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„Viele schauen sich nur noch diesen Parteitag an“

Die PDS entscheidet über ihre Zukunft: Die Bundestagsabgeordnete Petra Pau warnt die Linken vor Fundamentalkritik

Berliner Mogenpost vom 27. Juni 2003

Beim Bundes-Sonderparteitag am Wochenende im Tempodrom steht die PDS am Scheideweg. Wieder droht Streit zwischen Linken und Realpolitikern, auch um die Politik der PDS im rot-roten Senat Berlins. Joachim Fahrun sprach darüber mit der Berliner Bundestagsabgeordneten und Ex-Landeschefin Petra Pau.

Berliner Morgenpost:
Frau Pau, haben Sie Angst, dass die PDS sich beim Parteitag endgültig zerstreitet?

Petra Pau: Ich bin nicht ängstlich. Aber wir haben ein verschenktes Jahr zu konstatieren. Alle Delegierten sollten wissen, dass es nicht um Rückschau geht. Der Parteitag muss Optionen nach vorne öffnen, personell und politisch.

Der designierte Vorsitzende Lothar Bisky hat einen umfangreichen Personalvorschlag vorgelegt. Was passiert, wenn er mit seinem Konzept scheitert?

Ich finde Biskys Vorschlag richtig. Eine Lehre aus der Vergangenheit ist: Wenn es kein Team gibt, das miteinander will und miteinander kann, ist keine ordentliche Politik zu entwickeln. Deshalb ist es richtig, die Auseinandersetzung zu suchen.

Befürchten Sie wieder eine Debatte um den Sinn von rot-roten Regierungen?

Ich hoffe, dass wir Abrechnungen und Schuldzuweisungen überwunden haben. Der Umgang der Bundespartei mit Rot-Rot kann nur besser werden. Der vergangene Vorstand hat viel über Rot-Rot geredet aber ganz selten mit denen, die dort Verantwortung tragen.

Was kann die PDS von Erfahrungen der rot-roten Koalitionen lernen?

Der Streit in der PDS geht darum, ob man sich mit lautem Oppositionsgestus in die Öffentlichkeit drängt, oder ob man den Anspruch erhebt, sowohl in der Opposition als auch in Regierungsverantwortung reale Veränderungen hier und heute durchzusetzen. Wenn man sich mit den Erfahrungen aus den Koalitionen wirklich auseinander setzt, darf man sich auch kritisch zu einzelnen Entscheidungen stellen. Aber man kann nicht alles, was Regierungshandeln ist, als Verrat an sozialistischer Politik verurteilen.

Müssen Sie die Option Opposition nicht überdenken? Bei den Wählern scheinen die Bemühungen der PDS im Senat nicht gut anzukommen.

Wir müssen offensiver umgehen mit dem, was in der Koalition beraten und entschieden wird. Und ich gestehe zu, dass nach außen kaum erkennbar ist, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt und auf welche Weise man die Zumutungen für alle Bevölkerungsgruppen nutzen will, um wieder eigene politische Handlungsspielräume zu bekommen.

Sie haben noch vor kurzem vor den unsozialen Sparlisten einer Ampel-Koalition in Berlin gewarnt. Jetzt beschließt die PDS selber welche.

Wir haben gewarnt vor diffusen Kürzungen mit dem Rasenmäher. Die Berliner PDS hat sich schon zu meiner Zeit als Landesvorsitzende mit Konzepten beschäftigt, wie man Arbeit und Einkommen ohne Lohnausgleich umverteilen kann. Das wurde auch in der eigenen Partei argwöhnisch beobachtet. Aber es waren Vorüberlegungen für heutige Solidarpaktverhandlungen.

In der Bundespolitik sind Sie und Gesine Lötzsch die letzten Mohikanerinnen der PDS. Was bedeutet der Parteitag für Ihre Bundespolitik?

Für den bisherigen Vorstand waren wir Nullnummern. Es gab keine Kooperation. Mit Lothar Bisky haben wir schon über Möglichkeiten der Zusammenarbeit gesprochen.

Mit dem Parteitag muss sich die PDS bundespolitisch zurückmelden. Wenn das nicht gelingt und wir 2006 nicht relevant wieder in den Bundestag einziehen, dann wird es ausgesprochen dünn für die PDS. Viele in der Partei schauen sich nur noch diesen Parteitag an und entscheiden dann, wie sie sich weiter politisch engagieren.
 

 

 

27.6.2003
www.petra-pau.de

 

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