Nein zu TTIP

Petra Pau auf der Jahresabschlussveranstaltung des VDGN
Berlin, Marzahn-Hellersdorf, 09. 12. 2014

[pdf]

Als Innenpolitikerin der LINKEN sind meine Pro-Themen Bürgerrechte und Demokratie und meine Kontra-Themen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Sie alle haben sehr viel auch mit Marzahn-Hellersdorf zu tun. Auf ein gravierendes Beispiel komme ich gleich zurück.

Nun erleben wir gerade die lang anhaltenden 25-Jahre-Festspiele zum Mauerfall und zur deutschen Einheit. Dabei ist viel von Bürgerrechten und Demokratie die Rede. Zu Recht! Nur werden dabei aktuelle Atacken auf Bürgerrechte und Demokratie zumeist geflissentlich ausgeblendet.

Es geht nicht um Kleinkam, sondern um Generalangriffe, besonders drei:
Erstens: die Macht großer Banken über die Politik (und die Wirtschaft).
Zweitens: die Totalüberwachung durch den NSA und weitere Geheimdienste.
Drittens: das geplante Freihandelsabkommen T-TIP zwischen EU und USA.

Über das TTIP werde ich ein paar Worte sagen, sie treffen auch auf CETA zu, einem analogen Abkommen der EU mit Kanada. Es gibt verschiedene Gründe, dagegen zu sein. Gleichwohl wird es offiziell als Wohl und Segen globaler Partnerschaft gepriesen. Und die Wort-Kombination von „frei“, „Handel“ und „Abkommen“ suggeriert ja auch gutes. Es steckt nur nicht drin, was drauf steht.

Im Gegenteil: Im Kern würde mit einem solchen Abkommen der Einfluss der Politik auf wirtschaftliche Vorhaben gen Null getrieben. Im Zweifel könnten Konzerne die Politik verklagen und sie bekämen - so in den USA und Kanada bereits geschehen - auch noch Recht. Nicht vor ordentlichen Gerichten, sondern von speziell zusammen gesetzten Schiedskommissionen.
Damit bin ich bei Kritikpunkt 1: TTIP schließt den Rechtsstaat aus.

Es geht aber um noch viel mehr, denn ich meine: Die Politik muss soziale, ökologische und ethische Standards setzen können, an die sich auch Konzerne zu halten haben. Als klassisches Beispiel wird immer auf Gen-manipulierte Produkte verwiesen, die in Europa weitgehend verboten, in den USA aber erlaubt sind. Aber das vielfach zitierte Chlor-Hühnchen ist nur ein langweiliger Hinhalter, der vom Eigentlichen ablenken soll.

Deshalb zwei Beispiele, die mit TTIP und Ceta zur Norm werden können:

Erstens: Der Französische Konzern Veola (Anteilseigner an den Berliner Wasserbetrieben) hat Ägypten verklagt. In Ägypten wurde ein bescheidener gesetzlicher Mindestlohn verfügt. Der minimiert nach Ansicht von Veola den Konzerngewinn. Er klagt daher auf Schadensersatz vom Staat und auf die Rücknahme der Mindestlohnregel. Bekommt Veola von einem sonderbaren Schiedsgericht Recht, so müssten Zig-Millionen Steuergelder gen Viola fließen und obendrein würden nötige Sozialstandards ausgesetzt.

Zweites Beispiel: Der Energie-Konzern Vattenfall (auch in der Region Berlin-Brandenburg dominant) hat die Bundesrepublik Deutschland auf hunderte Millionen Euro Schadensersatz verklagt, als Ersatz für Gewinnausfälle durch den Ausstieg aus der Atom-Energie. Bekommt Vattenfall Recht, so würden wieder Millionen Steuer-Euro in die Konzernkasse umgeleitet. Außerdem würde das Recht der Politik beschnitten, Regeln und Standards zu setzen.

Beide Beispiele laufen auf eine Kapitulation der Politik unter Konzerinteressen hinaus, sie unterlaufen jedwede Mitbestimmung und Demokratie.
Das ist Kritikpunkt 2, der alles entscheidende.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine „marktkonforme Demokratie“ gefordert. Das kann man als Fürwort für TTIP und CETA verstehen. Und so war es wohl auch gemeint. Nur: TTIP stärkt nicht den Markt. TTIP sichert globalen Konzernen eine Vorherrschaft gegenüber allen anderen Bewerbern am Markt. TTIP besiegelt das Ende der freien Marktwirtschaft. Das ist mein Kritikpunkt 3.

Mit einem letzten Beispiel breche ich diese große Politik auf den Bezirk herunter. Dieser Tage brachte sich der Energiekonzern EON ins Gespräch.
Nach allem, was man liest, will EON seine bisherigen Energie-Standbeine (Kohle, Gas, Öl, Atom) ausgliedern und sich im Kerngeschäft erneuerbaren Energien zuwenden. Was zumindest auf den ersten Blick gut klingt.

Aber wehe, man denkt weiter. Kohle, Gas, Öl und vor allem Atommüll auslagern, das wirft natürlich Fragen auf: Will der Konzern seine Altlasten entsorgen und über Winkelzüge beim Steuerzahler abladen?

Und was bedeutet es, wenn EON sich künftig erneuerbaren Energien zuwendet, also Solar-Energie im weiteren Sinne (Sonne, Wind, Wasser, Bio-Masse usw.)? Es gibt zwei Strategien für die Energiewende, eine zentrale und eine dezentrale. Welche obsiegt, ist noch offen und letztlich eine politische Frage.

Schon wenn ich sage, eine politische Frage, sollten alle Alarmglocken wider TTIP läuten. Denn mit dem Freihandelsabkommen soll ja gerade die Politik zugunsten großer Konzerne klein gehalten werden.

Die zentralistische Strategie einer Solarwende läuft längst. Markante Beispiele sind große Windparks in der Nordsee und riesige Sonnenfelder im Norden Afrikas. Das Energiemonopol läge weiter bei den herrschenden Konzernen.
Auch die dezentrale Strategie nimmt längst Formen an. Immer mehr Häuser, Gehöfte, Kommunen, ja selbst Städte werden Eigenversorger. Konsumenten werden zu Produzenten, selbst bestimmt und ohne Sonderprofit.

Nutznießer der dezentralen Strategie sind auch Klein- und Mittelbetriebe, die sie materiell absichern und vorantreiben, auch in unserem Bezirk. Sie wären zugleich Opfer von TTIP. Denn sobald die dezentrale Wende staatlich gefördert wird, könnten die großen Energiekonzerne mit ihrem monopolisierten Nordsee-Wind und ihrer gekauften Afrika-Sonne dagegen klagen und Verluste reklamierten.

Deshalb, auch deshalb regt sich zunehmend Widerstand gegen die so genannten Freihandelsabkommen. Und ich ermutige sie, daran teilzunehmen.
Zumal Bemerkenswertes geschieht. •  Die Verhandlungen über TTIP werden weiterhin streng geheim geführt. Geheim ist das Gegenteil von transparent und mithin undemokratisch. •  Eine EU-weite Bürgerbewegung hat bereits 1 Millionen Unterschriften gegen TTIP gesammelt. "Nicht existent", beschied die EU-Kommission abfällig. •  Attac ist ein globalisierungskritisches Netzwerk und gegen TTIP aktiv. Vor wenigen Wochen wurde attac plötzlich die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Mein Schlussgedanke: Wir brauchen keine marktkonforme Demokratie, sondern einen demokratiekonformen Markt. Prüfen sie selbst, was ihren Interessen näher kommt, was bürgerfern, was bürgernah ist...
 

 

 

9.12.2014
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

 

Lesbares

 

Startseite