Aktuelle Notiz: So viel Miteinander muss sein

von Petra Pau
Berlin, 30. Dezember 2011

1. 

Ein Zauberwort macht die Runde, allenthalben wenn es um innerlinke Streits geht: GLAUBWÜRDIGKEIT. Wer Einzelfallprüfungen bei UN-Einsätzen erwägt, ist nicht glaubwürdig, nicht in einer Friedenspartei. Wer einen öffentlich-geförderten Beschäftigungssektor gutheißt, ist nicht glaubwürdig, nicht in einer Anti-„Hartz-IV“-Partei.
 
Wer über mögliche Gemeinsamkeiten mit SPD oder Grünen nachdenkt, ist nicht glaubwürdig, jedenfalls nicht als LINKER. Und wer über eine gesellschaftliche Transformation über den Kapitalismus hinaus sinniert, kann kein wahrer Linker sein, weil er die überfällige und nahende proletarische Revolution aus dem Blick verliert.

2. 

Das alternative Kapital der Partei DIE LINKE ist ihre ausnahmslose Glaubwürdigkeit. Das unterscheidet sie von allen anderen Parteien. Dieses Kapital der LINKEN hat weniger mit dem von Karl Marx zu tun. Es wird eher moralisch ins Feld geführt, wie bei Bischof Marx, nur glaubwürdiger, kompromissloser, unbarmherziger, also linker.
 
Und so ist auch keine andere Partei radikal-demokratischer gestrickt als DIE LINKE. Selbst die Piraten sind dagegen Primaten. Sie wissen es nur noch nicht. Das Motto „Mehr Demokratie wagen“ muss Willi Brandt seinerzeit bei Linken kopiert haben, wo sonst. Deshalb hat DIE LINKE ihn auch als Ehrenmitglied akklamiert, posthum, Punktum.

3. 

Generell hat die Demokratie Schwindsucht. "Finanzmärkte" setzen Parlamente matt und Volks-Vertreter vollstrecken dieses „Aus-ist-die-Maus“ als EU-Rettung. Dagegen regt sich Protest, Occupy, international. Vorwiegend junge Leute begehren auf. Mit Parteien haben sie wenig am Hut. Sie gehören aus ihrer Sicht zum Übel, nicht zur Lösung.
 
DIE LINKE reagierte prompt. Auf ihrem Erfurter Parteitag übernahm sie flugs den Slogan der Occupy-Bewegung: „Wir sind 99 Prozent!“ Ich war auf zwei „Occupy-Demos“ in Berlin dabei. Bei der ersten waren Partei-Fahnen, auch linke, unerwünscht. Bei der zweiten war DIE LINKE kaum noch vertreten. Weil es nichts zu schwenken gab?

4. 

Aber DIE LINKE kann es auch anders. Wohl ahnend: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Deshalb sollen künftige Parteivorsitzende durch Urabstimmung nominiert werden. Schlug der Vorsitzende höchst selbst vor, zur Überraschung vieler. DIE LINKE als gelebter Beleg in eigener Sache für mehr Demokratie wagen. Geht doch!
 
Und es geht, wie so häufig. Eine richtige Linke nimmt ihren Vorsitzenden immer ernst. Mehrere Landesverbände griffen die Idee flugs auf. Sie bliesen in dieselbe Schalmei und damit auch Bedenken-Würden aus dem Schlaf. Seither kursieren juristische Expertisen dagegen und politische Widerworte dafür. Bei Facebook wird getobt und gelacht.

5. 

Das danken Journalistinnen und Journalisten immer überschwänglich. Endlich zeigt DIE LINKE wieder Kampfgeist. Nicht so dröge, wie auf dem Erfurter Kompromiss-Parteitag, sondern hellwach, wie zu besten Zeiten. Wer mag, wird zitiert, jedem Pro folgt ein Kontra, so dass sich die Welt ein realistisches Bild reimen kann.
 
Von der LINKEN, von wem sonst! Sie führt keine Personaldebatten. Sie profiliert sich sachlich, sozial und solidarisch. Wer hinter alledem ein innerparteiliches Kalkül wittert, ist hanebüchen schief gewickelt. Unter wahren LINKEN zählen nur Gewissheiten und Glaubwürdigkeit, im Zweifel immer die eigenen. So viel Miteinander muss sein.
 

 

 

30.12.2011
www.petra-pau.de

 

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