Jetzt geht's erst richtig Ios!

Landesvorsitzende Petra Pau auf der PDS-Basiskonferenz Berlin am 27.10.1995

in: Pressedienst Nr. 44, Jahrgang 1995

„Herzlichen Glückwunsch! Das Berliner Ergebnis macht (neuen) Mut und vermittelt (neue) Kraft bis ins Rheinland ... Rathausfraktion der Demokratischen Linke Wülfrat“.
Helmut Holter, PDS-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, faxte: „Wir freuen uns über Euren Wahlsieg. Der Ministerpräsident von M-V irrt, wenn er meint, die PDS habe ihren Zenit überschritten. Jetzt geht's erst richtig Ios.“ „Nichts ist mit Auslaufmodell!“, heißt es im Glückwunschschreiben aus Thüringen: „Es gibt wohl Mehrheiten gegen konservative Politik! ... Berlin, das kann ohne Übertreibung gesagt werden, hat unsere Kräfte beflügelt, die Rücken wieder deutlich gestreckt, die Herzen höher schlagen lassen. Und Ihr habt wieder für uns alle eine riesige Verpflichtung eingefahren ...Viel Erfolg, Glück und Stehvermögen bei der Bewältigung der riesigen Arbeitsberge nach der Wahl, wünscht die PDS-Fraktion im Thüringer Landtag.“ „Ansporn für die weitere eigene Arbeit“ empfinden die Bremer Genossinnen und Genossen. Über einen „Berliner Paukenschlag“ freuen sich Genossen im Kreisvorstand Wartburgkreis. Und von „Jubel in Wien“ ist in einem Fax des Kommunistischen Studentinnenverbandes aus der Österreichischen Hauptstadt die Rede.

Liebe Genossinnen und Genossen, das war Euer „Paukenschlag“, das ist Euer „Mutmacher für Linke“ allerorten und das ist unser aller Wahlsieg! Herzlichen Dank an alle, die daran mitgearbeitet haben, egal, ob in der Basisorganisation oder im Wahlbüro, ob als Stadträte oder als Abgeordnete, ob als Plakatekleber oder als Programmgrübler, ob als Lichtenberger oder in Tiergarten, sagt bitte allen ganz herzlichen Dank! Nicht den Namenlosen, wie es in einer unserer Anzeigen diese Woche heißt, denn alle unsere Wahlhelfer und -helferinnen haben ein Gesicht und einen Namen. Das macht ja gerade eine unserer Stärken aus.

Die Wahlergebnisse sind bekannt. Ich erspare Euch die hinlänglich veröffentlichten Zahlenkolonnen. Wir haben bei verkleinertem Abgeordnetenhaus mit 34 Mandaten mehr errungen als 1990. 27 Stadträte und Stadträtinnen werden mit PDS-Mandat in die Bezirksämter einziehen. In fünf Bezirken werden wir sogar drei von insgesamt jeweils fünf Stadtratsposten erhalten, also im Bezirksamt eine Mehrheit stellen.
Die Wählerinnen und Wähler haben den Parteien der Großen Koalition eine Abfuhr erteilt und die oppositionelle Linke deutlich gestärkt. Das ist das politische Signal aus der deutschen Hauptstadt, weit über Berlin hinaus, an dem keine Partei vorbeikommt.

Die Berliner Wahlen haben bestätigt, was wir seit langem sagen: Die herrschende Politik der Großen Koalition ist nicht alternativlos.
Die SPD steckt in einem hausgemachten Dilemma, Bündnis 90/Die Grünen können sich nicht länger um die Frage herummogeln, „wie hältst Du's mit der PDS?“ Die CDU hat zwar im Osten zugelegt, insgesamt aber verloren, obwohl sie Stimmen der FDP und der Republikaner eingeheimst hat.
Das parlamentarische Kräfteverhältnis auf Landesebene zeigt, dass 88 CDU-Abgeordneten 119 Stimmen von SPD, PDS und Bündnis-Grünen entgegenstehen könnten. Die ist eine große Chance, die nicht kleinspekuliert werden darf.

Zum Wahlkampf

Zum Blick nach vorn gehört ein kritischer Rückblick. Wir haben den ersten Landeswahlkampf hinter uns, der ausschließlich in Berliner Verantwortung geführt wurde. Die PDS ist „für eine andere Politik, für ein anderes Berlin“ angetreten und wird dies als sozialistische Opposition auch konsequent vertreten. Die PDS hat sich als Partei für den Alltag bewiesen, was insbesondere die Wählerinnen und Wähler im Ostteil der Stadt honoriert haben. Davon, dass die PDS ein Sammelbecken unverbesserlicher Nostalgiker oder ein verantwortungsloser Club nörgelnder Protestanten ist, träumen nach dieser Wahl bestenfalls noch kalte Krieger á la Landowsky & Kohl.

Die PDS hat auf allen Ebenen des Wahlkampfes politische Kompetenz und personelle Alternativen verkörpert. Das gehört zu den Habenseiten unseres Wahlkampfes. Aber wir haben im doppelten Sinne auch Lehrgeld zahlen müssen. So waren beispielsweise auf halbem Wege durch den Landesvorstand politische Entscheidungen zu treffen, die sich unter dem Strich politisch positiv, finanziell aber deutlich negativ auswirkten. Der Landesvorstand musste seiner politischen Verantwortung gerecht werden und hat gerade deshalb das Risiko in Kauf nehmen müssen, die geplanten Kosten zu überschreiten. Ich betone das, weil sich der Landesvorstand darüber klar war, dass Politik und Finanzen zwei Seiten ein und derselben Medaille sind, also nicht voneinander getrennt werden können. So wurde noch unmittelbar vor der Sommerpause ein Wechsel von dem bis dato verpflichteten Werbeteam zu einer Werbeagentur vorgenommen. Deren Leistungen waren unbestritten erfolgreich, auch komplexer. Aber die Agentur Trialon war eben insgesamt auch teurer. Der Landesvorstand hat sich in Beratung mit dem Landeswahlbüro dafür entschieden, entgegen der ursprünglichen Absicht doch mit einem neuen Kino - Spot aufzuwarten. Auch das kostete zusätzlich Geld. Nachdem sich Chancen auf Erfolg anbahnten, hat sich der Landesvorstand weiterhin dazu durchgerungen, einen verstärkten Kampf um Direktmandate in den Ostbezirken zu führen. Dass wir 34 von 36 Direktwahlkreisen gewonnen haben, spricht für diese Entscheidungen. Aber das hieß auch, zusätzliche, auf die Kandidatinnen und Kandidaten zugeschnittene Wahlkampfmaterialien anzufertigen. Ein weiterer Kostenfaktor, der so nicht geplant war. Hinzu kamen Veranstaltungen, die wir alle aus politischen Erwägungen gewollt haben, ich erinnere nur an die zusätzliche Mieten - Demo, an das multikulturelle Fest in Kreuzberg, aber auch an unsere Veranstaltung in der Berliner Kongresshalle zum Tag der Befreiung. Auch diese Aufwendungen waren ursprünglich nicht vorgesehen. Insgesamt wurde der auf Landesebene geplante Wahlkampffonds erheblich überschritten. Waren ursprünglich rund 1 Million Mark vorgesehen, so werden sich die Gesamtkosten nunmehr auf ca. 1,65 Millionen Mark belaufen. Die politische Verantwortung hierfür, wie für die Führung des gesamten Wahlkampfes, trägt der Landesvorstand. Die verursachte Differenz im Landeshaushalt ist nicht ohne Hilfe des Bundesvorstandes und der Berliner Bezirke zu begleichen. Die Vorsitzenden der ostdeutschen Landesverbände haben bereits vor der Wahl ihre Unterstützung zugesagt. Gespräche zwischen dem Landesvorstand und den Bezirksvorständen laufen seit einigen Wochen. Eine endgültige Lösung steht noch aus.

Natürlich hat unser hervorragendes Wahlergebnis auch einen positiven finanziellen Aspekt. So werden wir jährlich rund 245.000 Mark an Wahlkampfkosten -Rückerstattung erhalten.

Zu dem doppelten Lehrgeld, von dem ich sprach, gehört aber auch das: Alle Ursprungsplanungen gingen von der gut gemeinten, aber irrigen Auffassung aus, man könne Kosten klein halten, indem möglichst viel durch Eigenleistung erbracht wird. Eine Fehlplanung, wie wir spätestens seit dem Sommer wissen. Wir mussten aus Schaden klüger werden. Die politischen Entscheidungen müssen gefällt werden, wo sie hingehören. Die Werbearbeit aber, das Basteln an einem positiven Erscheinungsbild vom Slogan bis zum Großaufsteller, muss jenen überlassen bleiben, die von ihrem Handwerk etwas verstehen. Ich kann heute nur an alle appellieren, dass wir einen gemeinsamen Weg finden, wie wir das Finanzloch stopfen und den Landesvorstand handlungsfähig halten können. Dies um so mehr, da wir uns überhaupt kein Luftholen gönnen können.

Die Wahlen haben die Berliner Verhältnisse zum Tanzen gebracht.

Nun steht die Frage, wer den Ton vorgibt. Die PDS ist deutlich gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen, und wir haben weder einen Grund noch ein Mandat dazu, uns kleinlaut in eine Beobachterrolle zu flüchten. Ich will es noch deutlicher sagen: Es ist nicht die erste Wahl, bei der wir jubeln konnten. Leider war es uns bisher kaum gelungen, den Aufwind möglichst ungebrochen in politischen Druck umzusetzen. Dies muss uns diesmal gelingen. Deshalb heißt es jetzt, das Heft des Handels in die Hand zu nehmen.

Worauf wir antworten müssen, sind derzeit zwei Fragen:

1. Wie gehen wir mit der entstandenen Konstellation um? Ich könnte auch formulieren: Lässt sich der SPD ein Rückzug in eine erneute Große Koalition erschweren oder gar verbauen?

2. Was sind die drängendsten inhaltlichen Forderungen, die wir durch zügige Aktionen politisch befördern sollten?

Die PDS hat in allen Stadtbezirken, wo sie zur stärksten Fraktion gewählt wurde, ihren Anspruch erhärtet, Bezirksbürgermeister bzw. Bezirksbürgermeisterinnen zu stellen. Ob dies gelingt, ist weniger eine rechnerische, denn eine politische Frage. Ihr wisst, dass die anderen Parteien Zählgemeinschaften bilden und damit die PDS -Verordneten überstimmen können. Praktisch heißt das aber zumeist, dass Bündnis 90/Die Grünen vor der Frage stehen, ob sie gemeinsam mit der CDU gegen die PDS votieren oder sich mit der PDS gegen die CDU stemmen. In einigen Stadtbezirken, beispielsweise in Hellersdorf, gibt es bereits erste Signale. Demnach werden Bezirksbürgermeister der PDS nicht ausgeschlossen. In anderen Bezirken laufen erste Sondierungsgespräche zwischen PDS und SPD, zur Zeit gerade in Lichtenberg. Die konkrete Situation ist in jedem Stadtbezirk naturgemäß eine andere, was häufig auch von den Personen abhängt, die ihre jeweilige Partei vertreten. Deshalb hat der Landesvorstand auch die Bezirksvorstände gebeten, einen guten Informationsfluss untereinander und zur Basis zu sichern, so dass wir gemeinsam klug reagieren können.

Politisch geht es jedoch noch um weitaus mehr. Ihr kennt das Bestreben, die Bezirke immer weiter zu entmündigen, die Stadtentwicklung zentralistisch zu beherrschen und Bonner Ansprüchen Vorrang vor den Interessen der Berlinerinnen und Berliner einzuräumen. In unserem Slogan, „Für ein Berlin der Menschen - nicht der Macht“ bringen wir unsere Alternative zur Senatspolitik seit Jahren auf den Punkt.

Im Osten haben sich mehr als zwei Drittel gegen die konservative CDU entschieden. Die Große Koalition wurde zwischen Treptow und Hohenschönhausen schlicht abgestraft. Aber auch in westlichen Innenstadtbezirken wie Kreuzberg oder Tiergarten wurde eine Mehrheit, diesseits der CDU gewählt. Damit eröffnet sich die Chance, dass PDS, Bündnis 90/Die Grünen und linke Sozialdemokraten in den Bezirksämtern gemeinsam eine Gegenmacht zur CDU - dominierten Senatspolitik aufbauen. Eine Chance, nicht mehr, doch wer hätte dies wirklich vor den Wahlen vermutet?

Allerdings sind mit der qualitativ neuen Situation, die mit den Wahlen am 22. Oktober eingetreten ist, auch qualitativ neue Herausforderungen für die PDS verbunden. Darüber müssen wir reden, wie es heute Nachmittag Stadträte der PDS taten. Und wir müssen politisch auf die neue Situation reagieren. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: Wir sind als stärkste Oppositionsfraktion ins Abgeordnetenhaus eingezogen. In Mitte, wo wir die absolute Mehrheit knapp verfehlt haben, werden drei PDS - Stadträte das Bezirksamt zahlenmäßig dominieren. Ähnlich sieht es in Hellersdorf, Marzahn, Hohenschönhausen und Lichtenberg aus. Das heißt, der Widerspruch zwischen Opposition einerseits und beamteter Verantwortung andererseits wird spannender denn je. Deshalb halte ich es für drängend, dass die Verständigung zwischen den Bezirken, den Stadträtinnen und der Abgeordnetenhausfraktion auf ein bisher nicht erreichtes Niveau gehoben wird. Übrigens nicht nur zu aktuellen Sachfragen, sondern auch, um politisch - strategische Entscheidungen fällen zu können. Ich erinnere nur an den ganzen Komplex "Verwaltungsreform", der ja auf eine politische Reform hinausläuft, weshalb die PDS endlich ein klareres Wort mitreden muss.

Zum Wahlergebnis und der Frage, wie wir damit umgehen, gehört auch unser Abschneiden in den westlichen Stadtbezirken. Wir haben zugelegt, wie selbst der Landeswahlleiter - ein unverdächtiger Zeitzeuge - einräumen musste. Aber wir wollten mehr, zumindest in Kreuzberg in die BVV einziehen, was dann doch knapp verfehlt wurde. Ich möchte ausdrücklich allen, die in den westlichen Bezirken einen engagierten Wahlkampf für die Berliner PDS geführt haben, ganz ausdrücklich danken. Dort, wo die Bezirks- und Basisorganisationen der PDS als solche erlebbar werden, wo sich die Genossinnen und Genossen in die Alltagsprobleme einmischen, wo sie in Kiez-, Emigrantinnen- oder Antifaprojekten dabei sind, steigt die Akzeptanz der PDS als einer wählbaren Alternative. Deshalb wäre es völlig falsch, sich von dem eingeschlagenen Weg abbringen zu lassen oder gar umzukehren.

Allerdings setzt unser überragendes Wahlergebnis in den Ostbezirken auch ein Fragezeichen, das etwas mit dem Westaufbau der PDS zu tun hat. Denn durch die 34 Direktmandate, die wir erringen konnten, verpassten selbst aussichtsreich platzierte West - Linke wie Uwe Doering oder Bärbel Holzheuer - Rothensteiner den unmittelbaren Einzug ins Abgeordnetenhaus. Wir brauchen sie dennoch, wie wir alle bitten, die mit uns in den Wahlkampf gezogen sind, sich auch im Alltag mit uns weiter zu engagieren.

Unsere Fraktion im Abgeordnetenhaus aber besteht zu 90 Prozent aus „Ostgewächsen“. Nur drei Abgeordnete kommen aus dem Westteil, und einer, nämlich Freke Over, fühlt sich, wie er beteuert, als Wossi.

Gesamtstädtisches Profil auszuprägen und auch so zu zeigen, dass die Wählerinnen und Wähler in Schöneberg und Rudow wissen, „na klar, PDS!“, bleibt eine der wichtigsten Aufgaben, auch mit Blick voraus auf die Bundestagswahlen. Der Westaufbau der PDS bleibt für uns alle eine Überlebensfrage.

Eine tiefere Wertung des Wahlkampfes und seiner Ergebnisse steht natürlich noch aus. Bis zum Landesparteitag am 9. und 10. Dezember wird der Landesvorstand seine Analyse vorlegen. Ich möchte daher nur auf einige Fragen aufmerksam machen, die zugleich unterstreichen, dass die Berliner Wahl alles andere als eine nur städtische Angelegenheit war.

Erstmals konnten PDS und Bündnisgrüne zusammen mehr Stimmen auf sich vereinen als eine weiter geschwächte SPD. Die Talfahrt der F.D.P ins politische Aus wurde beschleunigt. Damit könnte sich langfristig eine völlig neue Parteienlandschaft herausbilden. Was aber heißt das für die Bundesrepublik Deutschland und was heißt das für die PDS? Oder nehmen wir das Wählerspektrum, dem die PDS ihren Erfolg verdankt. Es ist so breit gefächert wie bei den sogenannten Volksparteien, obendrein erfreulich jung und intelligent wie immer. Was heißt das nun aber für die weitere Strategie der PDS, nicht nur in Berlin? Wir haben allen Anlass, uns weiterhin mit dieser Wahl auseinander zusetzen.

Hohe Zeit, auch jenen Abgeordneten zu danken, die bislang im Abgeordnetenhaus oder auf Bezirksebene für die PDS agierten und nun nicht mehr dabei sind. Wer die letzten fünf Jahre noch mal Revue passieren lässt und vergleicht, was die PDS 1990 war und was die Berliner PDS heute ist, wird ermessen können, welchen Weg wir zurückgelegt haben. Daran hatte unsere Fraktion ein gerüttelt Maß Anteil, bei allen Problemen, die es auch gab. Mehr noch, ohne die Arbeit der Fraktion, auch auf programmatischem Gebiet, wäre dieser Wahlerfolg nicht zu haben gewesen. Nun heißt es anknüpfen und zulegen.

Sieben Sofort - Forderungen

Die neue Fraktion hat ihre erste Zusammenkunft hinter sich und wird sich sehr bald konstituieren. Das ist wichtig, denn wer zuerst aus den Startlöchern kommt, kann politisch die Initiative übernehmen. Der Landesvorstand hat sich am Mittwoch mit dem Wahlausgang beschäftigt und eine Erklärung verabschiedet. Darin fordern wir als Sofortmaßnahmen unter anderem:

• Berlin soll schnellstmöglich eine Bundesratsinitiative gegen die Willkür im Mietensystem starten. Ihr kennt den Streit, ob eine 15-prozentige Mieterhöhung berechtigt ist, sobald Bad und Zentralheizung vorhanden sind oder bereits dann, wenn nur eines von beiden gegeben ist. Jüngste Gerichtsentscheidungen sprechen zuungunsten der Mieter, sprechen aber auch politischen Zusagen von SPD -Bausenator Nagel hohn.

• Wir fordern einen Sozialpass, der allen Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern, Studenten, Schülerinnen und Schülern sowie weiteren einkommensschwachen Berlinerinnen und Berlinern die kostenfreie Benutzung von Museen, öffentlichen Freizeiteinrichtungen ermöglicht und mit der Überbürokratie hierzulande aufräumt.

• Die PDS wendet sich gegen weitere Erhöhungen der BVG-Tarife und fordert, der Straßenbahn in ganz Berlin endlich Vorfahrt einzuräumen. Die BVG braucht ein modernes Konzept, das von den Erfordernissen der Stadt ausgeht und gerade deshalb Entlassungen ausschließt.

• Die PDS fordert, nach wie vor der Wahl, die Schließung des Landesschulamtes und die Rückübertragung von Kompetenzen an die Bezirke und Schulen.

• Die PDS fordert Sofortmaßnahmen zur Sanierung und Wiederinbetriebnahme des Palastes der Republik.

• Die PDS fordert, die fiktiven Altschulden, die den Kommunen aber auch Wohnungsgesellschaften aufgebürdet wurden, sofort zu streichen.

• Die PDS fordert, auf den Bau der Milliarden - verschlingenden Tiergartentunnel zu verzichten. Dies wäre zudem ein Signal für eine Stadtgestaltung, die nicht vom Metropolenwahn beherrscht wird.

Sieben Sofort - Forderungen, von denen sich nicht wenige in den Programmen von Bündnis 90/Die Grünen wiederfinden oder durch Parteitagsbeschlüsse der Berliner SPD gedeckt scheinen. Die nächsten Tage werden zeigen, wie ernst es beiden Parteien mit dem propagierten Wechsel und der angekündigten besseren Politik wirklich ist.

Apropos bessere Politik: In einer der vielen Umfragen vor der Wahl sollten Ostdeutsche angeben, was sie im Jahre fünf nach der Einheit für besser halten als zu DDR-Zeiten und was für schlechter. Eine Antwort war besonders bemerkenswert: Die Politik, der sich die Befragten heute ausgesetzt fühlen, wurde mit „genauso schlecht“ benotet wie die damals. Was dies über den Erneuerungsprozess der PDS aussagt, wenn zugleich immer mehr, vor allem auch junge Wählerinnen und Wähler Hoffnung in die PDS setzen, will ich hier nur angedeutet haben. Statt dessen möchte ich schlicht anmerken, dass dank des herausragenden Wahlergebnisses der PDS in den Ostbezirken insgesamt 44 Abgeordnete der CDU, SPD und von Bündnis 90/Die Grünen ins Abgeordnetenhaus ziehen werden, die es ohne Ausgleichsmandate nicht geschafft hätten. Um in der Sprache der CDU zu reden: Sie sind mit PDS - Ticket gereist. Wer das kann, sollte die PDS endlich auch in Sachfrage ernst nehmen.

Gregor Gysi und weitere Genossen haben in den letzten Tagen die SPD aufgefordert, Eberhard Diepgen das Amt des Regierenden Bürgermeisters nicht kampflos zu überlassen und mit einer eigenen Kandidatin aufzuwarten. Sollte die SPD sich dazu nicht in der Lage fühlen, heißt es in einer Erklärung des PDS -Landesvorstandes, so sollten Bündnis 90/Die Grünen mit uns gemeinsam über eine Gegenkandidatur nachdenken. Ohne viel Mühe fielen mir mehrere Köpfe ein, die weniger durch Indianerschmuck, denn durch Geist auffallen - zum Beispiel Günter Gaus. Unterdessen hat auch der Landesausschuss von Bündnis 90/Die Grünen angekündigt, „möglicherweise einen Gegenkandidaten ins Rennen zu schicken, wenn Diepgen sich als Chef einer großen Koalition erneut um das Regierende Amt bewerben sollte“ (dpa, 26. 10.) Das gleiche Recht werden wir uns vorbehalten, denn eines geht schon aus Fairnessgründen und aus demokratischem Anstand nicht: Nämlich, dass eine Koalition, die abgewählt wurde, erneut Führungsansprüche geltend macht. Und wenn nun ausgerechnet die CDU über Neuwahlen spekuliert, um die SPD unter Druck zu setzen, dann kann ich nur sagen: Das ist Wählerschelte nach dem Motto - Du dummes Volk hast nicht gewählt, wie es uns passt, also, hopp - hopp, noch mal von vorne! Nicht das Wahlergebnis ist das Problem, sondern jene Parteien, die damit nicht umgehen können oder wollen. Aber auch das zeigt, die Verhältnisse nach der Wahl sind nicht mehr jene von vor der Wahl.

Zur Zeit ist nach Auffassung des Landesvorstandes noch keine Situation eingetreten, wo ein außerordentlicher Landes - Parteitag einberufen werden müsste. Ihr erinnert Euch, wir hatten dies für den Fall verabredet, dass die Tolerierungsfrage für uns nach der Wahl akut werden sollte. Ich möchte dennoch nicht ausschließen, dass Mitte November eine solche Situation eintreten könnte. Also, lasst, uns den Wahlerfolg feiern, vor allem aber beraten, was wir gemeinsam politisch daraus machen können. Wie hieß es doch im Glückwunschschreiben aus Mecklenburg? „Jetzt geht's erst richtig los!“ „Viel Erfolg, Glück und Stehvermögen bei der Bewältigung der riesigen Arbeitsberge nach der Wahl“ hat uns die PDS - Fraktion im Thüringer Landtag, gewünscht. Danke, wir können es gebrauchen.
 

 

 

1995
www.petra-pau.de

 

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