DIE LINKE und Antisemitismus

Interview mit Petra Pau (DIE LINKE), „Konkret“, Heft 12 - 2008

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Was bezweckte die CDU Ihrer Meinung nach damit, in den Text der Bundestagsresolution gegen Antisemitismus Passagen über die DDR einzufügen?

Es gab eine Vorgeschichte. Rund neun Monate lang arbeiteten Abgeordnete aus allen fünf Fraktionen im Bundestag an einem gemeinsamen Antrag zur Ächtung des aktuellen Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens in Deutschland. Die Arbeit kam voran. Wir Fachpolitiker suchten das Gemeinsame im Trennenden. Dann übernahmen Machtpolitiker das Vorhaben. Sie suchten das Trennende im Gemeinsamen. Das erklärte Ziel der CDU/CSU war: Kein gemeinsamer Antrag mit der Fraktion DIE LINKE. Das stieß auf Widerspruch. Und so fügte die CDU/CSU in den gemeinsamen Text einen Passus zur DDR-Geschichte ein, von dem sie zu Recht annehmen konnten, dass DIE LINKE den nicht mittragen wird. Sie wollte damit uns den schwarzen Peter zuschieben, wenn es keinen All-Fraktionen-Antrag mehr gibt.

Sehen Sie einen Zusammenhang zu totalitarismustheoretischen Konzepten in Gedenkstätten wie Buchenwald und Sachsenhausen?

Die Totalitarismus-These feiert in der CDU/CSU derzeit fröhliche Urständ. Ganz praktisch kann man das in Sachsen erleben, wo die Union das Bündnis der demokratischen Parteien gegen die NPD aufgekündigt hat, um gegen DIE LINKE ins Feld zu ziehen.

Wäre an den CDU-Thesen etwas Richtiges, wenn sie in einem anderen Zusammenhang stünden und nicht einer Gleichsetzung von NS-Staat und DDR dienten?

Die Unionsfraktion hat mit ihrer Passage zur Geschichte suggeriert, in der DDR seien Juden enteignet und außer Landes getrieben worden, weil sie Juden waren. Das ist ahistorisch und absurd, egal in welchem Zusammenhang so etwas behautet wird. Diese Gleichsetzung der DDR mit der Hitler-Diktatur bewirkt letztlich nur eines: Das NS-Regime wird verharmlost und seine Opfer werden verhöhnt. Ansonsten könnte ich etliche Beispiele nennen, bei denen die DDR mitnichten korrekt mit Jüdinnen und Juden umgegangen ist. Auch die BRD-alt hat da so manches auf dem Kerbholz. Das alles ist nicht zu rechtfertigen. Wer das aber mit dem Holocaust gleichsetzt, einem unvergleichbaren Menschheitsverbrechen, der ist entweder dumm oder fies oder beides.

Gregor Gysi sagt, daß Äußerungen von Linken über Israel oft durch „Einseitigkeiten, Überziehungen“ und „eine ungenügende historische Beurteilung der Zusammenhänge“ geprägt seien. Damit setze sich Ihre Partei aber "ausreichend selbst auseinander". Wie sieht diese Auseinandersetzung aus?

Noch ausgangs der DDR gab es eine Entschuldigung von Hans Modrow als Ministerpräsidenten gegenüber Jüdinnen und Juden in der DDR und gegenüber Israel. Sie wurde damals kontrovers debattiert. Aber es war Konsens innerhalb der PDS, dass es auch in dieser Frage Etliches aufzuarbeiten gibt. Seit ich Landesvorsitzende der Berliner PDS wurde, das war 1992, pflege ich sehr intensive Kontakte zu Jüdischen Gemeinde in Berlin und darüber hinaus. Dennoch schwelten immer innerparteiliche Differenzen, vor allem, wenn es um den Nah-Ost-Konflikt ging. Die nahmen nach der Gründung der Partei DIE LINKE und mit neuen Mitgliedern, insbesondere aus dem Westen, zu. So fand die Rede von Gregor Gysi im Frühjahr dieses Jahres zum Verhältnis der Linkspartei zu Israel großen Zuspruch, aber auch vehemente Kritik. Damit setzen wir uns auseinander. Wobei ich nicht von "ausreichend" sprechen würde. Allerdings: Moralische Belehrungen, ausgerechnet von der CDU/CSU, die zuweilen mit gefälschten jüdischen Vermächtnisse Reibach macht, sind dabei wirklich fehl am Platz.

Der außenpolitische Sprecher der Linken, Norman Paech sagt, der Nahostkonflikt lasse sich nur lösen, wenn Israel aufhöre, ein jüdischer Staat zu sein. Ist das die Meinung der Partei?

Das ist ein anderes Thema, ein kompliziertes zudem. Israel versteht sich als jüdischer Staat, obwohl Israel vielfältiger ist. Aktuell lese ich, dass sich rechte Parteien in Israel zu einem Block formieren und Israel von allen Nicht-Juden befreien wollen. Das ist extremistisch. Aber das ist nicht Israel. Ich kenne übrigens derzeit Niemanden, der wirklich ein Patent für den Nah-Ost-Konflikt in der Tasche hat, nicht für Israel, nicht für Palästina, nicht für die Welt. Die Suche nach Lösungen ist vielstimmig.

Sie engagieren sich seit Jahren gegen Antisemitismus und Antizionismus. In Ihrer Partei dominieren hingegen antiisraelische Positionen, vertreten von Leuten wie Norman Paech, Wolfgang Gehrke, Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen oder Christine Buchholz. Vertreten Sie innerhalb der Partei eine Minderheitenposition?

Woran wollen Sie das messen? Es gibt politische Differenzen, mal punktuell, mal grundsätzlich. Wobei Pauschal-Adjektive, wie „antiisraelisch“, häufig Stempeln gleichen, die wenig aufklärend und zumeist auch falsch sind. Wichtig ist auch: Antisemitismus ist keine politische Kritik, sondern eine menschenverachtende Ideologie. Völlig irre würde es allerdings, wenn sich DIE LINKE in Lager teilte: hie die Freunde Israels, da die Freunde der Palästinenser. Das wäre altes Freund-Feind-Denken und fern aller Realität. Der Nah-Ost-Konflikt lässt sich nur politisch und miteinander lösen, nie aber militärisch und gegeneinander. Das wiederum ist ganz klar Mehrheitsposition.
 

 

 

4.12.2008
www.petra-pau.de

 

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