Bundestag:

Rüstungsexporte

Die Tabus fallen reihenweise

landesinfo
Herausgegeben von der PDS Berlin
Ausgabe November 2004, Seite 3

Die Botschaft kam wie bestellt. Endlich könne auch Deutschland ohne unsinnige Beschränkungen exportieren, lobte ein Sprecher der Luft- und Raumfahrt-Industrie die rot-grüne Bundesregierung. Am selben Tag diskutierten wir im Bundestag den „Jahresabrüstungs-Bericht“ für 2003. „Die Welt“ kommentierte vorab genüsslich: „Rüstungsexport ist kein rot-grünes Reizthema mehr. Auf Drängen des Kanzlers fallen jetzt reihenweise die Tabus.“ So ist es, leider.

Nach Berechnungen verschiedener Institute rangiert Deutschland auf Platz drei bis fünf in der Top-Liste der weltgrößten Rüstungsexporteure. Allein 2003 wurden Waffen und kriegsfähiges Material an über 100 Länder verkauft. Das Geschäft boomt. Dabei hatten sich SPD und Grüne in ihren eigenen Richtlinien auferlegt: Rüstungsexporte sind „restriktiv“ zu handhaben.

Im Umfeld der Bundestagsdebatte schlugen weitere Meldungen ein. „Deutsche Konzerne profitieren am Irak-Krieg!“ Der Hintergrund: Die heimischen Rüstungsexporte sind ausgerechnet an jene Staaten gestiegen, die am Irak-Krieg beteiligt sind. Als Rot-Grün antrat, galten Waffenlieferungen in Krisengebiete als verboten, und auch an Kriegsparteien, die nicht im UNO-Auftrag handeln. Auch das ist Schnee von gestern. Inzwischen beliefern deutsche Konzerne selbst Israel und damit in eine unkalkulierbare Region.

Das alles und mehr stand übrigens nicht in dem 200-seitigen Bericht der Bundesregierung. Als ich es im Plenum vor laufenden Phönix-Kameras und Mikrofonen ansprach, gaben mir CDU-Abgeordnete Recht. Die Grünen zürnten.

Vor drei Jahren begann die Militär-Mission der Bundeswehr in Afghanistan. Am Anfang stand ein Wort, ein Machtwort, ein Schauspiel. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte die Abstimmung zum Auslandseinsatz mit einer Vertrauensfrage in eigener Sache gekoppelt. Das Ergebnis war schizophren. CDU und CSU wollten den Marschbefehl, aber kein Votum für die Regierung, also stimmten sie mit Nein. Etliche Sozialdemokraten und Grüne grummelten laut gegen das Afghanistan-Mandat, wollten aber ihren „Chef“ nicht schwächen. Ergo sagten sie Ja. Nur eine Partei im Bundestag brauchte sich nicht verbiegen: Die PDS stimmte mit Nein.

Seither wird der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr regelmäßig verlängert und erweitert, zuletzt Ende Oktober, ohne Debatte. Als wir eine Aussprache begehrten, wurden wir überstimmt, von allen anderen. Die bei großen Themen üblichen Verhältnisse im Bundestag obsiegten wieder einmal: 2 zu 4, zwei Frauen gegen vier Fraktionen.

Als die Bundeswehr an den Hindukusch aufgebrochen war, da gab es ein klares Ziel, angeblich. Osama Bin Laden sollte gefasst, der internationale Terrorismus zerschlagen werden. Regelmäßig fordere ich eine Bilanz des militärischen Abenteuers, vergebens. Bei einer Nachfrage war Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) allerdings offenherziger. „Sie haben viele Verlängerungsstrategien, haben Sie auch ein Ausstiegsszenario?“ Seine Antwort: „Nein, ich bin doch kein Hellseher.“
 

Petra Pau
Mitglied des Bundestages
 

 

 

3.11.2003
www.petra-pau.de

 

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