Zurück in die Gesellschaft

PDS Sachsen-Anhalt, Landesparteitag, Magdeburg, 01. 02. 03,
Diskussions-Beitrag Petra Pau, PDS im Bundestag

Ich möchte Euch für drei Gedanken gewinnen und damit meinen Beitrag für euren Parteitag leisten.

1. zu Gera

Ich nehme an, hier im Saal sind so viele unterschiedliche Meinungen zum Geraer Parteitag versammelt, wie es auf dem Parteitag selbst gab und wie es sie innerhalb der PDS gibt. Ich fände es auch falsch und unglaubwürdig, würden wir so tun, als wären wir alle derselben Meinung, als hätte es „Gera“ nicht gegeben, als würde die Wahlniederlage nicht fort wirken. Strategische Differenzen sind nicht ausgeräumt, politische Defizite nicht behoben, Vertrauen nicht neu belebt.

Aber ich sage euch auch meine Grundposition: Ich will nicht zurück - vor Gera, ich will nach vorn, nicht mit internen Querelen, sondern mit politischen Profilen, nicht mit Selbstbeschäftigung, sondern durch Intervention in der Gesellschaft.

2. zum Juni-Parteitag

Nun wurde ich in dieser Woche nahezu in jeder Zeitung zitiert: „Pau fordert Sonder-Parteitag“, schrieben die einen. „Pau kritisiert Zimmer“, die anderen. Den Vogel schoss natürlich die BILD ab: „Rot gegen Rot - Zickenkrieg in der PDS“, hieß es da.

Worum es mir wirklich geht, war bereits vorher im PDS-Magazin „Disput“ zu lesen. Ja, ich bin unzufrieden mit der Arbeit des Vorstandes. Wobei: Jeder nur denkbare Vorstand hätte es nach der Wahlniederlage und nach Gera unglaublich schwerer, als vordem. Das sollte niemand unterschätzen. Schon deshalb weiß ich wohl zu schätzen, was zum Beispiel Harald Werner oder Wolfgang Gehrcke an konzeptioneller und organisatorischer Arbeit für die PDS leisten.

Zugleich treibt mich um, dass die PDS bundespolitisch kaum noch öffentlich vorkommt. Und wer in der Medien-Gesellschaft nicht vorkommt, der verschwindet aus dem allgemeinen Bewusstsein, der existiert nicht mehr. Das ist der Hintergrund, vor dem ich ernsthaft frage, ob der Fahrplan des Vorstandes stimmt. Ob er wirklich geeignet ist, die PDS aus der 4-Prozent-Senke heraus zu führen?

Im März ist ein Frauen-Plenum geplant. Es wird die Öffentlichkeit kaum interessieren, warum auch? Im April und Mai werden Regional-Konferenzen folgen. Auch sie sind medial und für die Gesellschaft belanglos. Im Oktober werden wir - hoffentlich - ein neues, modernes, sozialistisches Partei-Programm verabschieden. Aber mal ehrlich: Was ist dabei für die Medien spannend? Derzeit bestenfalls die Frage: Wer setzt sich gegen wen durch?

Kurzum: Fast alles, was die PDS 2003 bundes-politisch plant, hat viel mit Innereien und wenig mit dem wahren Leben zu tun. Deshalb habe ich schon vor Wochen vorgeschlagen, im Juni einen Parteitag durchzuführen, keinen Sonder-Parteitag, sondern eine Arbeits-Tagung, keine Wachbuch-Querelen, sondern Politik.

Auch das Thema - Leitlinien der PDS zu Europa - ist nicht aus der Luft gegriffen: Im Juni legt der EU-Konvent den Entwurf für eine Verfassung vor. Dazu müssen wir eine Meinung haben. Allemal, da wir seit Jahren dazu Volksabstimmungen fordern. Die EU-Ost-Erweiterung schreitet voran. Sie tangiert gerade auch die neuen Bundesländer. Es gibt außen- und sicherheitspolitische Entwicklungen, die uns fordern. Weitere Stichworte sind „Agrar-Politik“, „Asyl-Politik“, „Steuer-Politik“, usw., usf..

Bitte, fragt Euch selbst: Was weiß die Öffentlichkeit von unseren EU-Positionen? Was weiß die PDS selber davon? Und wie wollen wir zur EU-Wahl 2004 als Team punkten? Deshalb hatten wir - die BAG „Bürgerrechte und Demokratie“ - schon Mitte Januar dem Parteivorstand vorgeschlagen: Lasst uns einen effektiven Arbeits-Parteitag durchführen, melden wir uns mit einem Sachthema bundespolitisch zurück, wir sollten es wenigstens versuchen!

3. PDS im Bundestag

Die ersten 100 Tage liegen hinter uns. Es waren rasante, alle mal für ein Duo. Ich will es positiv wenden: Noch haben wir vier Beine im Bundestag, zwei Köpfe dazu und je ein Herz links. Wir beide, also Gesine und ich, sind bereit, das Beste draus zu machen - als „PDS im Bundestag“.

In der Bundes-Politik werden derzeit Brocken bewegt. Leider so, dass sie vielen Betroffenen auf die Füße fallen werden. Ich verweise nur auf die Themen: Hartz-Kommission, Gesundheits-Reform, Steuer-Projekte, Euro-Stabilität, Militär-Mandate und anderes.

Wir müssen uns konzentrieren, Mut zur Lücke zeigen. Und wir versuchen zugleich, bundesweit präsent zu sein. Ich sage das auch, weil wir so manche Post aus der eigenen Partei erhalten: „Warum habt ihr nichts zum Thema xyz gesagt?“ Oder: „Wieso ward ihr noch immer nicht in der Basis-Gruppe abc?“

Das geht schlicht nicht. Und ob wir als „PDS im Bundestag“ bundespolitisch agieren können, das hängt auch von der Partei namens PDS ab. Ich will das an zwei Beispielen illustrieren:

a. die Kriegs-Friedens-Frage:

Allein im zurückliegenden Quartal wurde im Bundestag fünf Mal über Bundeswehr-Einsätze und Militär-Optionen abgestimmt. Rot-Grün militarisiert die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland weiter.

Das ist die eine Wahrheit. Aber es gibt auch eine zweite. Die Bundesregierung hat ihr Nein zu einem Irak-Feldzug mehrfach bekräftigt. Wir teilen die Begründung nicht, weil sie taktischer Natur ist. Aber es ist erst mal ein Nein.

In der PDS, beginnend beim Vorstand, wird dies unterschiedlich bewertet. Die einen versuchen Rot-Grün als Kriegstreiber zu entlarven. Die anderen mühen sich, den Friedenswillen der SPD zu stärken. Gesine und ich gehören zu den anderen. Wir wollen nicht Recht haben, sondern Frieden schaffen.

b. zu den Sozialsystemen

Die "Modernisierung" der Sozialsysteme sind erklärtermaßen das zentrale Projekt der rot-grünen Koalition. „Es muss umgebaut werden“, so die allgemeine Botschaft, „radikal“. Das stimmt. Auffällig ist: Kaum jemand spricht dabei noch von Solidarsystemen.

Deren Sinn war übersichtlich: Gesunde helfen Kranken, Erwerbstätige helfen Arbeitslosen, Reiche helfen Armen. Derweil zahlen Kranke mehr als Gesunde, Arme mehr als Reiche, abhängig Beschäftigte mehr als viele Unternehmer.

Das zentrale Projekt der rot-grünen Koalition ist also eine ur-linke Herausforderung. Die PDS muss sie annehmen, wer sonst?! Ein straffes Nein reicht dafür allerdings nicht. Wir können gut Stoppzeichen setzen. Gefragt sind aber Wegweiser - allemal von einer sozialistischen Partei. Und wir müssen wieder lernen, dass sich die Welt nicht nach partei-internen Uhren richtet. Wir müssen uns sputen.

Es mangelt also nicht an politischen Herausforderungen. Gerade deshalb finde ich: Wir brauchen 3 große K - mehr Konzentration, mehr Kommunikation, mehr Kooperation. Nicht nach dem Motto: „gut, dass wir mal drüber geredet haben“, sondern als Aufbruch-Basis und Basis-Aufbruch für mehr Politik.
 

 

 

1.2.2003
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

PDS: Reden & Erklärungen

 

Lesbares

 

Startseite