Die Opfer sind wichtiger als die Täter

Rede auf dem Bundesparteitag der Partei DIE LINKE
Generaldebatte zum Wahlprogramm
Dresden, 14. Juni 2013

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1. 

Engagierter Antifaschismus gehört zum Grundkonsens der LINKEN.
Das versteht sich von selbst und das wird auch so bleiben.
 
Das schließt unsere Solidarität mit Pfarrer König und allen ein, die für ihr antifaschistisches Engagement in Sachsen oder anderswo verfolgt werden.

2. 

Die Debatte um Rechtsextremismus bekam rund um die bislang einmalige Mordserie der Nazis namens NSU eine neue Öffentlichkeit.
 
Aber bevor die NSU-Bande im Jahr 2000 ihr erstes Opfer hinrichtete, gab es bundesweit seit 1990 bereits 105 Todesopfer aus rassistischen Motiven.
 
Sie wurden erschlagen, erschossen, verbrannt. Wir dürfen sie und ihre Angehörigen bei allen aktuellen Schlagzeilen nicht vergessen.

3. 

Nach allen Untersuchungen im Bundestags-Ausschuss, ebenso in Thüringen, Bayern und Sachsen, habe ich zwei Worte gestrichen:
 
Das Wort „Pannen“ und das Wort „Trio“. Das Versagen des Rechtsstaates hatte System. Und die NSU-Mörder agierten in einem Netzwerk.
 
Trotzdem rate ich davon ab, darüber fürs Wahlprogramm Wort-Gefechte zu führen. Es geht ums Wesentliche und das verständlich.

4. 

Im Zentrum des Versagens agierten die Ämter für Verfassungsschutz. Sie haben objektiv Ermittlungen behindert und die Nazi-Szene gestärkt.
 
Auch deshalb fordert die LINKE: Das V-Leute-Unwesen ist sofort zu beenden und der Verfassungsschutz ist als Geheimdienst aufzulösen.

5. 

Das übergreifende Problem heißt Rassismus. Die NSU-Morde waren rassistisch motiviert und die Ermittlungen trugen rassistische Züge.
 
Es ist ein gesellschaftliches Problem, es wird durch die neoliberale Politik befeuert. Deshalb reicht es nicht, die NPD verbieten zu wollen.

6. 

Antifaschismus heute bedeutet, Alternativen für eine solidarische, sozial-ökologische, gerechte und bürgerrechtliche Gesellschaft aufzuzeigen.
 
Dabei liegt die Zukunft nicht im Kontra, sondern im gewinnenden Pro. Die Antifa-Demo ist unverzichtbar, unser „Plan B“ ist weitreichender.

7. 

Auch das gehört zum Thema: Wer Integration auf Benimmregeln für Migranten und Sicherheit für Deutsche reduziert, arbeitet Rassisten zu.
 
Integration bedeutet vor allem Teilhabe, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politisches, bedeutet also auch mehr Demokratie wagen.

8. 

Eine Episode zum Schluss: Ich war jüngst in Köln in der Keupstraße. Dort hatte die NSU-Nazi-Bande 2004 eine Nagelbombe gezündet.
 
Ich traf einen der Hauptgeschädigten. Noch im Herbst 2011 war er von der Polizei als Verdächtiger vorgeladen worden. Er sagte zu mir:
 
„Auch die Polizei kann irren. Das verstehe ich. Aber sie vergaß, dass wir Menschen sind. Das kann ich nicht verwinden.“
 
Mein freundlicher Begleiter in der Keupstraße entließ mich mit der Frage:
 
„Ich lebe seit 40 Jahren hier, als Deutscher. Meine Kinder sind Deutsche, meine Enkel ebenfalls. Sagen sie, Frau Pau: Wo sollen wir denn hin?“
 
Die Täter-Bilder aus dem Münchener Gerichtssaal sind das eine. Die Opfer-Geschichten sagen mehr aus. Das wollte ich uns noch mitgeben.
 

 

 

14.6.2013
www.petra-pau.de

 

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