Für ein modernes Zuwanderungsgesetz

Bundestag, 9. Mai 2003, Debatte zum Zuwanderungsgesetz
Rede von Petra Pau

1.

Wir erleben heute den dritten Aufguss ein-und-der-selben Debatte zu ein-und-dem-selben Gesetz. Der Unterhaltungswert hält sich folglich in Grenzen. Ein Ritual, ohne erkennbaren Nutzen.

Dabei schienen wir uns vor drei Jahren fast einig. Die Bundesrepublik Deutschland braucht ein übersichtliches, handhabbares und modernes Einwanderungs-Gesetz.

Gerade die Grünen hatten dies, ebenso die PDS, seit Jahren gefordert.

Doch Rot-Grün stand von Anfang an vor einer Gewissenfrage: Entweder ein modernes Gesetz schaffen oder gemeinsame Sache mit der CDU/CSU machen.

Sie haben sich mit der Opposition zur Rechten gemein gemacht, allen voran Bundesinnenminister Schily. Also gibt es kein modernes Gesetz und folglich wird die PDS erneut Nein sagen.

Die PDS im Bundestag hat sich von Anfang an für einen Paradigmen-Wechsel engagiert.

Wir wollten ein Gesetz, dass sich von menschenrechtlichen Ansprüchen leiten lässt und nicht von Kapitalverwertungs-Interessen.

Wir wollten ein Gesetz, dass mit dem Bild vom „Ausländer als Gast und als LückenbüßerIn für Arbeitsmarktengpässe“ sowie vom „Ausländer als potentieller Bedrohung der Inneren Sicherheit“ bricht. Wir unterteilen Migrantinnen und Migranten nicht in „nützliche“ oder „unnütze“ Menschen.

Diese Leitlinien sind modern, sie waren aber nicht mehrheitsfähig. Stattdessen wird seit Jahren ein Trauer-Spiel mit wechselnden Kulissen gegeben. Mal muss der Bundestag dafür herhalten, mal der Bundesrat. Ein Meisterstück sieht anders aus.

2.

Hier wurden gestern goldene Worte über die europäische Union und deren künftige Verfassung gesprochen.

Die Crux ist nur: Mit diesem Einwanderungsgesetz bleiben sie schon jetzt hinter Standards zurück, die Europa prägen werden.

Das betrifft vor allem den humanitären Bereich, den Umgang mit Menschen in Not, mit Asylsuchenden und Flüchtlingen.

Ein Bereich, der Bündnis 90/Die Grünen einst besonders wichtig war. Nun vermisse ich ihre bürgerrechtliche Handschrift - auch hier.

Ich sage das auch mit Blick auf ein ganz aktuelles und akutes Problem: Dem Bleiberecht für Sinti und Roma.

3.

Die PDS im Bundestag hat zur abschließenden Lesung des Gesetzes noch einmal zahlreiche Änderungs-Anträge gestellt.

Sie können das Gesetz nicht mehr grundlegend verbessern. Aber sie sind auch ein Gradmesser für die Bereitschaft von Rot-Grün, wenigstens Schlimmeres zu verhindern.

Unsere Anträge zielen insbesondere auf drei Punkte:
a) Wir wollen hierzulande die Integration verbessern;
b) Wir wollen die Rechte von Menschen in Not stärken;
c) Und wir wollen, dass internationale Normen übernommen werden.

4.

Ein abschließendes Wort zur CDU/CSU. Ihnen kann ich das zweifelhafte Kompliment machen: Sie haben sich von ihren liberalen Mitgliedern nicht beirren lassen, sie sind in all den Debatten kenntlich geblieben. Der rechte Rand der Gesellschaft wird es ihnen danken.

Ein Zuwanderungsgesetz nach ihrem Geschmack ließe sich sogar in zwei Sätze fassen. 1. Der Grundsatz: Ausländer stören. 2. Die Ausnahme: Sie spülen Geld in deutsche Kassen.

Mit dem 21. Jahrhundert hat das wenig zu tun, das vorliegende Gesetz übrigens auch nicht.

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

9.5.2003
www.petra-pau.de

 

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