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Die Kuh ohne Futter

13. März 2004
Gastkolumne

 
Die PDS-Politikerin ist seit 2002 Abgeordnete im Deutschen Bundestag.

Dieser Tage flatterte eine Erklärung auf meinen Tisch. Sie war von der Volkssolidarität e.V. und schloss mit dem groben Satz: „Das kann man kaum anders bezeichnen als Rentenklau!“ Ich verstand das gut, doch das hört man nicht gern im Hohen Haus. Also verhandelten wir am Donnerstag offiziell über ein „Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz“. Da einige Restlinke in der rot-grünen Fraktion vorab noch gemosert hatten, wurde dem „Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz“ sogar noch eine „Niveausicherungsklausel“ hinzugefügt. Sie sei eine „rote Warnleuchte“, meinte Ulla Schmidt, die zuständige Ministerin, und blinke, wenn die Rente zu tief rutsche.

Natürlich hat der Sprecher der Volkssolidarität Recht. Die Renten werden eingefroren, belastet, gekürzt. Kein Wunder, wenn sich allerorten Widerstand regt. Hinzu kommt: Es wird gelogen, dass sich die Reichstagskuppel wölbt. Die Widerworte blieben mir vorbehalten: „Sie behaupten: Die Alten müssten einen Beitrag für die Jungen leisten. Die Rentenabsenkung trifft aber beide: Die Alten und die Jungen. Sie behaupten: Die Rentenbeiträge müssten stabil bleiben, unter 20 Prozent. Wer sich aber zusatzversichert, ob bei ›Riester‹ oder anderen, zahlt schon jetzt 22 bis 24 Prozent. Und sie behaupten: Alle müssten den Riemen enger schnallen. Sie meinen aber nicht alle, sondern fast ausschließlich die ohnehin Bedürftigen.“

Nun lässt sich eine richtige Regierung nicht irritieren, nur weil aus der Ecke, hinten-links, opponiert wird. Überhaupt scheinen die Verhältnisse im Bundestag bis auf weiteres geklärt. Bei fast allen großen Entscheidungen steht es 2:4 - zwei PDS-Frauen gegen vier Fraktionen. Das ist bei Kriegseinsätzen so, das ist beim Sozialabbau kaum anders.

Natürlich kann das Renten-System nicht mehr so funktionieren, wie dereinst. Wir sind inzwischen im 21. Jahrhundert. Was aber wie Sauerbier als Reform verkauft wird, erinnert mich sehr an einen sprichwörtlichen Bauern. Der war klamm und wollte daher eine Kuh züchten, die ohne Futter auskommt. Stück für Stück kürzte der Bauer die Ration, bis die Kuh auf Null-Diät war. „Na, klappts?“, fragte neugierig sein Nachbar. „Bestens“, meinte stolz der Bauer, „bis auf eine Kleinigkeit. Die Kuh spielt nicht mehr mit. Sie ist verstorben!“

Genau so kommt mir der rot-grüne Umbau des Sozialstaates vor. Den „Systemen“, wie es politdeutsch heißt, werden zwei lebenswichtige Nährstoffe entzogen: Die Solidarität und die Sozialpflicht der Unternehmen. Übrig bleibt Mager-Kost. Wer mehr braucht, muss zuzahlen oder sehen, wo er bleibt.

Der General-Plan für die großen „Reformen“ ist nicht einmal neu. 1997 hatten die Freistaaten Bayern und Sachsen einen gemeinsamen Zukunftsbericht vorgelegt, unterschrieben von Edmund Stoiber und Kurt Biedenkopf. Die Empörung darob war groß, bei den Gewerkschaften, in Kirchen, bei der SPD und den Grünen. Inzwischen findet sich fast alles, was damals vorgeschlagen wurde, in der „Agenda 2010“ von Kanzler Schröder wieder. Nur das Fazit aus dem CDU/CSU-Papier wird noch unterschlagen, nämlich dass ein Drittel der Bevölkerung - wohl oder übel, aber konsequent - in die Armut entlassen werden müsse.

Seit längerem haben wir es mit Groß-Problemen zu tun: Die anhaltende Massenarbeitslosigkeit, die demografische Entwicklung und eine veränderte Wirtschaftswelt gehören dazu. Das schreit nach neuen Antworten. Nur welche? In Talkshows wird die Demografie so lange bemüht, bis auch der letzte 60-Jährige ein schlechtes Gewissen hat. Die fatale Arbeitslosigkeit indes wird ausgeblendet, so als sei sie pures Schicksal und folgenlos. Die Lohnnebenkosten werden beklagt. Über Alternativen, etwa eine Wertschöpfungsabgabe, redet fast niemand. Dabei wäre sie nahe liegend. Die Sozialleistungen der Unternehmen würden vom Lohn entkoppelt und an den Gewinn angedockt. Wir könnten das Ganze sogar Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz nennen. Es wäre allemal gerechter, solidarisch und modern obendrein.
 

 

 

14.3.2004
www.petra-pau.de

 

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