Der Kandidatenstreit überdeckt die Probleme der Union

CDU und CSU behaupten: „Wir sind gut aufgestellt“ - Dabei sind die meisten einfach nur sitzen geblieben
Von Petra Pau

Wer soll Kanzlerkandidat der Union werden?, fragt die WELT. Heute antwortet die Berliner PDS-Landesvorsitzende Petra Pau. Die 37-Jährige gehört seit drei Jahren dem Bundestag an, wo sie den Wahlkreis Berlin-Mitte/Prenzlauer Berg vertritt. Pau analysiert die Situation der Unionsparteien, verzichtet jedoch auf ein Plädoyer für Merkel oder Stoiber.

Wer den Bundestagsbetrieb ein wenig von innen kennt und dort nach der CDU/CSU sucht, wird kaum fündig werden. Denn intern gibt es mehr ambitionierte C-Grüppchen, als der CDU/CSU-Führung lieb sein wird. Da hocken Kohl-Getreue und sind Frau Merkel gram. Daneben übt ein Merz-Flügel unter CSU-Druck. Ostkollegen würden gern ein paar Bänke nach vorn rücken, treffen dort aber auf Platzhalter, die ihre dritte Chance wittern. Alle behaupten im prima Politdeutsch: „Wir sind gut aufgestellt“. Dabei sind die meisten einfach nur sitzen geblieben.

Der Streit, wer künftig Kanzlerkandidat oder -kandidatin der C-Parteien sein könnte, ist Schlagzeilenmüll. Er überdeckt das Wesentliche. Nämlich, dass beide C-Parteien 1998 gemeinsam eine für sie historische Niederlage erlitten, von der sie sich bislang nicht erholt haben. Ich bezweifele, dass die hauseigenen Parteistrategen überhaupt schon zu der Frage vorgedrungen sind, warum es so kommen musste, wie es kam? Und ich bestreite, dass sie das 21. Jahrhundert mit seinen globalen Großproblemen wirklich im Blick haben. Ob Steuer- oder Innenpolitik, ob Arbeitsmarkt- oder Sozialpolitik, ob Umwelt- oder Friedenspolitik, die aktuellen Forderungen von CDU und CSU sind die altbekannten Hüte - weder modern noch hilfreich. Selbst der Wahlslogan des jetzigen Kanzlers, er werde nicht alles anders, wohl aber vieles besser machen, selbst der ist nicht CDU/CSU-tauglich. Eben weil Schröder sich an dieses Versprechen hält. Das spricht nicht unbedingt für Rot-Grün, es ist aber Teil des Merkel-Stoiber-Problems. Hinzu kommt die Vergesslichkeit, die CDU-intern größer ist als im wahren Leben.

Nehmen wir nur die aktuelle Debatte um die anhaltende Massenarbeitslosigkeit und erinnern wir uns. Kanzler Kohl verhieß, sie zu halbieren. Stattdessen erreichte sie Rekordniveau, jenseits von offiziell eingeräumten vier Millionen. Nun, da CDU/CSU im Bundestag Opposition spielen, nehmen sie natürlich das Schröder-Kabinett in Haft. 3,6 Millionen statistisch ausgewiesene Arbeitslose seien ein Beleg für dessen Unfähigkeit, tönt es. Stimmt. Doch Poltern ist keine Politik und schon gar keine Alternative. Fast wage ich die These: Der Run auf die vermeintliche Mitte macht ideenlos.

Als Berlinerin füge ich gern ein aktuelles Beispiel an, das die Misere der CDU erhellt. In der Hauptstadt gibt es vorgezogene Wahlen. Eine große Schuldenkoalition wurde abgelöst. Zurzeit regiert ein Übergangssenat, ohne CDU. Prompt bliesen CDU/CSU-Kämpen zur „Schlacht um Berlin“. Dabei haben wir - gottlob - keinen Kalten Krieg mehr. Und weder die Hauptstadt noch die Bundesrepublik sind Parteieigentum. Auch deshalb: Merkel oder Stoiber? - das ist wahrlich eine belanglose Randfrage.

Artikel zur Situation in CDU/CSU in der „Welt“ vom 03.08.01.

 

 

3.8.2001
www.petrapau.de

 

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