Haushalts-Debatte unter Kriegs-Vorbehalt

Bundestag,19. März 2003, Haushalts-Debatte, Etat des Bundeskanzleramtes
Rede von Petra Pau

 1. 

Wir diskutieren seit gestern den Bundes-Haushalt und ich finde, wir muten uns damit starke Nerven zu.
Während wir uns um Haushaltsposten und Einzelpläne streiten, läuft draußen die Uhr in Richtung Krieg.
Ein Krieg, den Hunderte Millionen Menschen ablehnen, ein Krieg, der Hundert Tausende Menschen treffen wird.

 2. 

Die PDS im Bundestag hatte gestern den Bundestagspräsidenten ersucht, eine Sondersitzung des Bundestages einzuberufen.
Herr Thierse hatte das - ebenfalls mit Verweis auf die Geschäftsordnung - abgelehnt. Zumal, so Bundestagspräsident Thierse in seiner Antwort, der Bundestag ja tage.
Das tut er. Allerdings nicht zu dem alle bedrückenden Thema, sondern so, als ginge alles seinen geschäftsmäßigen Gang und so, als hätte der Bundestag nicht ein gewichtiges Wort mitzureden.

 3. 

Herr Merz von der CDU hatte seiner Rede gestern ähnliche Gedanken vorangestellt. Der Unterschied ist nur: Die CDU/CSU könnte kraft Fraktions-Status eine Debatte zum Krieg auf die Tagesordnung setzen. Die PDS im Bundestag leider nicht.
Dass die CDU/CSU-Fraktion es nicht tat, entlarvt ihre Worte, Herr Kollege Merz, aufs Neue als plumpe Polemik.

 4. 

Dabei steht die gesamte Haushalts-Debatte unter Kriegs-Vorbehalt.
Denn die Kriegs-Kosten, die Kriegs-Lasten und die Kriegs-Verluste werden auch uns heimsuchen.
Was übrigens ein Grund mehr wäre, vehement gegen den drohenden Krieg zu sein, wenn auch nicht der wichtigste.

 5. 

Bundeskanzler Schröder hat wiederholt, dass er, dass die Bundesregierung, dass die rot-grüne Koalition einen Krieg gegen den Irak weiterhin ablehnen.
Das unterstützt die PDS im Bundestag und nicht nur im Bundestag. Deshalb will ich auch Klartext reden:
Beginnt die USA wie angekündigt einen Feldzug gegen den Irak, dann wäre das Völkerrechtsbruch, Staatsterrorismus und Massenmord.

 6. 

Umso erregter höre ich, Frau Merkel, dass Sie und ihre CDU diesen Kurs der USA-Führung unterstützen und zwar mit allen denkbaren Folgen.
Ja, sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?!
Mit diesem Kurs werden Sie ein Fall für's Bundesverfassungsgericht. Denn mit diesen Äußerungen - da hat die SPD Recht - ist die CDU Teil der Allianz der Kriegs-Willigen.
Und das können Sie unmöglich in der DDR gelernt haben.

 7. 

Ich hatte übrigens nicht an den Präsidenten des Bundestages geschrieben, um mal so über Krieg oder Nicht-Krieg zu reden, auch nicht, um hier eine außenpolitische Debatte anzuregen.
Ich hatte darauf verwiesen, dass wir spätestens mit Kriegs-Beginn ein gravierendes innenpolitisches Problem haben.
Das Grundgesetz enthält mit Art. 26 ein Friedensgebot. Er stellt die Beteiligung an einem Angriffs-Krieg unter Strafe. Und auch eine indirekte Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Angriffskriegen ist auszuschließen.

 8. 

Darüber ist zu reden. Nicht irgendwann, sondern schnell. Und nicht irgendwo, sondern im Bundestag.
Ich finde und das sagen auch Völkerrechtler: Solange AWACS-Flugzeuge mit deutscher Besatzung in der Kriegs-Region unterwegs sind, solange Kriegs-Einsätze von US-Basen auf deutschem Boden ausgehen und solange Bundeswehr-Kräfte in der Kriegs-Region präsent sind, solange haben wir es mit einer indirekten Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an einem völkerrechtswidrigen Angriffs-Krieg zu tun.

 9. 

Da liegt übrigens auch der Unterschied zwischen der FDP und der PDS. Wir stimmen überein, dass das Thema in den Bundestag gehört. Sie, weil sie mitsprechen und zustimmen wollen, wir, weil wir mitsprechen und mit Nein stimmen werden.

10. 

Genau da liegt auch die Messlatte für die Grünen.
Sie beklagen die Ohnmacht, die uns alle angesichts der Unbeirrbarkeit der USA-Führung befällt. Das verstehe ich sehr gut und das geht sehr, sehr vielen so.
Deshalb nutzen Sie wenigstens die Macht, die Ihnen als Regierungspartei anheim gestellt wurde. Verhindern Sie, dass Deutschland durch die Hintertür mitschuldig wird. Sie würden sonst selbst schuldig.
Alles Recht der Welt stände auf Ihrer Seite, denn kein Recht und kein Vertrag zwingt die Bundesrepublik Deutschland, zum Helfershelfer zu werden.
Sie waren bisher standhaft. Nun wagen sie auch den Folgeschritt.

11. 

Nun noch ein Wort an die CSU. Ich habe schon mehrfach gesagt: „Ich kenne zwölf gute Gründe, ja nicht CSU zu wählen. Der dreizehnte heißt Beckstein.“
Bayerns Innenminister hat bereits vor Wochen gewarnt. Nicht vor einem Krieg gegen den Irak, sondern davor, dass Kriegsflüchtlinge aus dem Irak die deutschen Lande erreichen könnten.
Sie sollten, so Beckstein, in der Kriegsregion (Zitat:) „menschenwürdig“ untergebracht werden.
Ich weiß nicht, was solch ein Zyniker des Sonntags im Beichtstuhl erzählt. Ich weiß nur: Als Politiker und Minister ist er eine kreuz-gefährliche Fehlbesetzung.

12. 

Schluss-Satz:
Sie können jetzt gerne über das Haushalts-Kapitel 0-8-15 weiter streiten. Verschieben sie ein Komma nach rechts oder eine Null nach links.
Die USA und die Allianz der Kriegswilligen verschieben derweil die gesamte Welt-Architektur. Stabiler wird sie dadurch nicht, nicht gerechter und auch nicht demokratischer - im Gegenteil.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

19.3.2003
www.petra-pau.de

 

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