Berlin - eine „lange Nacht des Verbraucherschutzes“ durchzuführen und so grundsätzlich um Zuspruch zu werben, durchaus anregend.

3.
Nun betont Ministerin Künast gern die Interessen-Übereinstimmung, die es beim Verbraucherschutz zwischen Kunden und Anbietern, zwischen der Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern gäbe oder zumindest geben müsste. An dieser Stelle setze ich ein großes Fragezeichen. Die schnelle Mark war noch immer ein lukratives Geschäftsziel. Das kennen wir aus der Lebensmittel-, aus der Pharma- und aus anderen Industrie- und Handelszweigen.

4.
Gerade deshalb ist es gut und wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern mehr Informationen und bessere Maßstäbe anzubieten. Sie dürfen nicht nur Kunde sein, sie müssen auch kundig sein. Ein Feld, das Verbraucherschutz-Organisationen seit Jahrzehnten beackern.

5.
Allerdings - und damit komme ich auf den „Aktionsplan“ der Regierung zurück - bewegen sie sich fast ausschließlich im traditionellen Raum. Es geht um Lebensmittel-Sicherheit, um Ernährung und Gesundheit, um Geschäfts- und Kaufrechte. Das rede ich nicht klein. Aber ein weites und sich rasant ausweitendes Feld wird dagegen nahezu stiefmütterlich behandelt. Ich meine die Segnungen moderner Informations-Güter. Sie fehlen im Aktionsplan „Verbraucherschutz“ weitgehend, obwohl sie nicht minder wichtig sind, als gesunde Kühe oder ehrliche Reiseverträge.

6.
Ich zitiere daher aus dem Jahresbericht des Datenschutzbeauftragten und füge einen Vorschlag hinzu. Das Zitat: „Der technologische Fortschritt eröffnet immer neue Möglichkeiten, an die früher nicht zu denken war. Meist werden die Vorteile herausgestellt, die für den Einzelnen damit verbunden sind, die oft negative Kehrseite wird vielfach verschwiegen oder zumindest heruntergespielt.“ Soweit der Datenschutzbeauftragte in seinem Jahresbericht.

Er meint Handys, Computer, Navigationssysteme und Anderes, das längst Einzug in den Alltag gehalten, das eben gute, aber auch Kehrseiten hat. Wer ein Handy hat, sollte wissen, dass er jederzeit abgehört und geortet werden kann. Wer im Internet surft, sollte die Frage stellen, wie man sich dagegen schützen kann, dass über ihn oder sie Persönlichkeitsprofile erstellt, gespeichert, gehandelt und missbraucht werden.

Deshalb mein Vorschlag:
Zu jeder Pille gehört ein Beipack-Zettel über „Risiken und Nebenwirkungen“. Jede Zigaretten-Schachtel hat den Aufdruck: „Die Gesundheits-Minister warnen...“ Wer es ernst meint mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, sollte daher Handys und Computer ähnlich prägen: „Der Verbraucherschutz empfiehlt...!“

Nicht als Abschreckung, sondern als Aufklärung, nicht als Handicap für Mobilfunk-Betreiber oder die Computer-Wirtschaft, wohl aber als Bremse gegen staatlichen und privaten Daten-Missbrauch.

7.
Damit bin ich bei einem Punkt, der mich den Kopf schütteln lässt. Wir wissen, dass sich Gesundheitsministerin Schmidt eine Chipkarte wünscht, die weit über die bisher übliche Karte der Krankenkassen hinausgeht. Auf ihr sollen medizinische Daten und mehr gespeichert werden. Sie wissen, Frau Künast - jedenfalls unterstelle ich das - dass es bislang keine Chipkarte gibt - und sei sie auch noch so ausgeklügelt - deren Daten nicht geknackt und damit missbraucht werden können.

Wie sie als Verbraucherschutz-Ministerin trotzdem einer solch riskanten Chipkarte das unbedarfte Wort reden können, entzieht sich meinem Verständnis. Ich biete mich jedenfalls gern an: Sollte es soweit kommen, dann bin ich bereit, die angeblich geschützten Daten ihrer Versicherten-Card knacken zu lassen. Natürlich nur mit ihrem Einverständnis als Verbraucherin, Frau Ministerin.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

22.5.2003
www.petra-pau.de

 

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