Die Massenbasis ist unsere Chance!

in: Pressedienst Nr. 9, Jahrgang 1993

Am 20. Februar 1993 fand ein Basistreffen der Berliner PDS statt. PRESSEDIENST bringt nachstehend Auszüge aus den Darlegungen der Landesvorsitzenden, Petra Pau:

Die nächsten Wahlen, die für uns, für die PDS insgesamt, aber auch insbesondere für die Berliner PDS von Bedeutung sind, finden in knapp 9 Monaten statt: die Kommunalwahlen in Brandenburg. Und es ist für mich nicht nur eine Sache der Ehre, sondern der inhaltlichen Zusammenarbeit und der Solidarität, wenn ich meine: Diesen Wahlkampf sollten Brandenburger und Berliner gemeinsam bestreiten. Die Brandenburger haben uns im vergangenen Jahr sehr unterstützt.

Die Brandenburger Wahl ist der Auftakt für einen wirklichen Wahlmarathon: Im Juni 1994 - das ist schon in 16 Monaten! - finden die Europa-Wahlen statt; verteilt über das gesamte Jahr 1994 werden die ostdeutschen Landtage neu gewählt; Ende 1994 ruft uns der Kanzler zur Urne (natürlich, weil er meint, dass wir ihn alle lieben und wieder wählen wollen), und dann geht es bereits um die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den BVV, die im Herbst 1995 stattfinden werden. All diese Wahlen entscheiden nicht das Schicksal der PDS: Wir haben schon ganz andere Sachen überlebt, auch und gerade hier in Berlin, und wir sind im Osten eine politische Kraft, mit der Freund und Feind langfristig rechnen. Aber natürlich bieten diese Wahlen die Chance, linke, alternative, radikale Politikansätze nicht nur ins Gespräch, sondern auch in die Parlamente zu bringen. Von Königs Wusterhausen bis nach Brüssel. Und in den Bundestag, selbstverständlich (auch).

Manche tun ja so, als sei dies eine völlig illusionäre Zielstellung. Sie vergessen einfach, dass die PDS bei den letzten Wahlen in Berlin Ergebnisse erreicht hat, die zu zwei Direktmandaten geführt hätten. Und das bisschen Rest sollten wir wohl auch noch schaffen. Unabhängig davon, dass die PDS weitere Schritte unternimmt, um doch noch eine Änderung des Wahlrechts zu erreichen: Selbst 5 Prozent erscheinen mir heute nicht unrealistisch. Es ist ganz wichtig, eben mit der Überzeugung in den Wahlkampf zu gehen, dass wir es schaffen können, dass jede Stimme für die PDS wichtig ist, und deshalb kein Wähler überwechselt eventuell zur SPD oder zu den Grünen. Über das Ansprechen der Nichtwähler hier gar nicht zu reden. Wenn ich mal bedenke, mit welcher Konsequenz die in Bonn und Berlin Regierenden auf ein gutes Ergebnis der PDS hinarbeiten...

Warum spreche ich hier so ausführlich darüber? Weil die rechtzeitige und umfassende Mobilisierung der Parteibasis, der Bezirksorganisationen, der Interessen- und Arbeitsgemeinschaften von ausschlaggebender Bedeutung für den Wahlkampf ist. Die Erfahrungen der 92`er Wahlen haben ja gezeigt, dass die PDS die einzige Partei ist, die in dieser Stadt über eine solide Massenbasis verfügt. Diesen Vorteil zu nutzen, zu nutzen für die inhaltliche, organisatorische, finanzielle und personelle Vorbereitung der Wahlen, das muss unser gemeinsames Ziel sein.
Was kann jetzt getan werden?

1. Zur inhaltlichen Vorbereitung der Wahlen

Hier geht es mir nicht um neue Programme. André Brie, der das Wahlbüro der PDS auf Bundesebene leitet, hat m. E. völlig zu Recht hervorgehoben, dass es inhaltlich jetzt um die Erarbeitung der Wahlstrategie geht. Dabei können wir uns auf das neue Programm der PDS stützen, aber wir dürfen Wahlstrategie und Programm nicht miteinander verwechseln. Ausgehend von der politischen Situation in Deutschland sollte sich die PDS im Wahlkampf profilieren als linke sozialistische Oppositionspartei; als Partei, die aus der DDR kommt und Interessen, Geschichte, Erfahrungen, Kultur der Ostdeutschen vertritt; als Partei, die eine neue Entwicklungsrichtung für die gesamte Bundesrepublik fordert, sich den globalen Problemen der Bürgerinnen und Bürger zuwendet. Von diesem Profil her sind die Felder zu bestimmen; die Themen, die im Mittelpunkt der Strategiediskussionen und der Politikangebote stehen. Von dort aus sind die Positionen auszustreiten, die wir vertreten; und dann ist zu überlegen, mit welchen Maßnahmen der konkreten, öffentlichkeitswirksamen Parteiarbeit wir diese Positionen zur Diskussion stellen. Was ich damit sagen will, und was auch Erfahrungen der vergangenen Wahlkämpfe sind:
a) Es macht wenig Sinn, sich erst über die Form und den Ort zu zerfetzen, und dann zu besprechen, was man eigentlich erreichen will.
b) Man darf Profil und Thema nicht verwechseln: Radikalität der Forderungen sollte zum Profil unserer Partei gehören, es ist aber in meinem Verständnis kein „Thema“, kein losgelöster; eigener Schwerpunktbereich.

Ich denke, es ist nicht vermessen zu erwarten, dass sich die Basisorganisationen in diesen Prozess der inhaltlichen Erarbeitung unserer Wahlstrategie einbringen. Die Möglichkeiten und die Bereitschaft dazu werden unterschiedlich sein, aber eines müssen wir versuchen auszuschließen: Dass man/frau sich zurücklehnt und wartet wie die Wahlstrategie der PDS aussehen wird, und dann erklärt, dass man/frau selbst es natürlich viel besser gemacht hätte ... Diskussion und Aneignung des Programms der PDS in den Basisorganisationen gehören also aus meiner Sicht selbstverständlich auch zur langfristigen Wahlvorbereitung.

Und noch einen abschließenden Gedanken zur inhaltlichen Vorbereitung: Profil und Wahlkampf - Themen der PDS werden sich sicher nicht unterscheiden in Greifswald und Berlin-Marzahn. Aber bei den in der konkreten Situation zu vertretenden Positionen halte ich das schon für möglich, und bei den Maßnahmen wird es sicher eine große Vielfalt und ganz unterschiedliche Erfahrungen geben. Nicht nur zwischen Ost und West. Wenn das so ist; ist die Prüfung der konkreten Erfahrungen, das konstruktive Infrage-Stellen einmal erarbeiteter Positionen, die Erprobung der Formen der Öffentlichkeitsarbeit ein ständiges Geschäft, das nur an der Parteibasis zu leisten ist. Das ist auch konkrete inhaltliche Wahlvorbereitung: Damit man vor der „heißen“ Phase weiß, was sich bewährt und was nicht.

2. Zur personellen Vorbereitung

Müssen wir uns schon heute Gedanken machen über die Kandidaten von übermorgen? Manchmal scheint mir, manche denken schon ganz schön heftig darüber nach. Aber wenn ich hier über personelle Vorbereitung rede, dann meine ich nicht das Nachdenken darüber, mit welchen klugen politischen Strategien man oder Frau sich günstige Ausgangspositionen für dieses oder jenes Mandat verschaffen könnte. Zur personellen Vorbereitung - im weitesten Sinne - gehören für mich Überlegungen, wie die PDS zu den anstehenden Wahlen antreten soll: als Organisationsbündnis, als Personenbündnis, als Offene Liste oder wie auch immer. Das ist natürlich ein zutiefst inhaltliches Problem. Dazu gehört danach auch die Frage, wie die Listen zustande kommen sollen, mit denen wir antreten. Personelle Vorbereitung ist für mich schließlich auch die Fortsetzung dessen, was wir in den Wahlkampfzeiten „Kandidatenpflege“ genannt haben. Heute haben wir 26 Stadträtinnen und Stadträte, die in „Gemeinden“ von oft mehr als 100.000 Einwohnern scheinbar oder tatsächlich „Regierungsverantwortung“ mittragen. Wir haben 20 Abgeordnete im Abgeordnetenhaus und 156 Bezirksverordnete, von denen mehr als 80 Prozent wieder kandidieren würden. Bei den Fraktionen arbeiten knapp 100 Bürgerdeputierte und viele Spezialisten, Genossen und Freunde, die für die kommunalpolitische „Kleinarbeit“ und damit für die kommunalpolitische Stärke der PDS unverzichtbar sind. Und wir haben noch manchen auf unseren Listen, der nicht in die Fraktion gekommen ist, nun aber auch nicht vergessen werden darf. All dies ist ein Potential, das nicht mit Gold aufzuwiegen und als Personalpool für die kommenden Zeiten zu hegen und zu pflegen ist. Und zu diesen personellen Schätzen gehören selbstverständlich auch all jene, die außerhalb der PDS, aber mit ihr gemeinsam in Fraktionen für linke, alternative Politik streiten.

3. Zur organisatorischen Vorbereitung

Wie das immer so ist: Gleich nach der Wahl im Mai haben alle davon gesprochen, dass die Arbeit des Wahlbüros weitergeführt werden müsste. Das war auf Landesebene so, und in den meisten Bezirken wohl auch. Auf Landesebene zumindest wurde der löbliche Vorsatz nicht umgesetzt. Das mag ganz verschiedene Gründe gehabt haben - keine Bedürfnisse, keine Zeit, keine Leute, andere Sorgen -, aber es ist ein Manko. Am vergangenen Sonnabend hat der Landesvorstand jedenfalls beschlossen, jetzt Ernst zu machen und bis zum Sommer das Landeswahlbüro wieder zu „reaktivieren“. Die erste Aufgabe soll darin bestehen, die vielen bezirklichen Erfahrungen, den Kern unseres Erfahrungsschatzes sozusagen, zusammenzutragen und zur Diskussion - und Umsetzung - zu stellen. Ich kenne solche Wahlkampfauswertung z. B. aus Hellersdorf, und die hat es einfach nicht verdient, nur dort bekannt zu sein.

Wir empfehlen den Bezirken und den Ortsteilen, den Gliederungen der PDS überhaupt, ebenfalls über einen solchen Schritt nachzudenken. Es geht ja nicht um große Arbeitsgruppen. Es geht um „Zirkel“ von Interessierten und Engagierten, die sich jetzt über Wahlen einen Kopf machen. Die ein bisschen die Fäden zusammenhalten; die im Frühsommer des vergangenen Jahres so erfolgreich geknüpft wurden. Die darüber nachdenken, wie Positionen der PDS kontinuierlich in die Öffentlichkeit gebracht werden. Die ein bisschen Analyse betreiben: Wie kommen wir mit diesen und jenen Argumenten; mit diesen und jenen Ideen, mit diesen und jenen Veranstaltungen an? Wie arbeiten die anderen politischen Gruppierungen in meinem Ortsteil oder in meinem Bezirk? Welche „Teil“-Öffentlichkeiten werden hier wirksam, welche Vereine spielen eine besondere Rolle; welche Positionen werden vertreten, wie sind meine Kontakte dorthin? Das sind alles Fragen, die: zur politischen Arbeit gehören, die nicht unter der großen Überschrift „Wahl“ stehen müssen; die aber, wenn die Wahl tatsächlich vor der Tür steht, von großem Gewicht sind. Analysen über Wählerpotentiale und sogenannte „Zielgruppen“, über Wirksamkeit der eigenen Arbeit und der der anderen, über Schwerpunktthemen und die „heißen Eisen im Kiez“ macht niemand über Nacht, sie gehören aber zu einer soliden Vorbereitung einer Wahl (zur Arbeit der PDS generell). Und sie können nur im Bezirk, im Ortsteil, im Kiez gemacht werden. Das ist eine Arbeit; die den Basisorganisationen und Bezirksverbänden niemand abnehmen kann - und will.

4. Zur finanziellen Vorbereitung

„Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles.“ Natürlich. Niemand hat die Vorstellung, dass Wahlvorbereitung, Wahlkampf der PDS ohne finanzielle Mittel gemacht werden kann. Wir haben im letzten Wahlkampf alles in allem 389 474,04 Mark ausgegeben - Land und Bezirke zusammen -, und das waren 43 474,04 mehr, als wir uns eigentlich vorgenommen hatten. Hier sind die Gelder, die z.B. die Basisorganisationen noch extra zusammengetragen haben, nicht mit eingerechnet. Bloß gut, dass das Ergebnis auch ordentlich war - stellt Euch mal vor: Eine solche Überschreitung, und dann noch ein schlechtes Ergebnis! Nicht auszudenken. Dabei finde ich auch heute noch, dass wir 1992 einen sparsamen Wahlkampf geführt haben. Einige in den Wahlkämpfen der PDS gestählte Genossen behaupten steif und fest, wir hätten im vergangenen Jahr weniger Material ausgegeben, als wir in den Wahlkämpfen 1990 weggeworfen haben...

Woher soll das Geld für die vor uns stehenden Wahlkämpfe kommen? Für die „großen“ Wahlen des Jahres 1994 gibt es die Spendenkampagne, die durch das Wahlbüro beim Bundesvorstand durchgeführt wird. Sicher wird das Schwergewicht der Finanzierung des Wahlkampfes auf der sogenannten „zentralen Ebene“ liegen. Aber wir wollen ohne Illusionen sagen: Ohne eine langfristige, die Genossinnen und Genossen, Freundinnen und Freunde aktiv ansprechende Spendenaktion auch in den Bezirken wird schon 1994 nichts gehen.

Natürlich steht uns rein rechtlich der sogenannte Wahlkampfkostenvorschuss zu. Das ist eine Finanzierung politischer Parteien durch den Staat, die nicht für uns, sondern für staatstragende Parteien erfunden wurde, und dazu gehören wir ja eigentlich, Gott sei's gedankt, nicht. Außerdem haben wir diesen Vorschuss noch gar nicht, und z. Z. gibt es genügend Begründungen durch Regierungen in Bund und Ländern, uns diesen Vorschuss auch nicht zu geben.

Diese Mittel gibt es auch für die Abgeordnetenhauswahlen 1995, aber dort gilt in noch stärkerem Maße das, was ich bisher schon gesagt habe. Im Klartext: Ich empfehle dringend all jenen, die es bisher noch nicht getan haben, sich schnell und intensiv mit der Erarbeitung eines Finanzierungskonzeptes für die Wahlen zu beschäftigen. Das gilt für Basisorganisationen, Bezirke und Land.

Einige Bemerkungen zu Finanzen generell will ich hier gleich anhängen. Am Einlass ist euch die Abrechnung für das Jahr 1992 für die Landesgeschäftsstelle und das Land insgesamt gegeben worden. Daraus ist deutlich erkennbar, dass wir nach dem ersten Jahr der Eigenfinanzierung nicht in den roten, sondern in den schwarzen Zahlen stehen. Das heißt, dass in allen Basisorganisationen, Bezirken, in der Landesgeschäftsstelle, im Land insgesamt so gewirtschaftet worden ist, dass wir auf diese gute Bilanz verweisen können. Dieses Ergebnis ist zustande gekommen trotz der Querelen; trotz Unerfahrenheit, obwohl wir noch nie auf der Grundlage der Eigenfinanzierung gearbeitet haben, obwohl es viele Punkte der Unsicherheit der Planung, des Umgangs mit dem Geld sowie des Umgehens mit den Einrichtungen und den Gesetzen dieses Landes gab. Deshalb Dank an alle Genossinnen und Genossen, Sympathisantinnen und Sympathisanten, dass sie es vermocht haben, mit Vehemenz die Beiträge, Spenden usw. zusammenzutragen, denn ohne Geld geht; wie gesagt, gar nichts.

Ihr habt sicherlich bemerkt, dass ich das Wahlkampfthema deshalb so ausführlich behandelt habe, weil hier viele organisatorische Voraussetzungen der Tätigkeit in und bei der PDS und vor allem Bedingungen für die Erhaltung und Verbesserung der Aktionsfähigkeit der Berliner PDS berührt werden, die unabhängig von allen Wahlkämpfen immer mehr Bedeutung gewinnen.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf unser Aktionszentrum hinweisen. Hier ist es nicht gelungen, über die Wahlkampfzeiten hinaus eine verlässliche Organisations- und Informationsstrecke zu erhalten. Deshalb wiederhole ich hier den Aufruf, sich in die drei Arbeitsgruppen
* Veranstaltungsorganisation
* Öffentlichkeitsarbeit und Gestaltung
* Ordnungsgruppe einzubringen.

Im Folgenden möchte ich mich noch zu zwei Schwerpunkten äußern:
Die Berliner PDS hat z. Z. 27062 Mitglieder, davon leben ca.250 in den westlichen Bezirken Berlins. Wir wollen eine Gesamtberliner Partei sein. Und in den oben beschriebenen inhaltlichen Problemen wird doch wohl längst deutlich, dass es keine reinen Ostberliner oder Westberliner Probleme mehr gibt. Wenn im Osten der Aufschwung nicht zu sehen ist, heißt dies im Klartext auch, der Abschwung hat im Westen Berlins längst begonnen. Insofern ist die Hauptaufgabe der PDS als gesellschaftliche Opposition die Initiierung bzw. Unterstützung von Widerstand gegen die grundlegenden antisozialen, antidemokratischen, kultur- und umweltvernichtenden Entwicklungstendenzen in der gesamten Stadt.

Ich möchte euch im Folgenden einige Thesen aus einem Diskussionsmaterial „Zur weiteren Arbeit der PDS in den Berliner Westbezirken“ vorstellen.

Die Hauptaufgabe der PDS als gesellschaftliche Opposition ist die Initiierung bzw. Unterstützung von Widerstand gegen die grundlegenden antisozialen, antidemokratischen; kultur- und umweltvernichtenden Entwicklungstendenzen des heutigen Kapitalismus.

* Ein wichtiges politisches Feld für die PDS ist die Arbeit in verschiedenen Initiativen und Gewerkschaften.
Die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ist nicht nur ein Hauptschwer - sondern auch ein - schwachpunkt in der Arbeit der Berliner PDS. Sie ist ebenfalls ein Politikfeld, das zum Zusammenwachsen von Linken, darunter von Mitgliedern der PDS in Ost- und Westberlin, besondere Möglichkeiten und Erfordernisse bietet. Die Möglichkeiten resultieren aus den einheitlichen Gewerkschaften, verschiedenen gewerkschaftlichen Initiativen sowie der Berliner Initiative von Betriebs- und Personalräten; die Erfordernisse aus der auf Entsolidarisierung und Deregulierung der Arbeits- und Sozialverhältnisse gerichteten Politik von Unternehmern und Staat, aus den Bedrohungen für die Menschheit. Die bisherigen Versuche; die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit zu einer tragenden Säule praktischer PDS-Politik und der Zusammenarbeit mit anderen Linken zu machen, sind gescheitert, weshalb neue Wege und Arbeitsprinzipien gefunden werden müssen. Erfahrungen aus begonnenen Ost(West-Gesprächsrunden zwischen Linken aus einer Branche sowie aus dem partei-, branchen- und gewerkschaftsübergreifenden Erfahrungsaustausch sollten genutzt und ausgebaut werden.

* Auf besondere Art und Weise ist Berlin ein „neues“ Bundesland. Deshalb ist die alternative Entwicklung der Stadt als. Lebensraum in den Mittelpunkt zu stellen. Darin sind bezirkliche Fragen eingeschlossen. Hier sind alle Potentiale und Kompetenzen aus Ost und West zusammenzuführen. Gleichzeitig sind die Fraktion im AH und eine stärkere Koordinierung der BVV-Fraktionen gefragt. - Es sollte auch ein direkter Kontakt der Bezirksräte der PDS zu den West-Basisorganisationen bzw. Bezirksverbänden hergestellt werden.

* Insbesondere zu den Fragen der sozialen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen in der Stadt, der Stadt- und Hauptstadtentwicklung, der Ökologie; Verkehrspolitik, Mieten und Wohnen, Olympia, der Berlin-Brandenburg-Problematik sollten vorhandene AG oder neue Projekte von interessierten Mitgliedern, BVV- und AH- Abgeordneten als wirkliche Gesamtberliner Arbeitsgemeinschaften wirksam und öffentlich werden. Es ist notwendig, die vorhandenen unterschiedlichen politischen Interessen und Erwartungen für die Arbeit in den o. g. politischen Zusammenhängen in Ost und West stärker zu berücksichtigen.

* Als Gesamtberliner Partei sieht die Berliner PDS ihre Wurzeln nicht nur im Ostteil mit all den damit verbundenen Erfahrungen, die es aufzuarbeiten gilt, sondern auch in den linken Bewegungen im Westteil der Stadt. Dazu ist eine innerparteiliche Diskussion in Gang zu setzen und öffentlich zu machen.
Einige Vorschläge für konkrete Unterstützung:

* Der Vertrieb und die weitere Profilierung der „Roten Luzie“ als Mitgliederzeitschrift für die Westbezirke sowie der Berliner „PDS-Info“, aber als Zeitschrift für die gesamte Stadt, sind Aufgaben für die Westberliner Basisorganisationen und den Landesvorstand. Bei einem Minimum an Abstimmung ist hier keine Konkurrenz zu befürchten. Dabei sollte die „Rote Luzie“ in starkem Maße auch in den Ostbezirken vertrieben werden.

* Unterstützt werden die Basisorganisationen bzw. Bezirksverbände des Westteils, die die Kraft und auch den Willen zu einem eigenen Bezirksblatt haben. Gleichzeitig sollten sich die Westberliner PDSIer stärker in den Ostberliner PDS-Bezirkszeitungen zu Wort melden.

* Die Organisierung von Veranstaltungen zur Förderung einer neuen Diskussionskultur mit anderen linken und humanistischen Kreisen und Kräften ist in Zusammenarbeit mit den Westberliner Basisorganisationen, den Bezirksverbänden Ost und dem Landesvorstand ist zu beschleunigen. Dazu sind die vier vorhandenen Stützpunkte (LinksTreff Berliner Norden/ Wedding, Kreuzbüro/Kreuzberg, Goltzstraße/Schöneberg, Schönwalder Straße/Spandau) zu nutzen. Beispiel ist die Arbeit im Links Treff Berliner Norden.

* Die Berliner PDS, ihre Bezirks- und Basisorganisationen, IG und AG werden einen größeren Teil ihrer Veranstaltungen in den Westberliner Bezirken durchführen. Vor allem der Landesvorstand und die Fraktion im Abgeordnetenhaus organisieren in den vier Westberliner Stützpunkten regelmäßig thematische Diskussionen.

* Der Demokratische Delegiertenrat muss mehr als Koordinierungsgremium gemeinsamer Arbeit genutzt werden. Das vollständige Diskussionsmaterial liegt seit Oktober letzten Jahres in allen Bezirksorganisationen vor. Es enthält u. a. auch einen Abschnitt mit der Überschrift „Zur Geschichte und Entwicklung der PDS im Westteil der Stadt“. Dieser ist sicherlich nicht nur wichtig zur Einordnung bestimmter aktueller Entwicklungen, sondern auch schon ein Stück geschriebene Geschichte der Berliner PDS.

Zum Abschluss noch zu einer ganz praktischen Aufgabe mit einem sehr schwierigen Hintergrund:

Auf seiner Klausurtagung am 13.12.1993 hat der Berliner Landesvorstand der PDS beschlossen, dass sich der Landesverband Berlin an dem Referendum für die doppelte Staatsbürgerschaft und der Sammlung der benötigten 1 Million Unterschriften beteiligt.

Wir sehen in dieser Initiative einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der politischen Spaltung des Landes in „deutsche Vollbürgerinnen“ und „ausländische Mitbürgerinnen“ minderen Rechts. Die PDS-Fraktion im Berliner AH hatte bereits am 5.6.1991 eine entsprechende parlamentarische Initiative zur Neuregelung des Staatsbürgerschaftsbegriffes im Grundgesetz gestartet.

Wir betrachten den Art. 116 GG, der die Staatsbürgerschaft an Abstammungskriterien bindet, und das geltende Staatsbürgerschaftsrecht, die beide noch auf das völkisch-nationalistische Reichs- und Staatsbürgerschaftsgesetz aus dem Jahr 1913 zurückgehen, als Bastion der Konservativen, die einer modernen Bürgerrechtspolitik zutiefst entgegenstehen und deshalb überwunden werden müssen.

Berlin ist mit 340 000 nichtdeutschen Einwohnern eine der größten multikulturellen Städte in Deutschland.

Mit dem europäischen Binnenmarkt gibt es für alle EG-Ausländer Niederlassungsfreiheit und Zugang zum Arbeitsmarkt. Die türkischen, kurdischen und polnischen Arbeiterinnen und Arbeiter, die den zahlenmäßig größten Anteil stellen, bleiben hiervon ausgenommen. Ein Einbürgerungsgesetz mit einem verbindlichen Rechtsanspruch ist deshalb nicht nur ein Gebot der Stunde, sondern muss auch mit der Gewährung der doppelten Staatsbürgerschaft verbunden sein. Es taucht die Frage auf, ob nicht die „einfache“, also deutsche Staatsbürgerschaft ausreichend sei. Die Aufgabe der türkischen Staatsbürgerschaft z. B. bedeutet, dass die Betroffenen gravierende Einbußen im Erbrecht hinnehmen müssen und nicht mehr frei über ihr Eigentum in der Türkei verfügen können.

Doppelstaatsbürgerschaft heißt also nicht die gleichzeitige aktive Verfügung über beide Staatsangehörigkeiten, sondern es geht darum, dass die Staatsbürgerschaft des Herkunftslandes nicht verloren geht, wenn sich der Lebensmittelpunkt des Einwanderers in ein anderes Land verlagert. Es geht also um ein Stück Rechtssicherheit in Europa. Es ist uns klar; dass die Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts die Problematik der Diskriminierung von Immigrantinnen und Flüchtlingen nicht lösen wird. Gleichwohl stellt die Forderung nach einem verbindlichen Rechtsanspruch auf Einbürgerung einschließlich Gewährung der doppelten Staatsbürgerschaft eine Grundsatzposition der antirassistischen Bewegung dar, die von der PDS stets geteilt wurde. Zugleich finden wir es bedenklich, wenn eine Änderung. des Staatsbürgerschaftsrechts gegen die Zustimmung zur Änderung des Asylrechts „erkauft“ werden soll. Von einigen Erstunterzeichnerinnen des Referendums hätten wir uns einen ähnlich engagierten Einsatz für den Erhalt des Asylrechts gewünscht. Wer sich nun für eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts einsetzt und gleichzeitig der geplanten drastischen Asylrechtseinschränkung zustimmt, der muss sich den Vorwurf des Taktierens gefallen lassen.
 

 

 

1993
www.petra-pau.de

 

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