DIE LINKE und die SED

Frau Pau,

seit wann sind Sie schon Mitglied bei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, nun Die Linke, und hatten Sie sich bei Ihrem Beitritt innerhalb der Parteigruppe oder auf einem Parteitag/Kongreß schon solch einen Standpunkt wie Sie ihn heute innerhalb der Linkspartei vertreten?

Viele SED-Mitglieder wechselten doch nur das Parteibuch und blieben bis heute in der Partei mit geändertem Namen weil sie keine entsprechende politische Heimat besaßen. Hätte man die SED verboten oder hätte sich sich im Dezember 1990 aufgelöst würde man wohl in einer neuen sozialistischen Partei mehr glaubwürdigere Mitglieder/Funktionäre antreffen.

Seit 1990 konnte ich bei meinen Besuchen in Berlin kein ehemaliges SED-Mitglied treffen welches mir auch nur ansatzweise gesagt hätte "Ja, ich war auch innerhalb der SED mit der herrschenden Sozialismus-Meinung im Widerspruch". Wenn Sie damals auch schon den demokratischen Sozialismus innerhalb der SED vertraten, wie waren da die Reaktionen der übrigen Mitglieder und gibt es darüber entsprechende schriftliche Beiträge?

Man kennt ja nur die offiziellen Parteitagsprotokolle die eigentlich nur positives über die damalige Politik der SED, egal auf welcher Ebene der Gesellschaft, berichten.

Vielen Dank!
Frank Kutz
Bayern
7. Juni 2008

Sehr geehrter Frank Kutz,

genau genommen haben Sie mir ein Dutzend Fragen gestellt. Ich versuche sie kurz und dennoch nachvollziehbar zu beantworten.

Ja, ich war Mitglied der SED und ich habe seinerzeit die DDR verteidigt, also mitnichten ein Konzept des Demokratischen Sozialismus vertreten. Dann kam die Wende. Was „die Wende“ bedeutete, dass können im tiefsten Inneren nur Ossis beurteilen. Jedenfalls ist das meine Erfahrung aus zahllosen Gesprächen.

Für die SED bedeutete sie einen großen Aderlass. Rund 2 Millionen Mitglieder verließen die einstige Staatspartei. Rund 300.000 Mitglieder versuchten mit der PDS einen Neuanfang. Dazu gehörten SED-Mitglieder, die schon seit langem in Opposition waren, aber auch viele, die ihre Haltung gründlich revidierten.

Bei anderen DDR-Parteien ging das übrigens viel einfacher. Die West-CDU vereinnahmte die Ost-CDU nebst Bauern-Partei der DDR. Und die FDP übernahm die NDPD und die LDPD der DDR - alles wie selbstverständlich, alles geräuschlos und alles völlig unkritisch - bis heute.

Die PDS wiederum basierte auf einem Grundkonsens. Dieser bestand aus drei Teilen: erstens der Absage an den Stalinismus als System sowie zweitens an alle Verfehlungen bis Verbrechen, die namens einer sozialistischen Idee begangen wurden, und drittens aus einer Entschuldigung bei den Bürgern der DDR.

Die PDS wurde im Gegensatz zur SED nicht als Weltanschauungspartei, sondern als plurale Linke begründet. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus wurde über Bord geworfen. Stattdessen wurde sie auf basis-demokratische Füße gestellt. Das alles ist in Parteitagsprotokollen nachlesbar.

Meine Grundlehre aus dem Scheitern des Staatssozialismus ist übrigens: Man darf soziale Rechte einerseits sowie Bürger- und individuelle Freiheitsrechte andererseits weder gegeneinander aufrechnen, noch hierarchisieren. Deshalb engagiere ich mich heute besonders für Bürgerrechte und Demokratie.

Und dafür habe ich leider allen Anlass. Die soziale Gerechtigkeit wird immer mehr geschleift. Und zudem fallen Bürger- und individuelle Freiheitsrechte zunehmend hinten runter. Ich empfehle ihnen dazu einen Appell ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, siehe
http://www.freitag.de/2001/52/01520201.php.

Drei Anmerkungen abschließend,

Die erste: Die PDS hatte sich 1990 mit einem komplett neuem Programm und Statut neu verfasst. Trotzdem wird gern kolportiert, die PDS sei die alte SED. Wäre sie aber aufgelöst und stattdessen eine neue Linkspartei gegründet worden, dann wäre damals und heute vom Etikettenschwindel die Rede: Wetten, dass!

Die zweite: DIE LINKE wurde am 16. Juni 2007 auf einem Parteitag in Berlin gegründet. Ihr gehören Mitglieder der PDS an, der WASG, zahlreiche vordem Parteilose und rund 10.000 Bürgerinnen und Bürger, die erst nach der Gründung Mitglied wurden. Trotzdem wird plump von der alten SED gesprochen.

Die dritte: Lesen sie die politischen Angebote der Linkspartei und prüfen Sie, ob sie etwas mit Ihrem Leben zu tun haben. Entscheiden Sie also in der Sache und fallen Sie nicht auf die Wahlkampfmärchen anderer herein. Aber mit diesem Tipp habe ich sicherlich Eulen nach Athen oder Brunos nach Bayern getragen.

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau
10. Juni 2008

 

 

10.6.2008
www.petra-pau.de

 

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