Zu Vorwürfen, Feindbildern und Ekelhaftem

Von Petra Pau
Aus „Disput“, PDS-Magazin, Juli 2002

Innerhalb der PDS grassiert ein schwerer Vorwurf. Gern wird er von „besonders“ Links erhoben. Er kommt als Sorge und als Schimpf daher: „Ihr geht den Weg der Grünen schneller, als diese selbst!“

Die Furcht ist so wenig selbstbewusst, wie ein Pranger sozialistisch ist. Überhaupt dürfte das nach innen projizierte Feindbild nicht allzu weit tragen. Schon gar nicht in der Gesellschaft, wo die wahren Probleme harren. Aber es wird gern verbreitet.

Zuletzt las ich es so:

Führende GenossInnen haben öffentlich ihre Bereitschaft zur Tolerierung einer weiteren Auflage der jetzigen rot-grünen Regierung erklärt. „Praktisch bedeutet das, dass jede Stimme für die PDS... eine Stimme für die Tolerierung der nächsten Kriege sein wird.“

Das Zitat entnahm ich dem offenen Brief eines „Sozialistischen Forums der PDS“. Darin wird „mit sozialistischem Gruß“ der unverzügliche Rücktritt des PDS-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, also von Roland Claus, gefordert.

Noch mehr erschütterte mich die mahnende Botschaft. Sie klang fast wörtlich, wie: „Wer Claus wählt, wählt Schröder und wer Schröder wählt, wählt Krieg!“ Eine unglaubliche historische Assoziation, die da suggeriert wird.

Auch vor diesem Hintergrund las ich die nebenstehende Zuschrift aus Bamberg an den Parteivorstand. Die PDS kopiere die Grünen der 80er Jahre, heißt es darin. Sie beschimpfe Andersdenkende als Kriegstreiber. Deshalb verlasse er die Partei wieder, enttäuscht. Ein weiterer Genosse begründet seinen Austritt mit innerparteilichen „Denkverboten“. Er schrieb - ein Zufall? - aus Münster.

Nun könnte ich schnell und aus vielen Erfahrungen schreiben: So ist sie nicht, d i e PDS. Und es ließen sich Tausend Beispiele dagegen setzen. Von Genossinnen und Genossen, die sich alltäglich engagieren, die um gesellschaftlichen Zuspruch werben, die sich mühen, Vorurteile gegenüber Linken und ihren sozialistischen Ideen abzubauen, die überzeugend und suchend für Alternativen zur vorherrschenden Politik streiten.

Aber ich erlebe auch die innerparteiliche Sittenpolizei. Ich lese ihre Urteile im Internet-Forum der PDS. Es kursierenden Aufrufe, die PDS zu „enthaupten“. Auch die Post aus den eigenen Reihen ist zuweilen schlicht eklig. Kostprobe gefällig? „Pau, hast Du ... schon am Schwanz von Bush geleckt?“ Der Absender schrieb, behauptet er, namens eines ganzen Kreisverbandes der PDS. (Da, wo der Disput-Redakteur im Zitat drei schamhafte Pünktchen gesetzt hat, stand im Original „Votze“.)

Vielleicht haben die scheidenden Genossen in Bamberg und Münster ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich weiß es nicht. Wohl aber: Wir können uns weder Sektierertum, noch Denkdirektiven leisten. Beides hat in einem historischen Großversuch namens „real-existierender Sozialismus“ schon einmal fatal versagt. Wir wollten daraus lernen.

In meinem Berliner Heimat-Bezirk tobt seit Wochen ein lokaler Klein-Krieg. Eine Wohnungs-Genossenschaft hatte um deutsch sprechende und zahlungsfähige Mieter geworben. Das ist schlimm, denn die Anzeige bedient rassistische und soziale Vorbehalte. Ich habe umgehend mit dem Vorstand der Genossenschaft gesprochen und wir waren uns einig: Das war falsch und das wird nicht mehr sein. So weit, so wieder gut.

Jüngst war Hoffest in der Genossenschaft. Mehrfach wurde ich von Bewohnerinnen und Bewohnern bedrängt: „Warum beschimpfen Sie uns, ihre Wähler, unentwegt als Rassisten?“ Das hatte ich gerade nicht getan. Aber ein eifriger PDS-Genosse müht sich weiterhin, alle Zeitungen, derer er habhaft werden kann, mit entsprechenden Zurechtweisungen zu überschütten. „Alles Kriegstreiber, alles Rassisten, außer mir?“ Welch arroganter Hochmut.

„Die Bauern lächelten sehr finster“, hieß es in dem berühmten Sketch, in dem die früh- sowjetische Erfolgs-Propaganda karikiert wurde. Manfred Krug sprach ihn dereinst im Programm „Lyrik, Jazz, Prosa“ zum Ost-Kult. Das Phänomen besonders linker Missionare lebt derweil fort, fürchte ich. Vor wenigen Wochen habe ich im Bundestag zum Thema „Antisemitismus“ gesprochen, im Internet nachlesbar. Ich sprach über Deutschland und fast ausschließlich über „Heute“. Ohne zu poltern, denn ich erinnerte mich einer alten Weisheit: „Man ändert einen Kleinbürger nicht, indem man ihn Kleinbürger schimpft!“ Danach bekam ich viel Post. Eine Frau aus Nürnberg fühlte sich in ihrer alltäglichen Angst verstanden. Und ein Rabbiner aus einer westlichen Kleinstadt schrieb: Nun sei er auch bereit, mit dem örtlichen PDS-Kandidaten zu sprechen.

Darüber habe ich mich sehr gefreut und mich zugleich gefragt: Welches Bild hat oder hatte er von der PDS? Und warum?

Die Berliner PDS müht sich seit Jahren um gute Kontakte zur Jüdischen Gemeinde. Dafür gibt es viele Gründe, historische und aktuelle, Fragen, die das Ost- und West- Verständnis in der Hauptstadt berühren, zunehmend auch die Sorge um den schier unendlichen Nah-Ost-Konflikt.

Dabei gibt es durchaus unterschiedliche Sichten, zuweilen auch Irritationen. Also reden wir, miteinander. So auch im Juni, als Stefan Liebich, Landesvorsitzender der Berliner PDS, und ich mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sprachen. Danach wurde ich um ein Interview gebeten.

Es wurde ein „Selbstläufer“, wie es salopp heißt, nicht nur in der Leserpost-Spalte des „Neuen Deutschland“. Ich hatte unter anderem gesagt, dass die Gründung Israels und die Geschichte des Holocaust in meiner DDR-Schulzeit nicht ausreichend behandelt wurden. O je! Hinzu kamen eine Überschrift und Formulierungen, die nicht meine waren. Egal, der Anlass für heftigste Empörung aus den ›eigenen‹ Reihen war gegeben, gefunden.

Mich bewegte dabei noch etwas ganz anderes. Warum wollte der junge, linke Journalist so hartnäckig und vor allem wissen, ob wir „den Israelis Bescheid gegeben“ hätten. Wieso hatte er kein Gefühl für das, was Jüdinnen und Juden in seiner Stadt und anderswo in Deutschland umtreibt? Auch das, liebe Bambacher und enttäuschte Münsteraner, klingt nur für einen Moment wie Klagen. Meine Hoffnung und mein Engagement gilt ungebrochen der PDS und dem, was ihr Name verheißt: Partei des Demokratischen Sozialismus. Versprochen?
 

 

 

24.7.2002
www.petra-pau.de

 

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