Für ein modernes, offenes Staatsbürgerschaftsrecht

Bundestag, 12. März 2014, Plenum, Aktuelle Stunde zur „Abschaffung Optionspflicht“
Rede von Petra Pau

1. 

Bei der Optionspflicht geht es um ein Gesetz, das seinerzeit von Rot-Grün eingeführt wurde. Es soll nun wieder abgeschafft werden.
 
Ich darf daran erinnern, dass die Linke schon damals gegen eine Optionspflicht und für eine doppelte Staatsbürgerschaft gestimmt hatte.

2. 

Im Kern geht es darum, dass junge Deutsche vorwiegend mit türkischen Wurzeln zwei Jahrzehnte lang die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft haben.
 
Dann müssen sie sich entscheiden: Entweder für die deutsche und gegen die türkische Staatsbürgerschaft oder andersherum.
 
Übersetzt müssen die jungen Leute zwischen „wir oder ihr“ entscheiden:
ohne Not und würdelos. Das findet DIE LINKE falsch.

3. 

Der politische Konflikt ist übersichtlich. CDU und CSU spiegeln den einen Pol, DIE LINKE den anderen.
 
Die CDU/CSU will eigentlich keine doppelte Staatsbürgerschaft, und wenn doch, dann mit möglichst hohen Hürden.
 
DIE LINKE will grundsätzlich doppelte Staatsbürgerschaften, und die nicht nur mit der Türkei.
 
Die Grundlagen des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts stammen übrigens aus einer Zeit, die nicht im Ansatz verlängert werden sollte.
 
Wir wollen ein offenes Staatsbürgerschaftsrecht und kein ausgrenzendes.

4. 

Der anhaltende Streit dreht sich um Pässe und dazugehörige Rechte. Infrage steht zugleich das gesellschaftliche Klima hierzulande.
 
Ein Beispiel möge das illustrieren. Es ist drastisch und hat Bezug zur Mordserie der NSU-Nazi-Bande. Wir sollten darüber nachdenken.
 
2001 wurde in Hamburg Süleyman Taşköprü hingerichtet.
Aysen Taşköprü ist seine Schwester. 2013 schrieb sie Bundespräsident Joachim Gauck auch diese Zeilen:
 
„Noch im März 2011 konnte ich darüber lachen, als eine Sachbearbeiterin im Rathaus zu meinem Sohn sagte, er sei kein Deutscher. Der Kleine war ganz erstaunt und erklärte ihr sehr ernsthaft, dass er sehr wohl Deutscher sei, er habe schließlich einen deutschen Pass. (...)
 
Heute kann ich nicht mehr darüber lachen. Ich hatte mal ein Leben und eine Heimat. Ich habe kein Leben mehr. (...) Ich habe auch keine Heimat mehr, denn Heimat bedeutet Sicherheit.
 
Seitdem wir wissen, dass mein Bruder ermordet wurde, nur weil er Türke war, haben wir Angst. Was ist das für eine Heimat, in der du erschossen wirst, weil deine Wurzeln woanders waren.“

 
Nun reden wir heute nicht über das NSU-Desaster und natürlich auch nicht über Mord.
 
Wohl aber über eine Heimat, in der man sich wohl und sicher fühlen soll, auch mit fremden Wurzeln. Ein Doppelpass wäre dafür hilfreich.

5. 

CDU/CSU und SPD haben eine Lösung versprochen. Wir warten auf Vorlage derselben. Stattdessen gibt es Zoff.
 
Aktueller Stein des Anstoßes ist eine Bundesratsinitiative zum Thema, getragen von drei Bundesländern, in denen die SPD mitregiert.
 
Das wäre Wortbruch und wider die große Koalition im Bund, schimpfen Unionspolitiker und drohen mit Boykott in der Sache.
 
Ich empfehle Ihnen: Nehmen Sie die Bundesratsvorlage und machen Sie diese - bei allen Mängeln - zum Bundesgesetz. DIE LINKE wäre dabei.

6. 

Und das sei abschließend noch gesagt:
 
Wenn sich Teile der großen Koalition im Bund so groß wähnen,
dass sie Landesregierungen und Landesparlamenten vorschreiben wollen,
was diese im Bundesrat dürfen und was nicht,
dann streichen Sie gleich den Föderalismus aus dem Grundgesetz
und die Demokratie ebenso.
Das wäre zwar grundfalsch, aber konsequent.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

[als Video]

 

 

12.3.2014
www.petra-pau.de

 

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