Lassen Sie sich nicht in Hass treiben ...

Bundestag, 23. Februar 2018, Aktuelle Stunde: „Demokratie und Erinnerungskultur in Deutschland angesichts rechtsextremistischer Angriffe“
Rede von Petra Pau

1. 

Wir brauchen eine ansprechende Erinnerungskultur an die Barbarei der Nazizeit, zeitgemäß und vielfältig - mehr denn je!
 
Einladend, in pädagogisch wertvollen Gedenkstätten des Grauens, alltäglich, durch Stolpersteine und mehr in authentischer Umgebung, denn alles geschah inmitten der Gesellschaft und wurde vom Gros geduldet.
 
Und weil das nie mehr geschehen darf, darf man diese Geschichte nicht verdrängen, nicht leichtfertig, schon gar nicht mutwillig.

2. 

Sie kennen die Zahlen:
 
Im Holocaust wurden sechs Millionen europäische Jüdinnen und Juden umgebracht, nur, weil sie Jüdinnen und Juden waren.
 
Sie wurden erschlagen, erschossen, vergast.
Totalitärer Antisemitismus mündet im Völkermord.
 
Wollte man übrigens jeder und jedem der ermordeten Jüdinnen und Juden eine Gedenkminute widmen, so würden elf Jahre lang Stille herrschen -
Toten-Stille.
 
Das muss nicht sein. Aber wir sollten daran erinnern.

3. 

Historiker haben errechnet, dass unmittelbar am Holocaust, von der Deportation, über die Ermordung, bis zur Entsorgung und Ausweidung der Leichname 500.000 Deutsche direkt beteiligt waren.
Dieses Verbrechen darf man nicht auf ein paar Nazi-Führer reduzieren.
 
Um so mehr rufe ich Imré Kertesz in Erinnerung. Er war Ungar, Schriftsteller, Literatur-Nobellpreisträger, Jude und Holocaust-Überlebender.
 
Imré Kertesz hatte vor zehn Jahren gesagt:
„Vor Auschwitz war Auschwitz unvorstellbar. Heute ist es das nicht mehr. Da Auschwitz in Wirklich passierte, ist es in unsere Fantasie eingedrungen und wurde so ein fester Bestandteil von uns. Was wir uns vorstellen können, weil es in Wirklichkeit passiert ist, das kann wieder passieren.“
 
Seine Mahnung meint uns Nachgeborene - uns alle!
Wir erinnern nicht aus Folklore, sondern aus Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft.

4. 

Zur Nazi-Barbarei gehörte auch der 2. Weltkrieg, um nur ein weiteres Verbrechen zu nennen. Er begann mit dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen und kostete schließlich weltweit über 50 Millionen Menschen das Leben, darunter 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion.
 
Mitglieder meiner Fraktion, DIE LINKE, waren deshalb erst kürzlich in Wolgograd. Die 1943er Schlacht um Stalingrad, wie die Metropole damals hieß, gilt als der Wendepunkt im 2. Weltkrieg und führte schließlich 1945 zum alliierten Sieg über Nazi-Deutschland.
 
Auch diese Erinnerung gehört dazu.

5. 

Richard von Weizsäcker war der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, der diesen 8. Mai 1945 im Deutschen Bundestag als „Tag der Befreiung vom Faschismus“ bezeichnete.
 
Das war 1985. In derselben Rede hatte er zugleich gemahnt:
 
„Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Haß zu schüren. Die Bitte an die jungen Menschen lautet:
 
Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß
gegen andere Menschen,
gegen Russen oder Amerikaner,
gegen Juden oder Türken,
gegen Alternative oder Konservative,
gegen Schwarz oder Weiß.
 
Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.
 
Lassen Sie auch uns als demokratisch gewählte Politiker dies immer wieder beherzigen und ein Beispiel geben.“

 
Auch an diese Rede wollte ich aus aktuellen Anlässen erinnern.
Denn auch das scheint nötiger, denn je!
 
 

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[als Video]

 

 

23.2.2018
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