IM WORTLAUT

DIE FRAKTION IN DEN MEDIEN

Die Betroffenen haben es pappesatt

3. November 2012

Petra Pau, Obfrau für DIE LINKE im Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die NSU-Mordserie aufklären soll, mit einem Ausblick auf die Anhörung am 8. November, über die Selbstenttarnung des NSU, den Frust der Hinterbliebenen derer Opfer, eine dreiste Kampagnge des CSU-Bundesinnnenministers und darüber, wie DIE LINKE den Verfassungsschutz auflösen will

Das Ende der NSU-Nazi-Mord-Bande jährt sich.

Petra Pau
Am 4. November 2011 wurden Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos nach einem Banküberfall in Eisenach gestellt. Übrigens nicht von den vielen Sonderermittlern, sondern von der örtlichen Polizei.

Vor ihrer Verhaftung erschossen sie sich in ihrem Fluchtwohnwagen.

So heißt es.

Das klingt reserviert. Warum?

Wir haben diesen elften NSU-Tatort mit Todesfolge noch nicht untersucht. Aber es gibt auch dort Ungereimtheiten.

Welche zum Beispiel?

Gegen 11.30 Uhr sollen sich die beiden Nazis in Eisenach umgebracht haben. Gegen 15 Uhr zündete Beate Zschäpe ihre gemeinsame Wohnung in Zwickau an. Offenbar war das für den Fall der Fälle so vereinbart worden.

Um Spuren zu verwischen...

...wahrscheinlich. Aber von wem hatte Frau Zschäpe eigentlich erfahren, dass ihre Nazi-Untergrund-Kameraden tot sind?

Was hat sich in diesem Jahr – 2011 bis 2012- grundlegend verändert?

Nichts. Die bestimmende Bundespolitik erkennt nach wie vor nicht an, dass wir in Deutschland ein Rassismus-Problem haben. Die staatliche Unterstützung für Präventions-Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ist weiterhin bremsend. Und die meisten Ermittlungsbehörden beteuern ungetrübt, sie hätten alles richtig gemacht.

Einfach nur dumm gelaufen?

Man denke sich nur mal in die Seelenwelt der Hinterbliebenen hinein. Sie fühlen sich brüskiert und verhöhnt. CSU-Bundesinnenminister Friedrich hat vor kurzem eine so genannte Vermisst-Kampagne gestartet.

Als für die Demokratie vermissst werden darin Muslime, die sich radikalisieren. Eine Botschaft an türkische Mütter oder kurdische Väter.

Postkarten dieser Kampagne wurden auch in der Kölner Keupstraße verteilt, wo 2004 über 20 Menschen, Türken und Kurden, durch einen NSU-Nagelbomben-Anschlag zum Teil schwer verletzt wurden. Die Betroffenen haben es pappesatt. Sie sind Opfer und werden weiterhin wie potentielle Täter agitiert.

Eine dumme Kampagne?

Eine dreiste, die tief blicken lässt. Kürzlich sagte eine deutsche Türkin, sie könne die pauschalen, religiös verbrämten Warnungen vor islamischen Terroristen nicht mehr hören. Warum warne man nicht vor christlichen Nazis?

Am 8. November sind Verantwortliche des MAD, des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr, Zeugen im Untersuchungsausschuss. Was war deren Part?

Wir wissen, dass der Geheimdienst der Bundeswehr durchaus profunde Kenntnisse über die militante Nazi-Szene hatte. Die erste Frage ist daher: Was haben sie damit gemacht? Haben sie die Ermittlungsbehörden unterstützt oder hat auch der MAD sein Wissen streng geheim gehütet?

Weitere Fragen zum MAD?

Das NSU-Nazi-Trio war aus dem faschistischen Thüringer Heimatschutz hervorgegangen. Es gab in den 1990er Jahren eine konzertierte Aktion aller Geheimdienste, um dort V-Leute anzuwerben. Auch Uwe Mundlos war im Gespräch.

Eine lange verleugnete MAD-Akte ist in diesem Frühsommer plötzlich doch noch aufgetaucht. Demnach soll Mundlos abgelehnt haben.

Das klärt aber noch nicht die Frage, ob es weitere Anwerbeversuche gab, von welchem Geheimdienst auch immer.

Die Inlandsgeheimdienste rücken immer mehr in den kritischen Fokus, oder?

Sie waren nicht die Lösung, sondern Teil des NSU-Nazi-Desasters.

Verfassungsschutz auflösen, meinen die einen. Reformieren und stärken, fordern die anderen.

DIE LINKE, die Partei und die Fraktion, sagt klipp und klar: Verfassungsschutz als Geheimdienst auflösen! Wie das politisch Vernünftige auch rechtlich korrekt machbar ist, dazu wird der Arbeitskreis Bürgerrechte und Demokratie der Fraktion im Dezember eine öffentliche Experten-Anhörung anbieten.

Interview: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 3. November 2012

 

 

3.11.2012
www.petra-pau.de

 

Übersicht
Bundestag

 

 

Lesbares

 

Seitenanfang

 

Startseite