Beschnüffelt

jungle world - liebe ware, Nr. 33, 5. August 2004

Produkte, die wir auch nach dem Kapitalismus nicht missen wollen

Anfang der neunziger Jahre, waren die Handys riesig und selten. Jedenfalls hatte ich eins, schon recht früh, lange bevor sie zum Standard für angehende Teenager wurden. Das Wochenblatt „Berliner Linke“, das den Markt nicht überlebte, hat es auf Seite 1 mit einem Foto bezeugt: Ich demonstrierte und telefonierte im Schneegestöber gegen Mieterhöhungen.

Jahre später versteigerte das Bundesfinanzministerium bewegte Luft. Das war Marktwirtschaft pur. Es ging um UMTS-Frequenzen. Sie sollen den Handy-Betrieb beschleunigen. Die Bieter-Konzerne schleuderten Milliarden ins staatlich-stattliche Luftgeschäft.

Übrigens: Angeblich gibt es eine Kurzformel für den Unterschied zwischen der DDR und der BRD. In Ost-Telefon-Zellen stand: „Fasse dich kurz!“ In den West-Würfeln wurde geworben: „Ruf mal an!“

Heute beherrschen Handys den Markt, und nicht nur ihn. Sie wecken, planen, fotografieren, mailen, und nebenbei lässt sich mit ihnen auch noch telefonieren. Wer keins hat, gilt als Warmduscher oder Bücherleser. Ich brauche beides: gute Literatur und mein Handy. Zwischen ihnen gibt es viele Unterschiede. Einer ist gravierend:

Mobiltelefone sind Einfallstore für Schnüffler aller Couleur - für staatliche, für geschäftige. Die Technik ermöglicht es, die Politik forciert es, und der Kunde bezahlt es. Das ist der Schatten, ein großer, wachsender. Wenigstens ein Hinweis wäre angebracht auf jedem Handy: „Die Datenschützer der EU warnen ...!“

petra pau (pds), mitglied des bundestages

 

 

5.8.2004
www.petra-pau.de

 

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