Rede auf der 2. Tagung des 7. Bundesparteitages der PDS am 6. Oktober 2001 in Dresden

(1) öffentliche Sicherheit

Gelegentlich werde ich gefragt, warum ich von öffentlicher Sicherheit und nicht von innerer Sicherheit spreche?

Die erste Antwort ist simpel:
Damit ich gefragt werde, warum ich von öffentlicher Sicherheit und nicht von innerer Sicherheit spreche!

Die zweite Antwort ist wesentlich:
Es geht nicht um das Innere des Staates, es geht um Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, notfalls auch gegen Begehrlichkeiten des Staates.

Und drittens umfasst Politik für öffentliche Sicherheit viel mehr, als gemeinhin unter der Überschrift „innere Sicherheit“ verstanden und getan wird.

Das unterscheidet uns von law-and-order-Parteien, und das ist - um ein geflügeltes Berliner Wort zu nehmen - gut so!

(2) Sicherheits-Kompetenz

Und weil das ist, möchte ich auch mit einem Vorurteil aufräumen, das zuweilen wie Kau-Gummi am Kino-Sitz klebt.

Nämlich dass Linke fürs Soziale zuständig seien, während Rechte oder Konservative in Sachen Sicherheit kompetent wären.

Ein Doppel-Fehler, finde ich. Denn erstens sind soziale Sicherheit und öffentliche Sicherheit zwei Seiten ein und derselben Medaille. Und zweitens ist es so weit nicht her mit der Sicherheits-Kompetenz der konservativen Parteien, egal ob sie nun CDU oder CSU heißen.

Ganz im Gegenteil:
(Wer es ernst meint, mit der öffentlichen Sicherheit, der darf „öffentlich“ nicht gegen „sicher“ stellen.)

(3) Video-Überwachung>

Nehmen wir nur zwei aktuelle Vorschläge, der CDU/ CSU.

Noch mehr öffentliche Plätze sollen video-überwacht werden und die Bundeswehr soll im Innern Polizeiaufgaben übernehmen.

Da staunt der Fachmann und selbst der Laie fragt sich verwundert, wie dadurch Terrorakte a lá New York und Washington verhindert werden können.

(CDU und CSU geben darauf keine Antworten. Sie haben keine. Sie täuschen Sicherheit vor und beschneiden zugleich Bürgerrechte. Das ist Null-, schlimmer: Minus-Pol

Burkhard Hirsch, einer der übrig gebliebenen Liberalen in der FDP, sagte dieser Tage.
„Wenn sie jetzt die Bundeswehr rufen, weil die Polizei beim Objektschutz Schwierigkeiten hat, schaffen sie Strukturen, die später für ganz andere Zwecke verwendet werden können.“
(Hirsch nannte einen Bundeswehr-Einsatz als Streikbrecher, wie von Gewerkschaftern befürchtet.)

Ich unterstelle das der CDU-Vorsitzenden, Frau Merkel, nicht. Aber ich rate ihr dringend, sich Berater zu suchen, die Ahnung haben.
(Zur Zeit erzählt sie Zeugs, dass alle Fachleute schaudern lässt.)

(4) Bürgerrechte wahren

Gerne wiederhole ich, was die BAG „Bürgerrechte und Demokratie“ der PDS diese Woche erneut betont hat:
„Die Feinde der Demokratie bekämpft man nicht mit dem Abbau der Demokratie...“

Und ich kann euch, auch als Fazit vieler Beratungen und Abstimmungen mit den Innen- und Rechtspolitikerinnen und -politiker auf Bundes- und Landesebene sagen: Das ist die durchgängige PDS-Position, und dabei muss es bleiben!

(5) Flugwesen

(Auch wir haben allen Anlass, nachzudenken. Wir dürfen und wollen nicht denselben Fehler machen, den wir zu Recht CDU und CSU vorwerfen. Nämlich mit alten Gewissheiten und noch älteren Ladenhütern auf neue Fragen zu antworten.)

Natürlich ist es vernünftig, die Kontrollen im Flugwesen zu verbessern. Ich plädieren jedenfalls dafür.

(Und ich meine auch, dass wir ernst nehmen müssen, was mit den Terror-Anschlägen demonstriert wurde:
Die sogenannte Zivilisation ist mit ihren eigenen Errungenschaften tödlich verletzbar. Dazu bedarf es keiner speziellen Massenvernichtungs-Waffen. Und so bleibt - nicht nur mit Blick auf die Atom-Meiler - zu fragen: Welche inneren Gefahren ticken, zusätzlich zu den bekannt außen-, militär- und macht-politischen?)

(6)soziale & öffentliche Sicherheit

Auch dabei zeigt der Teufel seinen Hinke-Fuß Aber das Flugwesen ist ein hochsensibles Gebilde.
In diesem alltäglichen Geflecht werden immer mehr Leistungen von Beschäftigten erbracht, die in prekären Verhältnissen arbeiten oder ausgesprochene Billig-Jobs haben.
(Das schafft weder Qualität, noch Engagement, sondern befördert Überlast und Fluktuation. Selbst Leute, die unmittelbar Sicherheit produzieren sollen, werden mit Stundenlöhnen von 11 Mark und weniger abgefunden - brutto.)

Das ist nicht nur ein sozialer Skandal, sondern auch ein Sicherheits-Problem.

Deshalb sage ich auch:
Die FDP ist nicht nur deshalb ein Sicherheits-Risiko, weil sie derzeit ihre Abteilung Bürgerrechte entsorgt und in Hamburg mit der Schill-Partei an die Macht will.

Sie ist vor allem ein Sicherheits-Risiko, weil ihr hemmungsloser Wirtschaftskurs nach dem Motto „Privat geht vor Katastrophe“ soziale und öffentliche Sicherheit vernichtet.

(8) Gerechtigkeit und Sicherheit

Spätestens hier wird zudem deutlich, was die sog. innere Sicherheit von öffentlicher Sicherheit unterscheidet.
Öffentliche Sicherheit geht nicht ohne Gerechtigkeit.

Niemand kann ernsthaft behaupten, dass die öffentliche Sicherheit befördert wird, wenn Polizisten oder Feuerwehr-Leute „Ost“ für mehr Arbeit weniger Lohn erhalten, als ihre Kollegen „West“.

Diese Ungerechtigkeit haben aber genau jene Politiker zu verantworten, die nun innenpolitisch hochrüsten.

(9) Rechtsextremismus

Viel ist vom „langem Atem“ zu hören, wenn es darum geht, den Rechtsstaat, die Demokratie und die Zivilisation zu verteidigen.

Vor einem Jahr waren im Bundestag die selben starken Worte zu hören. Es ging um den Rechtsextremismus.

Nun, da der Terrorismus die Schlagzeilen bestimmt, lese ich, dass Rot-Grün 30 Millionen Mark weniger gegen Rechtsextremismus und Rassismus bewilligen will, als vor Jahresfrist.

Ist das Politik für mehr öffentliche Sicherheit?
Nein, das sind untaugliche Austausch-Programme. Mit ernsthafter Politik für mehr öffentliche Sicherheit haben sie nichts zu tun!

(10) Schily / Rot-Grün

Womit ich bei Innenminister Schily wäre und seinen Vorschlägen wäre.
(Leute mit Fantasie erinnern sich: Er war mal bei den Grünen. Leute mit Tiefsinn meinen: Er ist so schnell Innenminister geworden, dass er nicht mal mehr Sozialdemokrat werden konnte. Leute von der CDU/CSU wiederum sagen: „Otto? Find ich gut!“)

(11) Europa

Mir geht es um die konkreten Vorschläge, die auch mit Schily's Namen gehandelt werden, und angeblich mehr Sicherheit bringen.

Vorschlag 1:
Europol soll Exekutiv-Gewalt erhalten

Ich darf daran erinnern:
Europol ist eine weitgehend frei-schwebende EU-Polizei-Behörde. Eine Einrichtung, die es nach rechtsstaatlichen Maßstäben so gar nicht geben dürfte und die - egal, was sie tut - obendrein Immunität genießt.

Deshalb sagen ich NEIN: Keine Exekutiv-Gewalt für Europol.
Und ich sage JA: Die EU muss endlich nach sozialen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen reformiert werden.

Und unter dem Dach einer qualitativ neuen EU muss auch über eine qualitativ neue europäische Polizei nachgedacht werden.

Vorschlag 2:
Die Raster-Fahndung soll EU-weit greifen

Die Raster-Fahndung ist zu recht umstritten ist. Aktuell, weil sie ganze Bevölkerungsgruppen - nur wegen ihrer Herkunft - unter Verdacht stellt.

Grundsätzlich, weil sie darauf zielt, möglichst viele persönlichen Daten zu sammeln und zusammenzuführen, vom Uni-Register über die Kranken-Kassen bis zur Wohnungsgesellschaft, je nach Raster.

Die Gefahr, die damit für Bürgerinnen und Bürger, für ihr Selbstbestimmungsrecht verbunden ist, liegt auf der Hand.

Und sie potenziert sich, wenn man bedenkt, wer EU-weit welche Daten sammeln würde, und über gesammelte Daten verfügen würde, wenn sie denn kreuz und quer flössen. Deshalb sage ich NEIN!

(11) Bank-Geheimnis

Ich sage ja zur Lockerung des Bankgeheimnisses. Denn Wirtschafts-Kriminalität und Terrorismus großen Stils haben immer auch etwas mit unkontrollierbaren Geldströmen zu tun.
Für einen wachsenden Teil der Bevölkerung ist das Bankgeheimnis ohnehin längst aufgehoben: Nämlich für alle Sozialhilfe-Empfänger und ihre nächsten Angehörigen

Was nur belegt: Der Datenschutz wird je nach Begehr und sozialer Stellung zugeteilt oder entzogen. Und die Datenschutzbeauftragten werden bestenfalls angehört, aber nicht gehört. Sie werden prostituiert.

Das ist keine PDS-Position! Und das entspricht auch nicht dem Grundgesetz. Mit öffentlicher Sicherheit hat es schon gar nichts zu tun!

(12) Ängste

Liebe Genossinnen und Genossen
Fragen der öffentlichen Sicherheit haben Konjunktur.
(In Hamburg waren sie wahl-entscheidend. Und in Berlin rangieren sie laut aktuellen Umfragen auf Platz zwei der Sorgen, die Bürgerinnen und Bürger umtreibt.)

Wer dies nicht ernst nimmt, der politisiert am Lebensgefühl der Bürgerinnen und Bürger vorbei

Ich sage aber auch: Wer auf die Ängste partei-politisch draufsattelt, wer zusätzlich Ängste schürt, um untaugliche Ladenhüter vermeintlicher Innenpolitik zu preisen, der spielt mit dem Lebensgefühl der Bürgerinnen und Bürger, und das ist verantwortungslos.

(9) Polizei-Strukturen

Und weil wir schon mal beim Thema „Polizei“ sind:
Die Berliner CDU hat im laufenden Wahlkampf eine Großfläche aufgestellt. Darauf ist ein „Smart“ im Polizei-Look zu sehen, ohne Räder.

Das Bild ist mit der Warnung versehen, ja nicht SPD, Grüne oder PDS zu wählen. Denn dann drohe Stillstand bei der Sicherheit.

Ich finde das Plakat gut, denn es beschreibt die tatsächliche Misere, nicht nur der Berliner Polizei. Denn hätte man statt der Luxus-Limousine eine bezahlbares Auto genommen, dann hätte es auch für die Räder gereicht.

Oder anders gesagt: Hätte die Polizei nicht so einen unbezahlbaren Selbst-Verwaltungs-Kopf, dann gäbe es auch mehr Grün auf den Straßen und mehr Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger.

Das ist unser Ansatz. Und ganz in diesem Sinne hat die Berliner PDS vorgestern für die Hauptstadt ein Konzept vorgestellt, das bezahlbar ist, das mehr öffentliche Sicherheit schafft, und daher allemal besser ist, als das Smart-Gehabe der angeblich kompetenten CDU.

[download] als rtf-Datei

 

 

6.10.2001
www.petrapau.de

 

Seitenanfang

 

PDS: Reden & Erklärungen

 

Lesbares

 

Startseite