Rote müssen zugleich Grüne und Piraten sein

Sozialismus-Kongress der Jusos Berlin, 22. März 2019
Einstieg Petra Pau

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1. Ich war Bürgerin der DDR und Mitglied der SED.
Deshalb möchte ich eingangs klar stellen.

Der Sozialismus-Versuch sowjetischer Prägung ist vor allem an seinen eigenen Defiziten gescheitert. Drei ganz zentrale nenne ich.

Erstens war er wirtschaftlich nicht in der Lage, mit den führenden kapitalistischen Unternehmen Schritt zu halten, geschweige denn, eine höhere Produktivität zu entwickeln. Das aber wäre nach einer zentralen Prämisse von Karl Marx unabdingbar gewesen.

Zweitens wurden verbriefte Bürgerrechte sowie Grundregeln der Demokratie einer vermeintlich besseren Sache wegen zurück- oder ausgesetzt. Das war letztlich ein Rückfall hinter Errungenschaften der Französischen Revolution von 1789.

Drittens lief das Konzept der „führenden Rolle einer Partei“ und der „Einheit und Geschlossenheit“ seiner Mitglieder gesellschaftlich auf Überwachung und Maßregelungen hinaus. Dies wiederum blockierte Vielfalt und mithin lebendige Entwicklungen.

2. Nach dem Ende der DDR frohlockte der damalige Sozialminister der Bundesrepublik Deutschland, Norbert Blüm (CDU):
„Marx ist tot, Jesus lebt!“

Den Zusammenbruch der Sowjetunion kommentierte der USA-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama als „Ende der Geschichte“.

Beiden widerspreche ich vehement: dem ersten aus Überzeugung, dem zweiten aus Hoffnung und beiden als Linke.

3. Natürlich ist „Links sein im 21. Jahrhundert“ nicht auf Karl Marx reduzierbar. Sein Hauptwerk, „Das Kapital“, ist derweil 150 Jahre alt.

Aber viele Analysen und Grundsätze von Karl Marx aus dem 19. Jahrhundert sind noch immer aktuell und folglich hilfreich.

Warum? Ich nenne dazu nur drei Stichpunkte:

Erstens: Karl Marx hatte das Kapital nicht - wie allgegenwärtig - als Heilsbringer hofiert, sondern als Herrschaftsverhältnis kritisiert.

Zweitens: Davon abgeleitet bleibt für Linke eine gerechtere Umverteilung von Reichtum und Macht eine zentrale politische Frage.

Und Drittens: Die Eigentums-Frage ist nicht aus der Welt. „Eigentum verpflichtet“, heißt es zwar im deutschen Grundgesetz - aber folgenlos.

4. Prof. Wolfgang Fritz Haug gilt international als Karl-Marx-Kenner. Nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Sozialismus gab er 1997 in seinem Buch „Politisch richtig oder richtig politisch“ zu bedenken.

(Zitat):
„Links ist alles Handeln, das Welt aus dem Reich des Privateigentums zurückgewinnt, ohne sie dem Reich des Staatsapparats auszuliefern.“

Dem Kapital nehmen, ohne es dem Staat zu geben, dieser Gedanke bewegt mich seither, allemal mit Blick auf die Digitalisierung.

5. Ein letztes Vorab:

Rückblickend waren die materiellen Verhältnisse weder 1917, noch 1945, auch nicht 1990 reif für einen Sozialismus, der über den Kapitalismus hinausreicht.

Doch nun steht die Frage: Hat die kapitalistische Gesellschaft womöglich inzwischen etwas ausgebrütet, was über sie hinaus weist?

Ernstzunehmende Theorien unterstellen: Es waren immer zwei materielle Innovationen, zwei technologische Revolutionen, die eine neue gesellschaftliche Entwicklung ermöglichten:

a) bis dato nicht gekannte Möglichkeiten, Energien zu nutzen.
b) völlig neue, weiterreichende Formen der Kommunikation.

Nehmen wir einmal an, diese These stimmt, dann drängt sich doch eine spannende Frage auf:

Könnte es sein, dass die Solaroption und das Internet miteinander eine solche gesellschaftliche Sprengkraft entfalten, wie seinerzeit die Dampfenergie und die Telegrafie? Zumindest als Chance!

Wenn Ja, dann heißt das für Linke:
Rote müssen im 21. Jahrhundert zugleich Grüne und Piraten sein.
 
 

 

 

22.3.2019
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