Rede auf der Friedensdemonstration in Berlin am 8. Oktober 2001

(1)

Jemand fragte mich heute, ob ich gestern auch im Fernsehen die Kriegsbilder vom Vergeltungsschlag der USA gesehen hätte, und das sei doch furchtbar.

Ich habe geantwortet, Ja, das ist furchtbar! Aber gesehen habe ich im Fernsehen nur einen grün-gefärbten Hintergrund mit hellen Punkten, und das sei im sog. Informationszeitalter etwas arg verdummend.

Und deshalb erinnere ich auch hier noch mal an die alte Weisheit:
Im Krieg sterben nicht nur Menschen, Unschuldige zumeist!

Im Krieg stirbt immer auch die Wahrheit und mit ihr die Demokratie, auch hierzulande, und dagegen müssen wir unsere Stimme erheben.

(2)

Heute bekam ich Nachricht, dass in Bremen sämtliche Demonstrationen untersagt würden, jedenfalls werde das ernsthaft erwogen. Natürlich unter Verweis auf die Sicherheitslage.

Ich will das Problem „öffentliche Sicherheit“ gar nicht klein reden. Viele Bürgerinnen und Bürger haben Angst vor dem, was noch kommen könnte, und das heißt auch, vor dem, was wir alle nicht wissen. Und diese Ängste nehme ich ernst.

Aber nicht hinnehmen dürfen wir, wenn namens einer vermeintlichen Sicherheit, Bürgerrechte und Demokratie abgebaut werden. Und diese Gefahr ist sehr ernst.

Man kann keine Bürger- und Freiheitsrechte schützen, indem man sie abbaut. Wer Bürger- und Freiheitsrechte schützen will, muss sie stärken und nicht anders herum.

(3)

In die selbe falscher Richtung geht es, wenn selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur noch Leute oder Parteien reden dürfen, die f ü r militärische Vergeltung sind.

Und in die selbe falsche Richtung geht auch, wenn SPD-General Müntefering festlegt, die PDS dürfe nicht mehr an den Informationsgesprächen des Bundes-Kanzlers teilnehmen.

Begründung: Die PDS habe mit ihrer Ablehnung des Bündnisfalls der Nato und mit ihrer Ablehnung militärischer Aktionen historisch versagt Wir seien daher weder politikfähig, noch vertrauenswürdig.

Nun habe ich von Politik-Fähigkeit und von Vertrauens-Würdigkeit eine ganz andere Meinung. Aber mir geht es hier gar nicht um die PDS. Mir geht es jetzt auch nicht um die Kanzler-Runde.

Ich will nur darauf aufmerksam machen, wie nassforsch hier Verfassungsrecht gebrochen wird. Es gibt keine Parlamentarier ersten, zweiten oder dritten Grades. Alle vertreten Teile des Volkes. Und wer Teile des Parlaments ausschließt, der schließt Teile der Bevölkerung aus, in diesem Fall sogar große, nämlich alle, die Nein zum Krieg sagen!

Und es gibt ein Recht auf Opposition. Ich sage angesichts der aktuellen Kriegs-Gefahr: Es gibt sogar eine Pflicht zur Opposition, und gerade deshalb haben wir uns hier zusammen gefunden.

(4)

Nein, auch das will ich mit aller Klarheit wiederholen:
Die Terroristen sind weder Repräsentanten noch die Stimme des in bitterer Armut lebenden Teils der Welt. Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt ihre Anschläge. Und ich bin dafür, die Mörder an Tausenden Menschen in New-York und Washington zu bestrafen.

Und gerade deshalb sage ich auch:
Ebenso ist der Militärschlag der USA gegen Afghanistan eine falsche Antwort auf den terroristischen Anschlag vom 11. September: aus verschiedenen Gründen und grundsätzlich!

Nicht zuletzt deshalb, weil der Terror keine Gewalt über uns gewinnen darf. Jetzt muss sich vielmehr erweisen, wie zivilisiert die zivilisierte Welt wirklich ist.

Übrigens auch in Berlin. Denn hier leben zehntausende muslimische Berlinerinnen und Berliner. Als Mitbürger, nicht als Feindbilder.

Und das sage ausdrücklich auch mit Blick auf die NPD, die gerade wieder durch Berlin stampft und heuchlerisch das Wort „Frieden“ vor sich her trägt.

(5)

Vielleicht sind wir uns einig:
Wenn der globalisierte Terror den globalisierten Krieg zur Folge hätte, dann hätte nicht die Zivilisation, dann hätte der Terror obsiegt.

Die Logik der Terroristen ist nun mal die Logik des Todes:
Und diese Logik kann und darf nicht die Logik einer freien, einer gerechten, unserer Welt sein.

Deshalb:
Der Kampf gegen den globalisierten Terrorismus ist gewinnbar, ein Krieg aber nie!

Vernunft! Das ist das Einzige, was zählt!

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8.10.2001
www.petrapau.de

 

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