Die EU-Bande

EuropaKolumne von Petra Pau, Mitglied des Bundestages
6. Mai 2004 auf www.sozialisten.de

Im April zog das EU-Parlament die Notbremse. Zwar nur mit knapper Mehrheit, aber immerhin. Die EU-Kommission war gerade dabei, den größten Daten-Handel in der Geschichte der Neuzeit zu legalisieren. Die USA fordern nämlich von allen Passagieren, die ihr Territorium an- oder überfliegen, mehr als 30 persönliche Daten, darunter Essgewohnheiten, Bankverbindungen, Religionszuspruch. Seit zwei Jahren laufen Verhandlungen zwischen den USA und der EU über einen entsprechenden Vertrag. Nun hat das EU-Parlament ein Stopp-Zeichen gesetzt. Aber die Gefahr ist nicht gebannt.

Auch innerhalb der EU werden Bürgerrechte zunehmend abgebaut. Geheimdienste werden vernetzt, Polizeibefugnisse ausgebaut, Grundrechte eingeschränkt - alles in Namen der Sicherheit und des Kampfes gegen den Terror. Dies ist an sich schon von Übel. Aber es ist noch schlimmer, weil das EU-Parlament weniger Kontrollrechte hat als nationale Parlamente. Und umgekehrt, weil die EU-Kommission ein größeres Eigenleben führt als die jeweiligen Regierungen in den Mitgliedsländern.

Die größer gewordene EU krankt noch immer an einem Demokratie-Defizit. Ein Geburtsfehler, der Gelüste weckt. Gerade die deutschen Regierungen spielen gern mal über die EU-Bande. Und das geht so: Unliebsame Vorhaben, für die sich im Bundestag kaum Mehrheiten finden, werden an die EU-Kommission delegiert. Sobald sie dort beschlossen sind, kommen sie als EU-Recht und damit für den Bundestag bindend zurück. Daher rührte auch der Eifer von Innenminister Schily, das europäische Asylrecht so repressiv wie möglich zu gestalten.

Überhaupt ist auffällig, wie wenig Licht ins EU-Geflecht dringt. Dabei soll gewählt und obendrein eine EU-Verfassung angenommen werden. Aber die Medien beschränken sich auf vage Verheißungen oder rare Skandale. Und die Bundesregierung unterlässt fast alles, was sich Aufklärung nennen könnte. Nur neulich verplapperte sich Außenminister Fischer. Ich lehnte im Bundestag die EU-Verfassung ab, weil sie die Militarisierung der EU vorschreibt. Joseph Fischer rief dazwischen: „Genau, so ist es.“

Das gehört zur Zwiespältigkeit der ausgehandelten Verfassung. Sie zielt auf eine Militär-Union mit entfesselter Marktwirtschaft. Zugleich stärkt sie aber die Rechte des Parlaments. Gäbe es eine Volksabstimmung über diese Verfassung, dann käme auch viel mehr Für und Wider zum Vorschein. Genau das aber fürchten Schröder, Fischer & Co. offenbar, die Strategen der CDU/CSU ohnehin. Ein Grund mehr, am 13. Juni Bürgerrechte, Demokratie und Frieden zu wählen.
 

 

 

14.5.2004
www.petra-pau.de

 

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