Pau befürchtet schwindende Solidarität zwischen West und Ost - Linke-Politikern: Umzug des Bundestags nach Berlin war wichtig

ddp-Wortlautinterview
12. April 2009

Berlin (ddp). Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) befürchtet, dass die Solidarität zwischen den neuen und den alten Bundesländern unter den Folgen der Wirtschaftskrise leiden könnte. Pau sagte der Nachrichtenagentur ddp, die „Liebe untereinander“ sei „ohnehin recht unterkühlt“. So seien zwei Drittel der Bürger aus den alten Ländern noch nie in den neuen gewesen: „Für sie liegen Dresden oder Rostock noch immer im fernen Osten.“ Mit Pau sprach ddp-Korrespondent Jörg Säuberlich.

ddp: Wie wichtig war der Umzug des Parlaments von Bonn nach Berlin für das Zusammenwachsen von Ost und West?

Pau: Es war ein symbolisches Signal, dass nach der Einheit nicht einfach alles wie in der Bundesrepublik (alt) bleiben könne. Ein wesentliches Argument für den Umzug war zudem die Hoffnung, dass die Bundespolitik inmitten der einzigen Ost-West-Stadt näher an den realen Problemen sei.

ddp: Sie drücken das so vorsichtig aus - trog die Hoffnung ihrer Meinung nach?

Pau: Aus meiner Sicht als Linke: Ja! Hinzu kommt: Immer wenn der Bundestag etwas beschließt, das misslich wirkt, dann heißt es verkürzt: „Berlin hat beschlossen.“ Ich finde, so ein Negativ-Image hat meine Stadt nicht verdient. Aber der Umzug war trotzdem richtig und wichtig.

ddp: Wie bewerten Sie insgesamt den gegenwärtigen Stand der Einheit?

Pau: Sie stagniert seit langem. Äußerlich hat sich der Osten unglaublich gemausert. Aber innerlich liegt vieles im Argen. So müssen die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern noch immer für weniger Lohn länger arbeiten, als ihre Kolleginnen und Kollegen in den alten Bundesländern. Das und noch andere Ungereimtheiten kann im Jahr 20 der Deutschen Einheit niemand mehr vernünftig erklären.

ddp: Wem werfen Sie das vor, der Politik?

Pau: Auch, aber genauso den Gewerkschaften. Dabei war meine These immer: Geringere Standards im Osten führen früher oder später zu geringeren Standards im Westen.

ddp: Befürchten Sie, dass die Solidarität zwischen den neuen und den alten Bundesländern unter der Wirtschaftskrise leiden könnte?

Pau: Leider Ja. Die Liebe untereinander ist ohnehin recht unterkühlt. Zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger aus den alten Ländern waren noch nie in den neuen. Für sie liegen Dresden oder Rostock noch immer im fernen Osten.

ddp: Wächst also doch nicht zusammen, was zusammen gehört?

Pau: Das Zitat, auf das Sie anspielen, wird ja Willy Brandt unterstellt, quasi als Mutmacher. Das hatte er aber so nie gesagt und auch so nicht gemeint.

ddp: Sondern?

Pau: Das Original-Zitat war eine Mahnung. Im Wortlaut: „Die wirtschaftliche Aufforstung und die soziale Absicherung liegen nicht außerhalb unseres Leistungsvermögens. Die Überbrückung geistig-kultureller Hemmschwellen und seelischer Barrieren mag schwieriger sein. Aber mit Takt und Respekt vor dem Selbstwertgefühl der bisher von uns getrennten Landsleute wird es möglich sein, dass ohne entstellende Narben zusammen wächst, was zusammengehört.“

ddp: Wäre ein Komplettumzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin sinnvoll?

Pau: Ich werbe seit langem für einen Komplettumzug, nicht aber im Wahlkampfjahr 2009. Denn da haben Sachargumente, wie wirtschaftliche Aspekte oder Umweltbedenken, gegenüber regionalen Emotionen wenig Chancen. Man stelle sich mal einen Wahlkämpfer aus Nordrhein-Westfalen vor, der sagt: Ein Komplettumzug wäre vernünftig. Der könnte sofort einpacken.

ddp: Sie sprechen natürlich von den anderen Parteien...

Pau: Nein, Nein, das ist bei der Linken nicht anders.
 

ddp/jsc/stu
 

 

 

12.4.2009
www.petra-pau.de

 

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