Wo Hass gewinnt, verliert die Menschlichkeit

Gedenkveranstaltung zum Völkermord an den Armeniern 1915/16
auf Einladung des Botschafters S.E. Ashot Smbatyan
Rede von Petra Pau, MdB
Berlin, Rotes Rathaus, 24. April 2018

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Im Deutschen Bundestag wird alljährlich am 27. Januar an den Holocaust erinnert und zugleich aller Opfergruppen und Opfer des Faschismus gedacht.

Das sind wir ihnen schuldig, aber nicht nur im Blick zurück in die Geschichte. Sondern, weil das vordem Unvorstellbare dennoch geschehen ist.
Und was einmal geschah, kann wieder geschehen.
Und weil dies nie wieder geschehen darf, deshalb ist die Erinnerung zugleich Mahnung, aktuell und für die Zukunft.

Nun sind dieses Erinnern, dieses Gedenken und diese Mahnung auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht unumstritten, allemal, seit es im Bundestag auch Mitglieder der politischen Rechten gibt.

Es solle eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur geben, wurde gefordert.
Das Holocaust-Denkmal im Herzen Berlins sei ein Mahnmal der Schande, hieß es.
Die Leistungen der Wehrmacht seien besser zu würdigen, wird angeregt.

Ich finde das unsäglich und eine Verhöhnung der Opfer - übrigens auch die des Völkermordes an den Armeniern, 1915/16, denn die Vorläufer der Wehrmacht hatten osmanischen Täter gedeckt und waren zum Teil selbst mordend dabei.

Beides, dass es sich um einen Völkermord handelte und dass Deutschland daran beteiligt war, hat der Bundestag per Beschluss vom 2. Juni 2016 festgehalten.

Die Zahlen schwanken, aber Historiker gehen davon aus, dass allein 1915/16 bis zu 1,5 Millionen Armenier vorsätzlich umgebracht, ermordet wurden.
Und es gab ja auch schon vordem Vertreibungen und Deportationen in den Tod.

Übrigens: Wollte man jeder in diesen zwei Jahren getöteten Armenierin und jedem getöteten Armenier eine Schweigeminute widmen, so würde fast drei Jahre lang Friedhofsruhe herrschen, Totenstille.

Doch soweit ist die Aufarbeitung noch nicht gediegen.
Noch weigert sich die Türkei, den Völkermord als solchen anzuerkennen.
Sie wird es früher oder später tun müssen, der Zukunft wegen.

Aber auch in der Bundesrepublik Deutschland hatte es Jahrzehnte gebraucht. Der Holocaust, dieser einzigartige Völkermord an den Jüdinnen und Juden Europas, wurde bis in die 1970er Jahre nahezu ausgeblendet.

Und erst 1985, 40 Jahre danach, nannte erstmals ein deutscher Bundespräsident den alliierten Sieg über die Wehrmacht und über den Faschismus, diesen 8. Mai 1945, einen „Tag der Befreiung“.

In derselben Rede zog Richard von Weizsäcker eine zentrale Lehre aus dieser schlimmen Geschichte. Er mahnte:
(Zitat)

„Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Haß zu schüren. Die Bitte an die jungen Menschen lautet:

Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß
gegen andere Menschen,
gegen Russen oder Amerikaner,
gegen Juden oder Türken,
gegen Alternative oder Konservative,
gegen Schwarz oder Weiß.

Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.“
(Ende des Zitats)

Diese Mahnung ist heute so aktuell, wie sie 1985 war.
Und ich könnte weitere Völker und Religionen hinzufügen, die derzeit von Hass und Gewalt bedroht werden.

Wo aber Hass und Gewalt obsiegen, verlieren Demokratie und Menschlichkeit - damals wie heute.

Deshalb müssen wir immer wieder an diese Verbrechen des 20. Jahrhunderts erinnern: an den Holocaust ebenso, wie an den Völkermord an Armeniern.

Wie es begann und wie es endete. Damit wir miteinander verhindern wollen, dass so etwas je wieder - wo auch immer - geschehen kann.
 
 

 

 

24.4.2018
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