Gegen den Strich bürsten

Wahlkampf-Abschluss der PDS,
aus der Rede von Petra Pau
Bremen, 20. 05. 2003

1.

Ich habe persönliche Bindungen in und zu Bremen. Deshalb bin ich auch mehrmals im Jahr hier. Heute kommt hinzu, dass in wenigen Tagen gewählt wird. Und deshalb will ich Ihnen gern meine Empfehlung erläutern.

2.

Ich komme aus Berlin. Meiner Stadt wurde ein Buch mit dem Titel: „Hauptstadt von Korruption, Filz und Misswirtschaft“ gewidmet. Darin wird die Politik einer großen Koalition aus CDU und SPD beschrieben. Das Schlimme an dem Buch ist: Es ist unanfechtbar recherchiert und die Folgen dieser Politik des Größenwahns sind unermesslich.

Deshalb meine erste Empfehlung: Zweifeln sie immer, wenn Riesen Projekte heilig gesprochen und zugleich alltägliche Sorgen klein geredet werden. Ich kenne den Streit um den Invest-Brocken Spacepark. und ich kenne die Sozialstatistik Bremens. Deshalb rate ich ihnen: Wählen sie eine Partei, die sich wirklich den sozialen Fragen widmet: PDS!

3.

Sie wählen ihre Landes- und Kommunalpolitiker. Und dennoch will ich ihnen eine kleine, aber wichtige Geschichte aus der Bundespolitik erzählen. Ich bin seit 1998 im Bundestag. In den ersten vier Jahren hatte ich 17x über Militär- und Kriegseinsätze der Bundeswehr abzustimmen. Die PDS im Bundestag hat 17x mit Nein gestimmt. Inzwischen gab es weitere 8 Militär-Debatten. Und es gab 6 Abstimmungen. Wieder war nur die PDS im Bundestag konsequent.

Als es gegen den Irak-Krieg der USA ging, da war Bremen friedensbewegt. Das Land Bremen war aber auch kriegsbeteiligt - durch Waffenexporte und durch logistische Leistungen für das US-Militär. Das ist ein Widerspruch. Die große Welt-Politik beginnt nun mal im Kleinen, auch in Bremen.

Deshalb meine Empfehlung: Die kleinen Parteien sind manchmal die, mit den großen Antworten. Also wählen sie PDS, wenn ihnen der Friede wirklich am Herzen liegt!

4.

Bremen will 2010 „Kultur-Stadt Europas“ werden. Ein gutes, ein ehrgeiziges Ziel, finde ich. Überhaupt finde ich: Eine ehrwürdige und zugleich zukunftsträchtige Stadt - wie Bremen - muss weltoffen und tolerant sein.

Ich sage dies vor einem ganz konkreten Hintergrund. In ihrer Stadt lebt Uche Nduka. Er stammt aus Nigeria. Seit fast zehn Jahren ist er Bremer. Und er ist anerkannt. Davon zeugen Literaturpreise und Fürstreiter, nicht nur an der Uni, wo er forscht und lehrt. Bekannt ist Uche Nduka auch anderswo: Er tourte mit den Brothers Keepers über Land, er ist gefragt auf Kongressen, seine Bücher werden gelesen.

Nun soll Uche Nduka zurück geschickt werden, nach Nigeria. Dort gibt es ethnische Massaker und Kriege ums Öl. Aber das stört Bremens Innensenator nicht. Er kommt von der CDU und heißt Kuno BÖSE. „Nomen est omen“, hieß es in Berlin, wo Böse früher Staatssekretär war. Kurzum, ich empfehle ihnen: Werben Sie für Uche Nduka und meiden Sie Kuno Böse. Sie können beides, indem Sie PDS wählen.

5.

Rund um den 1. Mai hingen in Berlin große Werbe-Plakate. Es gab sie bestimmt auch in Bremen und Bremerhaven. Ihre Botschaft hieß: „Weniger Sozialstaat bringt mehr Jobs!“ Erst dachte ich, das ist von der FDP. Später wurde bekannt: Dahinter stecken auch wichtige Politiker der Grünen und der SPD - unter anderem Wirtschaftsminister Clement. Das Plakat verschwand wieder. Ich bedauere das ausdrücklich, denn es war ein ehrliches Plakat.

„Weniger Sozialstaat bringt mehr Jobs!“, das ist genau die Philosophie der Agenda 2010 von Kanzler Schröder. Und die Agenda 2010 der SPD geht der FDP und der CDU bekanntlich noch nicht weit genug. Wer also ein Signal gegen die Agenda 2010 setzen will, der hat in Bremen nur eine ehrliche Wahl: PDS!

6.

Das DIW, also das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, hat berechnet: Die Agenda 2010 wird keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Im Gegenteil: Sie wird Arbeitsplätze kosten. Der Deutsche Städtetag hat berechnet: Die Agenda 2010 geht zu Lasten der Städte und Kommunen. Sie müssen für die Kosten aufkommen, also auch das finanzschwache Bremen.

Der Slogan „Weniger Sozialstaat bringt mehr Jobs“ taugt also nichts, nicht für Bremen, nicht für Sie. Auch deshalb sollten sie sich für Alternativen entscheiden.

7.

Es war Fürst Bismarck, der Reichskanzler, der vor über 100 Jahren Kranken- und Rentenkassen eingeführt hat. Nicht aus Liebe zu den Werktätigen, sondern aus Angst vor den Sozialdemokraten. Heute bräuchte Bismarck keine Angst mehr vor den Sozialdemokraten haben. Heute wickeln die Sozialdemokraten die Sozialsysteme wieder ab. Wollen Sie „zurück hinter Bismarck“. Ich will es nicht, die PDS will es nicht und Sie sicher auch nicht. Also wählen Sie gut.

8.

Die Solidarsysteme, die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenkassen, hatten einst folgenden Grundgedanken: Gesunde helfen Kranken, Verdienende helfen Arbeitslosen, Reiche helfen Armen. Derweil zahlen Kranke mehr als Gesunde, Arme mehr als Reiche, abhängig Beschäftigte mehr als viele Unternehmer. Das alles mit den bekannten Folgen: Das Staatssäckel und die Sozialkassen sind leer. Und aus dem Solidarprinzip werden Kasko-Versicherungen mit wachsender Selbstbeteiligung.

9.

Jede und jeder weiß: Das Land braucht Reformen. Die Frage ist nur: in welche Richtung: Die PDS bleibt dabei. Wir brauchen endlich wieder eine Vermögenssteuer. Sie wäre gerecht und sie würde auch den Städten zu Gute kommen. Wir brauchen endlich eine Ausbildungsplatzabgabe. Sie würde helfen, Jugendlichen eine Lehre zu verschaffen, anstatt sie in die Ungewissheit zu entlassen. Und wir brauchen endlich mehr Ehrlichkeit in der Politik.

10.

Angela Merkel (CDU) hat erneut gefordert, die Wochenarbeitslosigkeit solle verlängert werden. Und die Damen und Herren von der Wirtschaft und von der FDP wieder holen das so lange, bis es möglichst viele glauben. Dabei wäre die Verlängerung der Arbeitszeit eine klassische Sackgasse: Die Arbeitslosigkeit würde steigen, die Kaufkraft würde sinken, die Sozialsysteme würden weiter bröckeln.

Hilfreich wäre das Gegenteil, eine Triade: Eine kürzere Arbeitszeit, ein öffentlicher Beschäftigungssektor und eine Grundsicherung für alle. Das wäre eine wirkliche, eine mutige Reform. Dazu muss man aber gegen den Strich bürsten. Die PDS ist dazu bereit. Versuchen Sie es auch.
 

 

 

20.5.2003
www.petra-pau.de

 

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