Die SPD muss sich von ihren Verrungenschaften emanzipieren

Bundestag, 19. Juni 2008, Antrag FDP zum „Datenschutz“
Rede von Petra Pau

1. 

Wir haben erst vor zwei Wochen hier im Plenum des Bundestages über die Telekom, über LIDL und weitere Datenschutz-Skandale diskutiert. Und wir waren uns - ausgenommen die Unions-Parteien - fraktionsübergreifend einig: Das Datenschutzrecht ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das muss geändert werden.
Dieser Befund trifft vor allem den Bundestag zu. Denn hier wird Recht gesetzt, oder eben nicht. Wenn nicht, dann haben wir es mit einem Versäumnis zu tun, dass sich im wahren Leben negativ auswirken kann. DIE LINKE bleibt daher dabei: Wir brauchen endlich ein Datenschutzrecht, das dem Internet-Zeitalter gerecht wird.
Und wir brauchen Gesetze, die den Datenschutz stärken und nicht schwächen. Deshalb muss auch das Gesetz über die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten vom Tisch. So viel ich weiß, ist es übrigens das erste Mal, dass gleich zwei Vize-Präsidenten des Bundestages gegen ein Gesetz des Bundestages klagen. Jetzt ist es so.

2. 

Nun hat die FDP einen konkreten Antrag zur Diskussion gestellt. Sie will den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich verbessern. Es geht also vor allem um Datenschutz in Unternehmen, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, letztlich aber auch für Kundinnen und Kunden. Diesem Anliegen stimmt die Fraktion DIE LINKE grundsätzlich zu.
Die Grenzen zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Bereichen aber werden immer fließender. Das kritisiert DIE LINKE, die FDP befürwortet dies. Das ist eine grundlegende Differenz. Wir haben uns diese Woche z. B. erneut mit Experten über die Chancen und Gefahren verständigt, die in der geplanten elektronischen Gesundheits-Karte schlummern.
Denn gerade auch im Gesundheitssystem gibt es einen aktuellen Trend, den öffentlichen Bereich zu privatisieren. Und so besteht die Gefahr, dass ganz sensible persönliche Daten zwischen öffentlich und privat hin- und her wechseln und dass der Datenschutz letztlich Vermarktungs-Interessen geopfert wird. Umso mehr brauchen wir strenge Datenschutz-Regeln.

3. 

Die FDP hat nun in 14 Punkten aufgelistet, wo sie Handlungsbedarf sieht. Das reicht vom Schutz erhobener DNA-Daten über die Transparenz bei RFID-Technologien bis zum Schutz von Kundendaten vor Missbrauch. Über all das können wir in den Ausschüssen sachlich und fachlich beraten. Ich signalisiere dafür schon mal eine große Offenheit der Linksfraktion.
Aber ich will dennoch an einen Gemein-Platz erinnern, bei dem sich die FDP und DIE LINKE wahrscheinlich wieder einig sind: Am besten geschützt sind noch immer die Daten, die weder Preis gegeben noch zur Pflicht erhoben werden. Deshalb muss das erste Augenmerk auf die Frage gerichtet bleiben: Wie können Daten-Berge prinzipiell verhindert werden.
Und da hätte ich es gern grundsätzlicher. Das Bundes-Verfassungsgericht hat den Datenschutz mehrfach gestärkt, indem es das Grundgesetz positiv interpretiert hat. Umso dringender wäre es, das Grundgesetz auch explizit auf die Höhe der Zeit zu heben. Ich befürchte nur: Das wird noch immer an der Bürgerrechts-Blockade der Union scheitern.

4. 

Aber zurück zum FDP-Antrag: Er enthält ein gutes Dutzend Forderungen an die Bundesregierung. Die Forderungen teile ich weit gehend. Aber wieso richten sie diese an die Bundesregierung? Sie ist die falsche Adresse. Der Gesetzgeber ist noch immer der Bundestag. Und nach Lage der Dinge kommt bei alledem der SPD eine Schlüssel-Rolle zu.
Die SPD muss sich entscheiden, ob sie im Unions-Korsett verharren will oder nicht. Das ist bei den sozialen Rechten so. Das ist bei den Bürgerrechten nicht anders. Die SPD muss sich endlich von den Verrungenschaften ihres Ex-Kanzlers Schröder und ihres Ex-Innenministers Schily emanzipieren - übrigens auch auf die Grünen.
Weil aber die Dinge in der übergroßen Union-SPD-Koalition so sind, wie sie sind, gebe ich dem FDP-Antrag in dieser Legislatur auch nicht viele Chancen. Das wird DIE LINKE allerdings nicht entmutigen, weiter für mehr Datenschutz zu streiten. Denn Datenschutz ist und bleibt Persönlichkeitsschutz. Das ist die Grundregel und die Messlatte für alle.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

19.6.2008
www.petra-pau.de

 

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