DeutschlandRadio
1.8.2002 •  12:20

Wird die PDS ohne Gysi langweiliger?

Friedbert Meurer im Gespräch mit Petra Pau, Bundestagsabgeordnete (PDS) und stellvertretende Vorsitzende

Meurer: Ich begrüße nun Petra Pau, PDS-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende. Guten Tag, Frau Pau.

Pau: Guten Tag.

Meurer: Wie enttäuscht sind Sie denn noch über die Entscheidung von Gregor Gysi gestern?

Pau: Hier geht es nicht um Enttäuschung, sondern ich akzeptiere diesen Schritt und ich habe zu akzeptieren, dass Gregor Gysi sagt, er kann sich das selbst am wenigsten verzeihen, dass er diesen Fehler gemacht hat. Am heutigen Tage geht es darum: Wie kommen wir jetzt aus den Startlöchern des Bundestagswahlkampfes und wie können wir das, was den Berlinerinnen und Berlinern nicht nur durch Gregor Gysi, sondern mit der Koalitionsvereinbarung von Rot-Rot in Berlin versprochen wurde einlösen, und darüber beraten wir heute.

Meurer: Wie sehr hat Gregor Gysi mit seinem Verhalten der Partei geschadet?

Pau: Hier geht es nicht um Schaden oder um Nutzen. Ich kann das im Moment auch gar nicht einschätzen...

Meurer: Das werden sich doch aber viele Parteifreunde jetzt fragen, ob das nicht negative Folgen für die PDS hat?

Pau: Die erste Frage ist, ob es negative Folgen hat, dass Gregor Gysi einen Fehler gemacht hat und die andere Fragen ist, ob das was er als Konsequenz gemacht hat, negative oder positive Folgen hat, da kann ich heute überhaupt noch nicht abschätzten, wie die Wählerinnen und Wähler darauf reagieren, aber auch, wie sich das in der PDS insgesamt auswirkt. Ich finde, Gregor Gysi hat nicht nur in den vergangenen 12 Jahren eine sehr hohe Messlatte an Moral und auch an persönlicher Integrität vorgelegt, sondern letztendlich auch mit diesem Entschluss gestern auch konsequent gezeigt.

Meurer: Was sagen Sie denn zu der Vermutung, dass Gregor Gysi die Bonusmeilengeschichte sozusagen als Anlass genommen hat, er in Wahrheit aber amtsmüde und vielleicht auch politikmüde gewesen ist?

Pau: Das ist schlicht gequirlter Unsinn, und wenn ich dann höre, dass ausgerechnet Günter Rexrodt solchen Unfug erzählt, der sich, als klar war, dass er in Berlin keinen Senatorensessel abbekommt, sofort wieder in den Bundestag zurückgezogen hat, dann sage ich einfach mal: Das sind schlechte Verlierer.

Meurer: Denken Sie, Gysi wird im Wahlkampf zur Verfügung stehen?

Pau: Er wird in einer anderen Rolle zur Verfügung stehen. Natürlich wird Gregor Gysi nicht auf den Kundgebungen der PDS die Hauptwahlkampfreden halten und er wird auch nicht in den Veranstaltungen, wo es um die Wirtschaftspolitik der PDS geht, als Wirtschaftssenator von Berlin auftreten. Das werden die Kandidatinnen und Kandidaten, die in den Ländern beziehungsweise im Spitzenteam aufgestellt sind, selbst tun müssen. Aber ich gehe davon aus - und so habe ich ihn gestern auch in unserem Gespräch verstanden -, dass er natürlich weiß, dass der Rücktritt das eine ist und das Gespräch, zum Beispiel mit seinen Wählerinnen und Wählern in Marzahn-Hellersdorf, die ihn mehrfach direkt in den Bundestag gewählt haben und auch in das Berliner Abgeordnetenhaus, das andere, und das es da auch weiteren Gesprächsbedarf gibt, und dafür steht er zur Verfügung.

Meurer: Wie denken Sie denn über die Bonusmeilen-Geschichte? Gysi hat ja eingeräumt, dass er dienstlich erworbene Bonusmeilen privat genutzt hat.

Pau: Es war ein Fehler, das habe ich schon gesagt, und das hatte er auch eingeräumt. Das gilt übrigens für jeden, der das getan hat. Allerdings kann ich im Moment auch mit der Art und Weise, wie diese Geschichte öffentlich gehandelt wird, immer schwerer umgehen. Das hat ja schon etwas von Kopfgeldjagd: Jeden Tag drei Abgeordnete in einer Zeitung mit großen Buchstaben zu veröffentlichen, aber den Abgeordneten selbst keinen Einblick in die entsprechenden Konten zu gewähren. Dazu kommt, dass ich überhaupt nicht verstehen kann, wie sich das große Unternehmen Lufthansa nicht in der Lage sieht, mit der Verwaltung des Bundstages einen ordentlichen Abrechnungsmodus zu vereinbaren. Das heißt, hier wird offensichtlich auch durch das Hinzerren der Kampagne und der Aufklärung des Ganzen, der größere politische Skandal, der aufgeklärt werden muss, wie die Hunzinger-Affäre eher aus der Öffentlichkeit gedrängt. Das macht mir auch ein bisschen Sorge, denn wir haben noch mehr Gesprächsbedarf zu gesellschaftlichen Veränderungen in der Bundesrepublik als die Frage, wer hier offensichtlich Spesen nicht ordentlich abgerechnet hat.

Meurer: Um so mehr kurz noch die Frage: Wird die PDS ohne Gysi langweiliger?

Pau: Erst einmal ist Gregor Gysi weder aus dem Leben noch aus der Partei geschieden, das heißt, er steht auch in der Partei weiter zur Verfügung, und die PDS ist mit Gregor Gysi in den vergangenen Jahren eine bunte und aufregende Truppe gewesen, und sie wird das auch in den nächsten Jahren sein. Was diejenigen betrifft, die das Privileg haben, aber auch die Aufgabe, für die PDS nicht nur ihren Kopf, sondern ihre Gedanken in die Öffentlichkeit zu drängen, da finde ich, sind wir nicht langweilig sondern vielfältig und ergänzen uns.

Meurer: Das war die stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende, Petra Pau. Besten Dank und auf Wiederhören nach Berlin.

(Aufgeschrieben von DeutschlandRadio)

 

 

2.8.2002
www.petra-pau.de

 

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