Jugend-Debattierwettbewerb

Prag, 26. Februar 2010,
Rede von Petra Pau zum Finale des III. internationalen Wettbewerbs „Jugend debattiert“

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Vorab danke ich allen, den Veranstaltern, den Gastgebern, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des III. internationalen Jugend-Debattier-Wettbewerbs, für die Einladung zum Finale nach Prag. Der Endausscheid hat ein Thema: „Soll der 23. August ein europäischer Gedenktag für die Opfer totalitärer und autoritärer Regime“ sein?

Ich wurde gebeten, mich in der Sache nicht zu äußern. An diese Bitte halte ich mich selbstverständlich - weitgehend. Also nicht ganz! Das Europäische Parlament hat diese Frage mit Mehrheit positiv beantwortet. Wäre ich EU-Parlamentarier und damit abstimmungsberechtigt gewesen, so hätte ich zur Minderheit gehört. Warum, das blende ich jetzt hier aus.

1. Bevor ich herkam, wollte ich wissen: Was hielten eigentlich unsere Klassiker von der deutschen Sprache? Und siehe da: Sie sagten überwiegend Gutes.
So befand Friedrich von Longau (17. Jahrhundert), seinerzeit gerühmt für seine Epigramme und Sinngedichte:

„Kann die deutsche Sprache schnauben, schnarren,
poltern, donnern, krachen,
kann sie doch auch spielen, scherzen,
lieben, kosen, tändeln, lachen.“

Das ist mehr und Besseres, als heutzutage so manche SMS füllt.

Sie alle haben sich der guten deutschen Sprache verschrieben. Dafür danke ich und dazu gratuliere ich Ihnen.

2. Nun wollen Sie ja nicht nur sprachlich glänzen. Sie wollen argumentieren, beeindrucken, überzeugen. Von alters her weiß man: Das ist eine Kunst. Mal wurde sie gelehrt, mal wurde sie verfemt. Aber so langsam gewinnt die Kunst der Rede, endlich erlangt auch die Rhetorik wieder an Bedeutung. Sie werden Ihre Fähigkeiten miteinander messen. Ich betone "miteinander" und sage auch warum.

3. Die Rhetorik hat eine Stiefschwester, die Eristik. Auch ihre Regeln füllen Lehrbücher. Sie bieten Merksätze an, wie man Kontrahenten überrumpeln,
aus dem Konzept bringen oder der Lächerlichkeit Preis geben kann. Der deutsche Philosoph Schopenhauer fasste sogar einmal „38 Kunstgriffe“ zusammen. Die Schrift heißt: „Die Kunst, Recht zu behalten!“

Ich kenne solche Rechthaberei aus dem Deutschen Bundestag und Sie haben sicher schon in Talk-Shows diese Unart erlebt. Sie hat nichts mit Aufklärung und nichts mit Demokratie zu tun. Rechthuberei labt sich im Gegeneinander und erstickt das Miteinander.

4. Ihr Rede-Wettstreit möge fair, spannend und überzeugend sein, für alle Gewinn bringend und somit auch für Sie selbst. Übrigens: Sprache kann nicht nur schön und lebendig sein, sie ist obendrein das Herzstück eines guten Gemeinwesens. Das jedenfalls meinte Konfuzius, und zwar lange bevor Martin Luther sich rund 2000 Jahre später der deutschen Sprache annahm.

Von Luther stammt die goldene Rede-Regel:

„Tritt fest auf! Machs Maul auf! Hör bald auf!“

Von Konfuzius indes ist dieser Gedanke überliefert:

„Wenn die Worte nicht stimmen, dann ist das,
was gesagt wurde, nicht das Gemeinte.
Wenn das, was gesagt wurde, nicht das Gemeinte ist,
dann sind auch die Taten nicht in Ordnung.
Sind die Taten nicht in Ordnung, so verderben die Sitten.
Verderben die Sitten, so wird die Justiz überfordert.
Wird die Justiz überfordert, so weiß das Volk nicht,
wohin es sich wenden soll.
Deshalb achte man darauf, dass die Worte stimmen.
Das ist das wichtigste von allen.“

Gern räume ich ein:
Mir ist die Beweisführung von Konfuzius zu staatstragend. Zumal die Sprache der Justiz selten das Prädikat „gut“ verdient. Aber die Worte mögen fürwahr so klar sein, wie die Gedanken. Das wünsche ich Ihnen allen und damit viel Erfolg.
 

 

 

26.2.2010
www.petra-pau.de

 

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