Aktuelle Notiz: Deutschlands halbe Wahrheiten

von Petra Pau
Berlin, 26. Dezember 2009

1. 

Auslöser war ein Beitrag im TV-Magazin „Frontal 21“. Komprimiert ging es dabei um die RAF, um Berufsverbote und um Post-Schnüffeleien. Alles geschah in der Bundesrepublik-alt, alles ist mit Fragezeichen behaftet und alles gilt noch immer als geheim. Also fragte ich nach.

2. 

Die Bundesregierung räumt in ihrer Antwort ein: Post aus der DDR in die BRD wurde im Westen massenhaft kontolliert und häufig vernichtet. Wie massenhaft, das ließe sich leider nicht mehr ermitteln. Denn die seinerzeit zuständigen Bundesbehörden gäbe es heute nun mal nicht mehr.

3. 

Selbstverständlich, so die Bundesregierung in ihrer Antwort weiter, habe es für diese systematische Schnüffelei (West) eine rechtliche Grundlage gegeben, nämlich die „Interzonenüberwachungsverordnung“, kurz IZÜVO. Sie wurde übrigens erst zum 31. 12. 1991 (!) außer Kraft gesetzt.

4. 

Eine lumpige Verordnung - nicht mal ein Gesetz - reichte also, um das Grundgesetz außer Kraft zu setzen? Nicht für die Absender, sondern für Empfänger, also für Bürgerinnen und Bürger der BRD. Ost-Post brachte sie ins West-Visier. So war das im Kalten Krieg, hüben und drüben.

5. 

Wirklich bemerkenswert an der Antwort ist noch etwas anderes. „Auf Grund des Zeitablaufes und der Auflösung der Dienststellen (...) liegen der Bundesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor.“ Sofern „geheime Erkenntnisse“ archiviert wurden, dann zumeist „unbefristet“, also ewig.

6. 

Ich finde: Die Archive des MfS, auch des KGB, müssen geöffnet bleiben. Aber so lange die der BRD-alt Verschlusssache sind, bleiben alle Schein-Gewissheiten Halb-Wahrheiten. Die überhöhte Moral des Westens ist eine Fiktion. Forsch vorgetragen, aber morsch, wenn es ans Eingemachte geht.

 

 

26.12.2009
www.petra-pau.de

 

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