Es gibt nur eine Alternative: PDS

Wahlkampferöffnung zu den Berliner Abgeordnenhauswahlen 1995

Rede von Petra Pau zur Wahlkampferöffnung der Berliner PDS am 25. August 1995 im „Come in“, Berlin Adlershof

Liebe Genossinnen und Genossen!
Liebe Freundinnen und Freunde!
Werte Gäste!

„Wann fangen wir denn mit dem Wahlkampf an“, fragte mich dieser Tage ein Genosse.
„Unser Wahlkampf hat längst begonnen“, habe ich ihm geantwortet. Mit einer Mieterkundgebung Ende Mai haben wir unsere Ablehnung gegen die Einführung des unsozialen Vergleichsmietensystems demonstriert.

Während der sogenannten Sommerpause haben zahlreiche Genossinnen und Genossen in den Bezirken mit Sach- und Fachverstand Mieterberatungen durchgeführt.

Wir haben am 8. Mai mit Kranzniederlegungen an sowjetischen Ehrenmalen und einer Großveranstaltung der Befreiung vom Faschismus vor 50 Jahren gedacht und uns so dem allgemeinen Geschichtsrevisionismus widersetzt.
Wir haben ein Fahrradcorso „für Clara und die anderen“, durchgeführt, der mit einer Kundgebung gegen die Tilgung weiterer Straßennamen auf dem Alex endete.
Die PDS hat vor dem verhüllten Reichstagsgebäude und im Bundestag gegen deutsche Militäreinsätze protestiert, egal mit welcher Helmfarbe diese auch gerechtfertigt werden sollen.
Wir haben mit einer Menschenkette der Opfer von Hiroshima gedacht und bekräftigt, daß die PDS jegliche Atomwaffentest verurteilt. Wir waren bei den hungerstreikenden Kurdinnen und Kurden, als diese die Solidarität der Berlinerinnen und Berliner dringend brauchten.

Und wir haben gestern Mittag den Rechststaat symbolisch vom Kopf auf die Füße gestellt, indem wir mit Horch- & Guckgeräten aller Art den obersten Verfassungsschützer in seinem Roten Rathaus ins Visier nahmen, so, wie Eberdard Diepgen seine Schlapphüte weiterhin gegen die PDS einsetzt.

Eine unvollständige Aufzählung, gewiss, bedenkt man die zahlreichen Aktivitäten, die dank der Initiative der Bezirksorganisationen noch zu nennen seien.
Nun aber gilt es, und das meinte der eingangs zitierte Genosse wohl auch, zuzulegen.
Lasst uns auch jene Mitglieder in den Wahlkampf einbeziehen, die bislang das Geschehen eher abwartend beobachtet haben. Denn wir haben keine Stunde und keine Stimme zu verschenken.

Wir haben in einem langen und durchaus schwierigen Prozeß alle Voraussetzungen geschaffen, um ab heute den „heißen Wahlkampf“ einläuten zu können.

Wir haben noch 57 Tage und Nächte, um weitere Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen:
Weil Berlin eine andere Politik braucht, werden im Abgeordnetenhaus und in den Bezirken starke PDS-Fraktionen gebraucht.

Wir treten mit einem Programm an, dass eine klare Absage an den Metropolenwahn der großen Koalition beinhaltet und einen deutlichen sozialen Stempel trägt.
Insgesamt 489 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich auf offenen PDS-Listen um Abgeordnetenhaus- oder BVV-Mandate. Und zwar nicht nur in der Halbstadt, wie die SPD die Ostbezirke gern bezeichnet, sondern in ganz Berlin.
Unsere Angebote sind Alternativen mit Kompetenz und Visionen, die ihr Markenzeichen "links!" nicht schamhaft verstecken, sondern im Alltag ausleben.

Wie Genossin Dagmar Pohle, deren soziales Engagement im Abgeordnetenhaus ebenso bekannt ist, wie ihre Zuverlässigkeit weit über Marzahn hinaus anerkannt wird.
Oder Bernd Holtfreter, der in Prenzlauer Berg gegen Marianne Birthler von Bündnis 90/Die Grünen und Irana Rusta von der SPD antreten wird und für einen Politikstil bekannt ist, durch den Betroffene ermutigt werden, ihre Geschicke in die eigenen Hände zu nehmen und sich nicht gedemütigt ins scheinbar Unvermeidliche zu fügen.

Dort, wie auch in Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg oder Tiergarten zeigt sich heute schon unübersehbar, was der CDU-Spitzenkandidat, Eberhard Diepgen, meint, wenn er von einer - Zitat - „Stadt der Unternehmer“ spricht, für die er erneut ins Regierende Amt wolle: leerstehende aber hochsubventionierte Büroklötze, die für angestammte Berlinerinnen und Berliner keinen Platz lassen. Auch deshalb nicht, weil diese für die erwartete Geschäftigkeit in gläsernen Konsumpalästen nicht das nötige Kleingeld parat haben.

Ich möchte Euch in diesem Zusammenhang eine Episode in Erinnerung rufen, die sich im Berliner Stadtforum abspielte, das CDU-Senator Hassemer so gern als demokratisches Forum darstellt. Zur Diskussion stand die Zukunft der Friedrichstraße, über deren Architektur sich fürwahr trefflich streiten ließe.
Weniger um ihren Wert. Denn der Preis je Quadratmeter einst volkseigenen Bodens ist inzwischen weltstädtisch horrend.
Was einen Vertreter der Forschungsstelle für Einzelhandel zu ganz nüchternen Berechnungen führte. Sollten sich Investitionen in der Friedrichstraße „rechnen“, so müsse ein Jahresumsatz von mindestens eine Milliarde Mark garantiert werden. Das wiederum setzte genügend zahlungsfähige Kundschaft voraus. Schlußfolgerung des Geschäftsmannes: Rund um die Friedrichstraße müßten mit kapitaler Logik besserdotierte Anwohner angesiedelt werden, als derzeit dort wohnen.
Ich freue mich daher, dass sich Kandidatinnen und Kadidaten aus mehreren Bezirken zusammengesetzt haben, um in einer Innenstadtcharta der PDS Vorstellungen und Forderungen zu bündeln, wie wir uns den Umgang mit der Stadt vorstellen.

Fast zeitgleich zogen Anfang August Berlins SPD-Wirtschaftssenator Meisner und das Landesarbeitsamt Bilanz. Berlin sei jetzt endgültig aus der Talsohle heraus, hieß es bei Norbert Meisner.
„Keine Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt“, titelte das Handelsblatt, was sich in der aktuellen Arbeitslosenstatistik so liest:
Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Juli auf 13,7 Prozent, lag damit deutlich über dem Vorjahreswert und schlägt im Westteil der Stadt nach wie vor höher zu Buche, als in den Ostbezirken.
Überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen sind Jugendliche unter 25 Jahren, was das erneute Lehrstellen-Dilemma nur noch erhärtet. Zu den 215.400 Arbeitslosen, die statistisch erfaßt wurden, kommen nochmals rund 75.000 Berlinerinnen und Berliner hinzu, die in den Rubriken Weiterbildung, Arbeitsbeschaffungs- oder -fördermaßnahmen, Vorruhestand oder Altersübergangsgeld geführt werden.
Was liegt angesichts dessen näher, möchte man fast zynisch fragen, als über verlängerte Ladenöffnungszeiten zu schwätzen oder potente Panda-Bären aus dem fernen China an die Spree zu holen, um eine weitere „Leistung“ des Regierenden Bürgermeisters nicht zu verschweigen?
Ihr sei es zu verdanken, lobt sich die SPD, dass die Arbeitslosigkeit nicht noch schmerzlicher grassiert, während die CDU längst die nächsten Schnitte am sozialen Netz vorbereitet. Damit die Relationen und die gesellschaftlichen Wurzeln der Massenarbeitslosigkeit nicht völlig im Politiknebel verschwinden, möchte ich an eine weitere Zahl erinnern. Auch 1989, also vor dem Fall der Mauer, vor der Stadtvereinigung, vor dem Abbau der Berlinförderung und bevor die untergegangene DDR als Ersatzamme aller Übel ausgemacht wurde, betrug die Arbeitslosenquote in Berlin-West bereits 10,3 Prozent.

Wie schon 1990 hat die PDS auch diesmal ein Programm erarbeitet, durch das 200.000 neue Arbeitsplätze in Berlin geschaffen werden könnten.

Die Parteien der große Koalition haben auf unsere Vorschläge von 1990 nicht einmal geantwortet. Heute aber ziehen sie wieder mit dem Versprecher in den Wahlkampf, die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit treibe sie tag und nacht um.
Anfang des Monats würdigte sich auch der Regierende Bürgermeister. Entsprechend häufig brachten ihm nahestehende Medien das Konterfei des großen Häuptlings. Und auch die Botschaften klangen für DDR-geschulte Ohren recht vertraut: „Was die CDU beschloss, wird sein“, aber „das Erreichte ist noch nicht das Erreichbare!“.
Das ist ihr gutes Recht, liebe Genossinnen und Genossen. Und natürlich gibt es in der Stadt nicht wenige, die der CDU Dank schulden und sie deshalb mit guten Hoffnungen wiederwählen werden. Übrigens auch im Ostteil der Stadt, weil ihre Renten gestiegen sind oder ihr junges Unternehmen inzwischen floriert.

Wofür die PDS steht, ist ein anderer Gesellschaftsansatz, der sich auch in einer anderen Stadtpolitik wiederfindet. Auch deshalb fällt unsere Bilanz über fünf Jahre große Koalition anders aus, als die von CDU und SPD.

Der etwas löchrigen „Erfolgspropaganda“ des Senats möchte ich hier nur ein Beispiel hinzufügen. Brot und Spiele hatten CDU und SPD unisono versprochen, als sie sich um die Olympischen Spiele bewarben. Das Hoffen auf auswärtigen Segen galt für beide Senatsparteien als Ersatz für eigene Kreativität. Der Ausgang ist bekannt. Doch das Olympiabauprogramm werde zum Wohle des Berliner Sports weiter verfolgt, hieß es unlängst mit Blick auf die Rad- und Boxhallen dieser Tage aus den Senatsstuben.
Ein Verweis auf das ehemalige Stadion der Weltjugend wäre beredter gewesen. Plattgewalzt war es schnell. Private Investoren ständen Schlange, meinte der SPD-Bausenator und versprach, dass der neue Sportkomplex die Steuerzahler keinen Pfennig kosten werde. Später ging es dann plötzlich doch um etliche Millionen. Geblieben ist eine Brache, über die man halt nicht gern spricht, weil sich anderswo die Kräne drängeln.

Beispiele, wie das Geld mit vollen Händen zum Rathausfenster hinausgeworfen wurde, gibt es en masse. Zugleich wurde Jahr für Jahr ans Wahlvolk appelliert, doch mit Spareifer den Gürtel enger zu schnallen, weil die „Bonner“ Berlin am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Was den Senat aber nicht davon abhielt, Berlin per Hauptstadtvertrag den Wünschen dieser „Bonner“ nahezu bedingungslos zu unterwerfen. Übrigens, auch das sei nicht vergessen, geschah dies seinerzeit im sogenannten Sommerloch, ohne parlamentarische Debatte.

Nicht nur die Innenstadtbezirke bekamen seither diese Entmachtung zu spüren. Die ganze Stadt wurde damit an die Leine genommen. Gefechte um Straßennamen sind nur eine Seite dieser Medaille. Der versprochene Aufschwung, den der Umzug von Bundesregierung und Bundestag mitsichbringt, hat als Preis unter anderem einen Abbau demokratischer Rechte.
Am 26. September, also noch vor der Wahl, will der Bundeskanzler den symbolischen Spaten in den Tiergarten treiben, um scheinbar vollendete Tatsachen zu schaffen.
Die vorerst 10 Milliarden Mark aber, mit denen die Tunnelei veranschlagt wird, werden in Köpenick und Hellersdorf ebenso fehlen, wie sie in der Innenstadt dazu beitragen werden, Verkehr zu mehren, statt zu verringern.
So, wie die große Koalition die Olympia-Bewerbung in den Sand gesetzt hat, so bleibt sie unbeirrt in ihrer fragwürdigen Stadtphilosophie: Schneller, höher und weiter, koste es, was es wolle! Hochleistungs- statt Volkssport, begleitet von einer erbarmungslosen Auslese all jener, die nicht mithalten können, um im Bild zu bleiben.
Hinzu kommt Doping, welches imzwischen bis über die Schmerzgrenze geht. Gut 20 Milliarden Mark betrug die Landesverschuldung zu Beginn der Legislaturperiode. Inzwischen wurde der Schuldenberg auf 45 Milliarden angehäuft und der Gipfel des Über-die-Verhältnisse-Wirtschaftens ist noch längst nicht erreicht.

Es gebe für Berlin nur noch einen Maßstab, schrieb Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder seinen hauptstädtischen SPD-Genossen auf deren Juni-Parteitag ins Auftragsbuch: New-York! Jeder mag sein Bild von New-York haben. Für viele verbinden sich damit Wolkenkratzer, wie sie für den Alex geplant sind und Armenviertel mit kaum noch beherrschbarem sozialen und kriminellen Zündstoff.
So eine Vision ist mit der Berliner PDS nicht zu machen. Unsere Maßstäbe bleiben die elementaren Interessen und Wünsche der Berlinerinnen und Berliner auf bezahlbares Wohnen, auf Arbeit für alle und auf eine Politik, die nicht nur von Klima- und Umweltschutz redet.

Um die Konstellation, der wir uns im Wahlkampf gegenübersehen, zu illustrieren, sei an eine weitere „Episode“ erinnert, die natürlich in der Bilanz der Regierenden lieber verschwiegen wird: Die Heckelmann-Affäre.
Die SPD-Fraktion probte seinerzeit den Aufstand, als die Kontakte zu rechtsextremen Kreisen, die der Pressesprecher des Innensenators pflegte, offenbar wurden.
Doch die knirschende Koalition hielt. Weniger, weil ein paar schwarzen Schafen in der SPD-Fraktion ihre Diäten wichtiger waren, als eine antifaschistische Haltung. Das gemeinsam von CDU und SPD getragene Metropolenkonzept sollte nicht durch Neuwahlen gefährdet werden.
Muss es da noch verwundern, wenn Klaus Böger, der seither der SPD-Fraktion vorsteht, nunmehr mit der Aussicht zitiert wird: Selbst wenn sich die SPD nach dem 22. Oktober erneut als Juniorpartner der CDU wiederfände, „geht die Welt nicht unter, weil wir auch bisher gut gearbeitet haben“. (Die WELT, 1. Juli 1995)

Auch deshalb, liebe Genossinnen und Genossen, haben wir im Wahlbüro und im Landesvorstand lange überlegt, welcher Slogan, welche Kurzformel die Situation am prägnantesten beschreibt. „Der Wechsel ist fällig“, wird Bündnis 90/Die Grünen stadtweit plakatieren, um ihren Regierungsanspruch anzumelden. Wir meinen, es geht um eine andere Politik, die weder mit der CDU, noch mit dieser SPD zu haben sein wird. Es geht um mehr, als um einen Regierungswechsel.

Das Verläßlichste an der Berliner SPD-Fraktion war in der ablaufenden Wahlperiode, dass Beschlüsse ihrer eigenen Partei Makulatur wurden, sobald sie den Wünschen der CDU zuwiderliefen. Das war beim Landesschulamt nicht anders, als bei der parlamentarischen Freigabe der BVG-Tarife, oder als darum ging, kommunalen Wohnungsbestände zu privatisieren.
Nunmehr zeichnet sich das Wahlprogramm der SPD durch eine kaum noch zu überbietende Doppelzüngigkeit aus. Jedem wird alles versprochen!
Der Auto- und Baulobby gewinnträchtige Tunnel und Stadtringe.
Den Umweltfreaks eine saubere Luft.
Der internationalen Geschäftswelt einen Superairport.
Den Sozialschwachen bezahlbare Mieten.
Immobilienhändlern reiche Gewinne.
Die Sanierung des überschuldeten Haushalts,
Die Finanzierung der Großprojekte aus derselben Steuerkasse.
Den Ossis irgendwann die Abschaffung des Rentenstrafrechts.
Und allen blühende Landschaften im vereinigten Berlin-Brandenburg.

Das, liebe Genossinnen und Genossen, nenne ich Populismus.

Ebenso zwiespältig gibt sich die SPD im Wahlkampf. Während Ingrid Stahmer in Richtung CDU blinzelnd, aber jede Koalitionsaussage ablehnt, startet Walter Momper eine Testballon für Rot-Grün. So präsentiert sich die SPD als Partei für alle Fälle, wie beim sogenannten Altschuldenhilfegesetz. Erst stimmt sie dem Gesetz zu. Anschließend läßt sie sich feiern, weil der Hellersdorfer Wohnungsgesellschaft ein Formfehler bei den SPD-gewollten Mieterhöhungen unterlaufen ist, den die SPD gerade noch rechtzeitig aufgedeckt habe.
„Wir setzen auf Ost und West, wir setzen auf jung und alt und auch Arm und Reich dürfen nicht gegeneinander aufgehetzt werden“, so die SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer, in ihrer Parteitagsrede. Mit einem „Einheits- und Wir-Gefühl“ sollen Widersprüche nach dem Motto, „wir sitzen alle in einem Boot“, verkleistert werden. Mögen Bündnis 90/Die Grünen darauf vertrauen, mit dieser SPD das Ruder herumreißen zu können.
Die Signale, die derzeit den Wahlkampf prägen, sind andere.

Die CDU führt Wahlkampf mit der Drohung: Wir oder das Chaos!

Auch die SPD will stärkste Partei werden, um hernach zu sehen, mit wem sie ihr eigenes Programm besser durchsetzen könne.

Bündnis 90/Die Grünen wiederum hoffen gegen die PDS im Ostteil der Stadt wettmachen zu können, was sie bei zurückliegenden Wahlen verloren haben.
So, wie sich Bündnis 90/Die Grünen in der Frage, „wie hältst Du's mit der PDS?“, vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung gedrückt haben, und sich statt dessen lieber von der SPD ins Schlepptau nehmen ließen, so bleibt auch Rot-Grün derzeit ein Übel, wenn auch das kleinere, noch dazu wenig wahrscheinliche. Es gibt derzeit kein ernsthaftes Signal, dass eine Reformmehrheit links von der CDU ernsthaft bereit wäre, eine grundsätzliche Alternative zur Politik der großen Koalition zu wagen.

Deshalb sage ich hier deutlich: Wir bleiben bei unserer Aussage: An der PDS wird Rot-Grün nicht scheitern. Eine rot-grüne Regierung böte Ansatzmöglichkeiten für eine Reformpolitik - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Doch selbst diese Möglichkeit bleibt ohne Druck von links konturenlos. Wer wirklich ein anderes Berlin und eine andere Politik in dieser Stadt will, der hat am 22. Oktober nur eine Wahl: PDS!

Liebe Genossinnen und Genossen!
Unsere zentrale Forderung lautet: Berlin muss sozial und ökologisch umgebaut werden. „Das sagen alle“, höre ich Skeptiker schon einwenden. Denen kann ich nur einen kurzen Blick in die handliche Kurzfassung unserer Wahlaussagen „Ein anderes Berlin, eine andere Politik“ empfehlen.

Die PDS steht

1. 

für eine Stadt, in der die Interessen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner nicht denen der Politik untergeordnet werden, ob per Hauptstadtvertrag oder durch Bauvorhaben, die der Bundesregierung, nicht aber Berlin nützen.

2. 

für eine gerechte Verteilung und Finanzierung von Arbeit, an der es wahrlich keinen Mangel gibt, sei es durch Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich oder durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze für den ökologischen Umbau.

3. 

für einen ökologische Umbau, der nicht in allgemeinen Appellen versandet, sondern, begonnen bei der Industrie, zur Kasse bittet, sobald Natur und Umwelt für profitable Geschäfte mißbraucht werden.

4. 

für eine Mobilität mit neuen Ideen und Prioritäten, für eine Politik, die nicht auf das unvernünftigste Fortbewegungsmittel setzt, das die Menschheit hervorgebracht hat, das Auto.

Ob eine Sozialpolitik wirklich gut ist, zeigt sich am Umgang mit jenen, denen es schlecht geht. Deshalb bedeutet für die PDS

5. 

„Sozial ist solidarisch!“ und Wohnen bleibt ein Menschenrecht. Deshalb fordert die PDS weiterhin die Aufhebung der Altschuldenregelung für den Osten, die sofortige Abschaffung des Rentenstrafrechts und die Einführung einer sozialen Grundsicherung für alle.

6. 

Demokratie ist mehr als wählen. Deshalb fordern wir unter anderem mehr Selbstverwaltung für die Bezirke, statt eine noch weitergehende politische Zentralisierung, sowie verbindliche Mitenscheidungsrechte für die Berlinerinnen und Berliner.

7. 

Wenn Unterschiede zu Benachteiligungen führen, dann bleibt die Demokratie auf der Strecke. Auch deshalb muß Berlin eine frauengerechte Stadt werden, die ein selbstbestimmtes Leben im Alter ermöglicht, Minderheitenschutz für Einwanderer, Flüchtlinge oder Behinderte ebenso gewährleistet, wie Mitbestimmungsrechte von Kindern und Jugendlichen.

8. 

Wer glaubhaft für Frieden eintreten will, muss gegen die Ursachen des Unfriedens streiten. Deshalb bleiben wir dabei: Polizeieinsatz und Geheimdienste sind kein Politikersatz - Keine Rüstungsproduktion und keine Bundeswehr in Berlin.

9. 

Berlin braucht eine andere Bildungs- und Wissenschaftspolitik, als von der CDU betrieben, von der SPD toleriert und vielfach sogar von Bündnis 90/Die Grünen hingenommen wird. Deshalb fordert die PDS unter anderem:
Keine Mittelkürzungen an Unis und Hochschulen sowie die Rehabilitierung jener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die seit 1989 ungerechtfertigt „abgewickelt“ wurden. Das Landesschulamt ist wieder abzuschaffen, das Recht auf Kitaplätze für alle zu sichern und die Gesamtschule als Regelschule auszubauen.

10. 

Die Kultur ist zu wertvoll und der Sport zu wichtig, um einer Rotstiftpolitik geopfert zu werden, die sich auf der anderen Seite nicht scheut, mit Millionen-Beträgen den Tennis-Zirkus in Berlin zu subventionieren.

11. 

Die PDS bleibt bei ihrer Ablehnung des ausgehandelten Fusionsstaatsvertrages Berlin-Brandenburg, nicht aber einer Fusion. Wir fordern eine Reform des Länderfinanzausgleichs, eine gemeinsame Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik für Berlin und Brandenburg und eine gemeinsame ökologische Landesplanung.
Und

12. 

sagen wir auf die Frage - „wer soll das bezahlen?“:
Das Geld für den sozialen und ökologischen Umbau ist vorhanden, man muss es nur finden wollen. Die PDS fordert unter anderem,
dass bei den geplanten Image-Projekten und nicht bei den Sozialschwachen gespart wird;
dass größere Unternehmen mit einer höheren Gewerbesteuer zur Kasse gebeten werden;
und dass die Belastungen des Kfz-Verkehrs im Citybereich durch eine Nahverkehrsabgabe zugunsten des ÖPNV in Rechnung gestellt werden. Anstatt vermeintliche Sozialbetrüger zu kriminalisieren und zu jagen, wird es höchste Zeit, den großen wirklich Steuersäumigen auf die Bude zu rücken.

Liebe Genossinnen und Genossen!
Einem Etikett, das man der PDS gern anzuheften versucht, möchte ich mich noch zuwenden, dem Vorwurf, die PDS sei eine Partei der Nein-Sager.
Ja, wir sagen NEIN!
Wir sagen NEIN zu einer Politik, die Macht höher bewertet, als die Nöte der Berlinerinnen und Berliner.
Wir sagen NEIN zu einer Wiederbelebung des Militärischen in der Politik, allemal in Deutschland.
Wir sagen auch NEIN zu einem Ausverkauf der Stadt, den spätere Generationen mit Zins und Zinseszins begleichen müssen.
Unsere Fraktion hat im Abgeordnetenhaus auch zu der Landesverfassung NEIN gesagt, die am 22. Oktober gleichfalls zur Volks-Abstimmung steht. Obwohl diese besser ist, als jene „Westberliner“ Verfassung, die bislang gilt. Nur ist die neue Verfassung eben auch schlechter, als beispielsweise die Brandenburger Landesverfassung und sie bleibt auch hinter der Ostberliner Verfassung zurück, die 1990 in einer „Sternstunde der Demokratie“, wie es damals hieß, verabschiedet wurde.
Nicht wenige Artikel, die nun von der SPD als Kompromiss-Sieg gefeiert werden, erweisen sich bei näherem Hinsehen als Täuschung. Etwa die hohen Quoren, die erfolgreiche Volksbefragungen eher verhindern, denn ermöglichen werden.

Wir sagen aber JA, wenn es um wirkliche Entscheidungen in Richtung mehr Demokratie, mehr soziale Gerechtigkeit und für einen ökologischen Umbau der Region.

Liebe Genossinnen und Genossen! Liebe Freundinnen und Freunde!
Berlin ist mehr als seine Bezirke. Aber ohne seine 23 Stadtbezirke ist Berlin nichts. Berlinerinnen und Berliner sind weltoffene Kiezbürger. Und sie lassen sich nicht gern ein X für ein U vormachen, auch nicht durch die Bezirksämter. Wir haben vor den letzten BVV-Wahlen „gläserne Rathäuser“ versprochen, und wiederholen diesen Anspruch, da wir uns erstmals in allen Stadtbezirken, Ost wie West, um BVV-Mandate bewerben. Unsere Ansprüche im Ostteil der Stadt sind wie unsere kommunalpolitische Kompetenz gewachsen. In 6 Stadtbezirken hat die PDS Kandidaten für das Bezirksbürgermeisteramt nominiert. Und auch bei verkleinerten Bezirksämtern wird es nicht zu einem Rückgang des PDS-Einflusses kommen, wenn wir die verbleibende Wahlkampfzeit gemeinsam nutzen. Aber auch in Kreuzberg oder Tiergarten wollen wir Fraktionen stellen, also die 5-Prozenthürde überspringen. Und ich freue mich heute schon auf das Gesicht, das Kreuzbergs SPD-Bürgermeister Peter Strieder am Abend des 22. Oktober machen wird. Hat er doch schon vor längeren in einer Wochenzeitung gemeint, mit PDS-Politikern wahrscheinlich eine bessere Politik machen zu können, als mit Bündnis 90/Die Grünen.
Gleichwohl wissen wir alle: Der Wahlerfolg der PDS wird im Ostteil der Stadt entschieden.

Lasst uns gemeinsam alle Berlinerinnen und Berliner wieder für die offenen Listen der Partei des Demokratischen Sozialismus gewinnen, die uns schon einmal gewählt haben. Und nirgends steht geschrieben, daß es nicht noch mehr sein dürften. Jedenfalls nicht in unseren Programmen.
Wir haben keinen Grund, unsere politischen Kontrahenten zu unterschätzen. Aber wir haben, wie es so schön heißt, noch Reserven, auf die es jetzt ankommt.
Die Wahlkampfkalender sind prall gefüllt und werden uns allen viel abverlangen. Sei es beim Plakatekleben, bei Gesprächen am Stand vor der Kaufhalle, bei Diskussionsabenden, bei Kundgebungen und pfiffigen, weil PDS-typischen Aktionen.

Auf einige wenige möchte ich hier noch hinweisen, auch weil sie darauf angelegt sind, unser Wahlprogramm vom Papier ins Stadtleben zu übersetzen.

Am 1. September, dem Weltfriedenstag, werden wir 15 Uhr mit einer Kundgebung vor der „Neuen Wache“ Unter den Linden, gegen deutsche Kriegsbeteiligungen und Waffenexporte, gegen Atomwaffenversuche aller Art, gegen Kriegs- und Zwangsdienste demonstrieren.

Die Woche darauf, am 9. September, wollen wir in allen Bezirken der Stadt präsent sein, mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen.
In Kreuzberg lädt die PDS zu einem multikulturellen Fest ein. Zugleich will eine antirassistische Wählerinitiative für die Wahl der PDS werben.

„Arbeit her!“, heißt das Motto am 16. September. Um 10 Uhr treffen wir uns auf dem Markplatz an der Griechischen Allee in Oberschöneweide zu einer Kundgebung. Anschließend, um 12.30 Uhr, beginnt im .....eine gewerkschaftspolitische Konferenz der PDS

Am 23. September, drei Tage bevor der Kanzler den Tiergarten ansticht, wird die PDS ein Tiergartenfest mit Anwohnern, Verkehrs- und Umweltinitiativen durchführen, Grillen inclusive.

Der traditionelle Einheiz-Markt widmet sich diesmal vor allem sozialen Themen, wie der Mietexplosion und findet am 3. Oktober von 11 - 19 Uhr auf dem Rosa-Luxemburg-Platz statt.

Eine frauenpolitische Konferenz im Berliner Abgeordnetenhaus schließt sich am 7. Oktober an.

Auch dem Palast der Republik wird sich die PDS nochmals widmen. Denn unsere Forderung lautet jetzt erst recht - der Palast muss auf!

Liebe Genossinnen und Genossen!
Liebe Kandidatinnen und Kandidaten!
Wie heißt es so schön: Es gibt viel zu tun - packen wir's an!
Denn es gibt Alternativen zur herrschenden Politik. Eine unverzichtbare heißt PDS!
 

 

 

25.8.1995
www.petrapau.de

 

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PDS: Reden & Erklärungen

 

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