Regierungserklärung in Kriegszeiten

Bundestag, 3. April 2003, Debatte zur Erklärung des Bundeskanzlers zur internationalen Lage und zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Brüssel am 20./21. März 2003
Rede von Petra Pau

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe die Rede von Frau Merkel von der Unvermeidbarkeit des Krieges mit all seinen Folgen und von ihrer unverbrüchlichen Gefolgschaft zur Allianz der Kriegswilligen noch gut im Ohr - übrigens auch den lang anhaltenden, rhythmischen Beifall ihrer Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU.

Frau Merkel, Sie können sicher sein, dass Sie verstanden wurden, als Sie vor 14 Tagen hier gesprochen haben. Als am vergangenen Sonnabend in Berlin und am Montag in Leipzig erneut Hunderttausend gegen den Krieg demonstrierten, waren Sie nämlich in vieler Munde.

Nun höre ich heute, Sie wollten nach vorne schauen. Die Frage nach einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU stelle sich nach den Differenzen in der Irak-Krise jetzt „sehr viel vehementer“. Eine gemeinsame Politik sei aber „nur denkbar, wenn sie nicht gegen die Vereinigten Staaten von Amerika gerichtet“ sei.

Genau zu dieser Passage habe ich drei Anmerkungen:

Zum Ersten erinnert mich das alles an den uralten Ehespruch aus weiblicher Sicht:
Sind wir uns einig, dann gilt meine Meinung. Haben wir aber eine Differenz, dann gilt seine Meinung.

So sind die USA mit dem Völkerrecht umgesprungen, so haben Sie von der Union sich der USA-Strategie unterworfen, und so sieht ihr „Blick nach vorn aus“.

Die PDS im Bundestag hat einen anderen Voraus-Blick.

Zum Zweiten ist eine Politik, die sich Angriffskriegen versagt, noch lange keine Politik gegen die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern lediglich eine Politik gegen eine auf Krieg setzende US-Führung. Diesen Unterschied sollten auch Sie von der CDU/CSU endlich begreifen.

Zum Dritten heißt die Frage nicht „mit den USA oder gegen die USA“? Europa muss sich vom Kriegskurs der USA emanzipieren. Das wären ein Blick und ein Schritt nach vorne.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, ich behaupte ja nicht, dass die Karre mit einfachen Lösungen oder gar Losungen aus dem Dreck gezogen werden könnte.

Wenn wir in unserem Nein zum Irak-Krieg übereinstimmten, dann hieß das nie, dass unsere Gründe dieselben waren.

Rot-Grün hat diesen Krieg abgelehnt, die PDS lehnt Kriege grundsätzlich ab. Das ist der Unterschied.

Wir alle wissen: Die Regierung verdrängt alle Fragen, die auf eine völkerrechtliche Verdammung des Irak-Krieges hinauslaufen, sie weicht allen Fragen aus, die mit einer indirekten deutschen Beteiligung zusammenhängen.

Ich spreche hier über Überflugrechte, über AWACS-Flüge, über deutsche Einsatzkräfte in Kuwait und am Horn von Afrika.

Dies lehnt die PDS im Bundestag seit Monaten und auch heute wieder ab.

Dass ich in den letzten Tagen selbst grüne Stimmen höre, die Europa um- und hochrüsten wollen, wundert mich.

Lassen sie uns gemeinsam nach Auswegen suchen. Konfrontation, Kriege, Rüstung sind keine Krisenlöser. Sie bieten keine Zukunft, für niemanden, nirgendwo.

Ich will allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch eines in Erinnerung rufen:
Hätten die CDU und CSU im Bunde mit der FDP die Wahlen gewonnen, dann wäre die Bundesrepublik Deutschland heute Kriegs-Partei, dann würden deutsche Soldaten heute um Bagdad und den mittleren Osten kämpfen, mit allen Folgen.

Auch das muss in einer solchen Debatte gesagt werden.

Frau Merkel hat ja nun mehrfach unterstrichen, dass sie sich unter Inkaufnahme aller Folgen an die Politik der USA hängen wollte.

Ich möchte aber zum Schluss noch zwei Sätze zur heutigen Kanzlerrede und seinem Versuch, seine außenpolitischen Vorstellungen von einer friedlichen Welt mit seinen innenpolitischen Vorhaben, der so genannten Agenda 2010, zu verknüpfen, sagen:

Erstens. Die Agenda 2010 zielt nicht auf mehr Gerechtigkeit, mehr Stabilität und Solidarität im Inneren, im Gegenteil: Sie entlasten mit dieser Politik die Vermögenden, belasten die Bedürftigen und entsorgen die Solidarsysteme.

Deshalb mein zweiter Satz: eine solche Innenpolitik taugt nicht als Leitbild für eine Außenpolitik, die auf Recht und Gerechtigkeit, auf Frieden und Entwicklung zielt.

Die PDS im Bundestag sagt also Ja zu Ihrem Nein zum Irakkrieg. Aber wir sagen zugleich Nein zu Ihrem Ja zum Sozialabbau.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

13.3.2003
www.petra-pau.de

 

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