Lauloser Lauschangriff und unsichtbare Rasterfahndung

Die wöchentliche Kolumne in www.pds2002.de/magazin
09. April 2002 // von Petra Pau

Im Juni 1998 demonstrierten rund 100.000 durch die Berliner Innenstadt. „Aufstehen für eine andere Republik“ hieß das Motto, das von der „Erfurter Initiative“ gesetzt wurde. Es ging vor der damaligen Bundestagswahl um einen Politikwechsel in Deutschland. Und viele hofften dabei auf Rot-Grün. Im Mittelpunkt dieser außerparlamentarischen Begehren stand der Wunsch, ja die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit, aber mit gutem Recht auch die Erwartung auf mehr Demokratie und mehr Bürgerrechte.

Nun wird allseits resümiert. „Vier Jahre Regierung unter sozialdemokratischer Führung haben sich für die Menschen in Deutschland gelohnt. Unser Land ist wirtschaftlich robuster, moderner, sozial gerechter und weltoffener geworden.“ Das schrieb Bundeskanzler Schröder jüngst seinen SPD-Mitgliedern ins Stammbuch. Ob sie es glauben? Ich weiß es nicht.

Die Hinterlassenschaft von Bundes-Innenminister Schily jedenfalls ist alles andere als modern und weltoffen. Gewiss, eine doppelte Staatsbürgerschaft oder die gleichgeschlechtliche Ehe waren wichtige Reförmchen. Aber sie können den Flurschaden nicht aufwiegen, der durch das Einwanderungsgesetz, ein verkorkstes NPD-Verbots-Verfahren und insbesondere durch die Anti-Terror-Gesetze angerichtet wurde. Und Bündnis 90/Die Grünen gaben zu alldem ihren Segen!

Was Wunder, wenn sich Bürgerrechtler aus DDR-Endzeiten - wie Wolfgang Ullmann, Hans-Jochen Tschiche, Irena Kukutz oder Reinhard Schult - erneut zu Wort meldeten. In der Berliner Zeitung appellierten sie: „Reden wir! Über diesen Krieg, über Gerechtigkeit in Deutschland und der Welt und über Rechtsstaatlichkeit, die uns zwischen den Fingern zu zerrinnen droht! Wir haben 1989 gelernt, dass es Sinn hat zu widersprechen.“ Sie haben Recht, denn nach vier Jahren Rot-Grün ist die Bundesrepublik Deutschland nicht besser, sondern schlechter verfasst als vordem.

Professor Dieter Narr (FU Berlin) wunderte sich, warum „die übergroße Mehrheit der Bevölkerung, von den eingeschüchterten Ausländern nicht zu reden, auf diesen Abbau der Sicherheit der Grund- und Menschenrechte nicht reagiert“. Eine mögliche Antwort hat die Frankfurter Rundschau parat: „Man kann Rasterfahndung nicht sehen. Man hört Lauschangriffe nicht. Und keiner riecht, wo gerade geschnüffelt wird. Nichts von den Dutzenden Verschärfungen, die die Regierenden in den vergangenen Monaten in ihre 'Sicherheits'-Gesetze geschrieben haben, ist für den braven Bürgern auf den ersten Blick zu erkennen.“ Vor Ostern führte die PDS in Sachsen-Anhalt und danach in Mecklenburg-Vorpommern je eine Konferenz zum Thema „Sicherheit“ durch. Es ging um innenpolitische Alternativen aus sozialistischer Perspektive. Der Nordkurier zitierte mich aus der Neubrandenburger Tagung sinngemäß so: Die PDS habe Probleme, Freiheit und Sicherheit in Übereinstimmung zu bringen. Er hatte also nichts begriffen. Weshalb ich hier gern noch mal die entsprechende Passage aus meiner Rede einfüge. Sie ist übrigens auch unter www.petrapau.de zu lesen: „Zur aktuellen Sicherheits-Debatte sagte Gerhard Schröder - Zitat: 'Nach unserem Verständnis von Kultur und Offenheit sind Freiheit und Sicherheit kein Gegensatz. Wir verstehen Sicherheit als Bürgerrecht.' Das klingt wohltuend und gut. Es hat nur einen Haken. Der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende hat mit seinen Worten den Boden und den Geist des Grundgesetzes verlassen. Denn im Grundgesetz ist aus nachvollziehbaren Gründen eben kein Grund- oder Bürgerrecht auf Sicherheit verankert... Es gibt einen Konflikt zwischen Sicherheit und Freiheit. Und dieser Konflikt lässt sich nicht einfach per Wortspiel auflösen. Jedenfalls nicht, ohne Bürger- und Freiheitsrechte preiszugeben. Es geht immer um eine Abwägung, und die will wohl begründet sein.“

Nicht die PDS hat also, wie der Nordkurier mutmaßte, das Problem, Sicherheit und Freiheit in eine gute Waage zu bringen. Wir haben im Bundestag klar Nein gesagt, als die harmlos klingenden „Otto“-Pakete beschlossen wurden, und nicht nur da. Rot-Grün hat alles Augenmaß verloren und wurde dabei nur noch von CDU/CSU übertroffen, die alles gern noch ein Stück schärfer und repressiver gefasst hätten. Deshalb bleibe ich dabei: Die PDS wird ihr Profil als moderne, sozialistische Bürgerrechtspartei noch weiter schärfen, müssen. Ein Weg, der gut, richtig und wichtig ist.
 

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