„Miteinander Brücken bauen“

Rede von Petra Pau, stellv. PDS-Vorsitzende, PDS-Landesvorsitzende, auf dem Wahlparteitag des 7. Landesparteitag der Berliner PDS am 14. Juli 2001

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Nach wochenlangem Hickhack gibt es nun auch ein Wahl-Datum. Der 21. Oktober war nicht unser Wunsch-Termin. Er widerspricht der Logik eines Übergangs-Senats und er widerspricht dem Anspruch der Berlinerinnen und Berliner nach schnellen Neuwahlen und klaren Verhältnissen. Aber, wie Carola Freundl sagte, der oder die Klügere gibt nach und nun ist es, wie es ist. Die Berliner CDU feiert ihren Alters-Starrsinn als einen „Sieg der Vernunft“. Kulturvoll, wie wir sind, berufe ich mich lieber auf Goethe:

„Der alte Winter in seiner Schwäche, zog sich in raue Berge zurück:

Von dorther sendet er - fliehend nur - ohnmächtige Schauer körnigen Eises in Streifen über die grünende Flur. Aber die Sonne duldet kein Weißes...“.

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Der uns nahe Jugendverband, also [solid:], hat ja ein ähnliches Motto: „Sommer, Sonne, Sozialismus!“ Der Sommer ist da, die Sonne zuweilen auch, nur an Sozialismus fehlt’s noch im Revier. Und dabei bleibe ich. Auch wenn CDU-Junior Steffel mit dem alt-backenden Slogan – „Freiheit oder Sozialismus“ – daher kommt und obendrein damit droht, die PDS würde Berlin mit Enteignungen und Bananen-Entzug überziehen. Freiheit und Sozialismus sind keine Gegensätze, im Gegenteil, sie bedingen einander.

Außerdem kann ich besten Wissens beruhigen. Das Credo der PDS - „Berlin für alle“ - lässt Platz für Süd-Früchte und Ost-Produkte, für Groß-Mütter und Klein-Gärtner, für Links-Anwälte und Teppich-Händler, nur für eines nicht: für eine Neuauflage des Kalten Krieges! Und wenn Herr Steffel nun tönt, die CDU sei die einzige Partei, die zwar einen Fehler, aber flugs einen Neuanfang gemacht habe, mehr sei von ihr nicht zu erwarten, dann hat er Recht: Mehr ist von dieser CDU nicht zu erwarten! Allemal nichts Besseres!

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Es ist der zweite, eigentlich nicht geplante Landesparteitag, in kurzer Folge. Deshalb finde ich, wir sollten uns auch mal selbst loben. Denn es ist schließlich Wochenende. Und es gibt noch Landstriche, da darf man am Wochenende nicht mal Autos waschen. Für die einen ist das Wochenende halt eine entspannende Veränderung. Für andere ist es eine spannende Verlängerung. Für uns ist es auf jeden Fall eine neue Herausforderung. Denn, ob wir es hoch heben oder tief hängen, ob wir Bedenken tragen oder Chancen suchen, mit diesem Wochenende beginnt für uns, beginnt für die Partei des Demokratischen Sozialismus, der Wahlkampf zum Bundestag 2002.

Egal, wie wir aus den vorgezogenen Berliner Neuwahlen hervor gehen, es wird eine bundesweite Weichenstellung sein. Also lasst uns miteinander die Chance ergreifen und gemeinsam alles dafür tun, dass wir gestärkt aus den Oktober-Wahlen hervor gehen! Die PDS mit Gregor und Gregor mit der PDS, und wer da meint, er könne uns auseinander schreiben, der soll sein rotes Wunder erleben.

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Die bundesweite Bedeutung ist nicht hochgestapelt. Sie steht auch nicht gegen die Wahlen zu den Bezirksverordneten-Versammlungen, sondern schließt diese ein. Ich will nur mal daran erinnern, dass Berlin mit Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg-Hohenschönhausen die größten zusammenhängenden und einwohnerreichsten Gebiete der gesamtem Bundesrepublik hat, in denen PDS Bürgermeister walten. Und wir haben mit Kreuzberg-Friedrichshain den ersten Ost-West-Bezirk, der sich aus einer CDU-Umklammerung befreit hat, weil dort PDS, SPD, auch Bündnis-Grüne, fähig waren, nach vorne zu schauen.

Daran wollen wir anknüpfen, auch das lasst uns heute vereinbaren!

Und deshalb will ich auch noch kurz auf einen Wahlkampf-Blödsinn eingehen, den CDU und Bündnis 90/Die Grünen unisono bedienen: Die PDS spreche mitnichten für den „Osten“, klagen beide. Auch wenn wir dort eine 40-%-Partei seien, so bleibe doch eine Mehrheit, die nicht PDS wählt. Bingo! Denn jede Partei ist gemessen an der Bevölkerung und an ihrem Wahlergebnis eine Minderheit. Ulkig wird es nur, wenn sich eine kleine Minderheit darüber beklagt, dass eine konkurrierende Minderheit größer ist. Mit souveränen Verbraucherschutz hat das wenig zu tun, bestenfalls mit kleinmütigem Selbstschutz.

Außerdem:  Wir haben nie den Wettbewerb darum gescheut, wer sich mehr für Ost-Interessen engagiert. Und wir haben auch nie behauptet, wir seien der Osten. Wir sind und bleiben eine gesamtstädtische linke Alternative, in Hellersdorf ebenso wie in Zehlendorf. Und so werden wir auch wahl-kämpfen.

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Schaut land-auf, land-ab in den Bätterwald. Alles was wir als Berliner PDS tun oder lassen, schlägt sich inzwischen bis auf die südlichste Alm und auf die nördlichste Insel nieder. Selbst die Schweizerinnen und Schweizer konnten inzwischen lesen, wer Almuth Nehring-Venus ist - nämlich die Wahlkampf-Leiterin der Berliner PDS. Womit die PDS übrigens auch die einzige Berliner Partei ist, deren Wahlkampf von einer Frau geleitet wird – und das ist gut so!

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Apropos Frauen: Von der Berliner CDU haben wir ja inzwischen gelernt, sie habe eine „neue Kraft“ und die „neue Kraft“ hat eine Frau. Die wiederum hat eine wunderschöne Küche und – so die CDU-Werbung – die Frau fühlt sich wohl darinnen. Und wir haben von der „neuen Kraft“ gehört: Mit der bisherigen Politik habe er nichts zu tun, Politik sei für ihn nur Hobby gewesen. Jetzt aber, sagt die „neue Kraft“, sei Schluss mit lustig. Das sagen wir schon lange. Zumal: Zehn Jahre Hobby-Politik haben ihm hunderttausende Mark eingebracht, während die Lobby-Politik seiner CDU zugleich die Stadt ruiniert hat. Das ist die traurige Wahrheit und das lassen wir auch nicht unter den Steffel kehren.

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Bei aller gebotenen Selbstkritik der PDS, wenn es um die Geschichte geht - die zurück liegende Tagung unseres Parteitages hat dazu ja klare Worte gefunden - will ich auch das mal klarstellen: Berlin hat nicht deshalb fertig, weil sich die PDS zu wenig entschuldigt hat, sondern weil ein CDU-geführter Senat zu viel verschuldet hat. Vor diesem Hintergrund hat auch die SPD allen Grund, den Begriff „Neuanfang“ etwas selbst-kritischer zu verwenden. Klar ist: Eine Fortsetzung der Politik der großen Koalition darf es nicht geben und dies wird es mit der PDS auch nicht geben.

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Eines hat der begonnene Wahlkampf allerdings schon erbracht: Endlich wird darüber nachgedacht und diskutiert, was Berlin werden will und was „Hauptstadt“ bedeuten könnte, was sich Berlin leisten kann und was Berlin leisten müsste? Denn diese Fragen sind noch immer nicht beantwortet, obwohl die Mauer vor fast zwölf Jahren fiel, obwohl das Neu-Land Berlin vor fast elf Jahren gebildet wurde, obwohl der Bonn-Berlin-Umzugsbeschluss bald zehn Jahre auf dem Buckel hat.

Bei allem, was seither geleistet oder verbockt wurde, bei allem, was seither gelungen oder misslungen ist, unter dem Strich bleiben Kardinal-Fehler. Der Glaube, mit dem alten, Westberliner Stil, und im wesentlichen mit demselben Westberliner Personal, die neuen, gesamtstädtischen Herausforderungen meistern zu können. Dieser Doppel-Fehler plus Großmanns-Sucht war ruinös. Die Rechnung müssen nun die Berlinerinnen und Berliner begleichen.

Deshalb sage ich auch: Wer will, dass zusammen wächst, was zusammen gehört, der muss raus aus alten Denkweisen, der muss raus aus alten Strukturen, der muss neu anfangen, mit neuen Konzepten und neuen Köpfen. Und dazu wollen wir unseren Beitrag leisten. Wir wollen nachwirkende Vorbehalte abbauen, wir wollen gesamtstädtisch zusammen führen, wir wollen keine (O-Ton CDU) „Schlacht um Berlin“, sondern eine sozial-gerechte Politik für Berlin!

Deshalb meine ich, zuerst sollte sich Berlin das vornehmen, was keine andere deutsche Stadt und was kein anderes Bundesland so leisten kann: Nämlich das „Pilotprojekt deutsche Einheit“ zu werden. Was nicht nur, aber auch mit der PDS zu tun hat. Denn wenn in der Ost-West-Stadt Berlin PDS-Stimmen endlich nicht mehr a priori als zweitrangig abgetan werden können, dann ist das ein politisches Signal für die gesamte Bundesrepublik.

Zum zweiten sollte die Hauptstadt das werden, was sie wirklich ausmacht: Nicht ein machtvoller Sitz von Bundesregierung und Bundestag mit Schlossfassaden und Tempel-Bauten. Sondern eine Heimstatt für Kultur, Bildung und Wissen, für Weltoffenheit und Toleranz, ein liebenswerter Ort für verschiedene Lebensweisen, auch für Einwandernde und Schutzsuchende.

Übrigens gehören militärische Gelöbnisse für uns nicht dazu, Berlin sollte sich lieber als „Stadt des Friedens“ profilieren.

Ein Bürger-Forum aber bleibt auf der Spree-Insel mit seinem Schloss-Platz zu gestalten, und zwar unter Einbeziehung des Palastes der Republik.

Und drittens bitte ich Euch, die nahe Zukunft mit in den Blick zu nehmen.

Die Ost-Erweiterung der Europäischen Union steht bevor. Und damit rückt Berlin vom östlichen Rand des Westens in die Mitte Europas. Spätestens dann muss sich erweisen, ob Berlin in der Lage ist, innere, aber auch äußere Brücken zu bauen. Auch das hat eine bundes-politische Dimension. Und auch aus dieser Sicht ist es keineswegs nachrangig, welchen Stellenwert die PDS, welchen Stellenwert unsere Vorstellungen von einem sozialen, demokratischen, friedfertigen Europa haben.

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Weil das so ist, haben wir uns auch im Bundesvorstand sehr ausführlich über die Berliner Krise und die anstehenden Wahlen verständigt. Und es ist beschlossen, dass die Berliner PDS jede Unterstützung erhält, die machbar und sinnvoll ist. Die PDS in Sachsen-Anhalt hat signalisiert, unsere zugesagte Unterstützung für den Wahlkampf in Niedersachsen zu übernehmen. Und auch andere Landesverbände haben Berlin-Hilfe zugesagt. Kein „Not-Opfer“, wie bei der CDU, sondern „sozial und solidarisch“, wie bei der PDS üblich. Und dafür sage ich vorab: Vielen Dank, Genossinnen und Genossen!

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Wir brauchen keinen Parteitag mit buntem Konfetti-Regen, wir brauchen auch keinen Parteitag, mit geschönten Kanzler-Reden, wir brauchen einen Parteitag, der unterstreicht: Die Partei des Demokratischen Sozialismus ist gewappnet - programmatisch und personell. Und wir sind obendrein entschlossen, die Chance für einen Berliner Neuanfang zu ergreifen! Das sollte das Wochenend-Signal sein, hier, von unserem Parteitag, und morgen von unserem offiziellen Wahlauftakt vor dem Roten Rathaus.
 

 

 

14.7.2001
www.petra-pau.de

 

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