Fünf aktuelle Forderungen im Kampf gegen Rechtsextremismus

Fraktionsvorsitzenden-Konferenz der LINKEN, Berlin, 4. April 2008
Rede von Petra Pau

1. 

Vorwort
 
Die Fraktionsvorsitzenden-Konferenz hat sich zuletzt im Dezember 2006 in Elgersburg mit dem Thema „Rechtsextremismus“ befasst. Das war wichtig. Nun haben wir das Thema erneut auf der Tagesordnung. Allerdings mit zwei Neuerungen. Wir beraten darüber mit DGB-Vorsitzenden-Ost und mit vier Fraktionsvorsitzenden-West. Das ist besser.

2. 

NPD-Verbot
 
Ich will meinem Kurzbeitrag mit einer aktuellen Debatte beginnen - dem NPD-Verbot. Es gibt eine breite gesellschaftliche Stimmung für ein neues Verbotsverfahren. Das belegt auch eine Massenpetition an den Deutschen Bundestag, die ich gemeinsam mit Gesine Lötzsch vor Monaten entgegengenommen habe. Aber die Ausgangslage ist unverändert.
 
Das erste Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht ist an der Praxis der V-Leute aus Bund und Ländern gescheitert. An dieser V-Leute-Praxis hat sich aber bislang nichts geändert. Dass einzige Land, das seine V-Leute abgestellt hat, ist meines Wissens nach Berlin. Bei allen anderen Ländern und im Bund besteht das Verfahrenshindernis fort.
 
Deshalb halte ich es für richtig, wenn wir in einer gemeinsamen Presseerklärung heute erneut fordern, die V-Leute abzuschalten. Ein erster Antrag der Fraktion DIE LINKE hierzu wurde im Bundestag abgelehnt. Wir bereiten derzeit einen modifizierten Antrag mit derselben Zielstellung vor. Zumal vorgestern selbst SPD-Fraktionschef Struck erstmals erklärt hat, dass man die V-Leute in der NPD nicht brauche.
 
Aber die aktuelle Debatte ist widersprüchlicher. Sie beißt sich schon an der Frage, ob die Bundesländer bereit sind, ihre Erkenntnisse über die NPD öffentlich zu machen. Sachsen-Anhalt hat das gestern zugesagt, Thüringen hat es abgelehnt. Deshalb bitte ich bei alledem zu bedenken: Bei der aktuellen Verbotsdebatte ist auch viel künftiger Wahlkampf im Spiel. Wir sollten uns daher nicht auf fremden Spielfeldern verkämpfen.
 
Auf die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Bundestagsfraktion zur Verbots-Frage kann ich gern noch in der Debatte eingehen. Aber Dreierlei ist Konsens: Die Verbotsfrage entscheidet nicht über gute oder schlechte Antifaschisten. Sie ist auch nicht die alles entscheidende und alles lösende Frage. Und ein neues Verfahren ist nur dann erstrebenswert, wenn die NPD höchst wahrscheinlich auch tatsächlich verboten wird.

3. 

Programme gegen Rechtsextremismus
 
Seit unserer Beratung 2006 gab es Veränderungen bei den Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus. Die Union hebt gerne hervor, dass sie auf 23 Millionen Euro aufgestockt wurden. Das stimmt und das ist aus meiner Sicht vor allem der SPD zu verdanken. Auch, dass verhindert wurde, die Mittel gegen Rechtsextremismus zu splitten, um sie zugleich gegen Linksextremisten und Islamisten einzusetzen.
 
Trotzdem gab es einen entscheidenden Rückschritt. DIE LINKE hat im Kampf gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Toleranz immer auf zwei Faktoren gesetzt: Primat muss die Prophylaxe haben und Hauptakteur muss die Zivilgesellschaft sein. Die neue Konzeption aus dem Ministerium von der Leyen setzt auf Feuerwehreinsätze und auf staatliche Strukturen. Das ist ein neues, ein weiteres Problem.
 
In der vorbereiteten Presseerklärung fordern wir, dass die bestehenden Programme finanziell verstetigt werden sollen, durch Bund und Länder. Diese Forderung ist richtig. Aber wir sollten zumindest darüber gesprochen haben, dass das nicht reicht. Das hat übrigens auch eine Anhörung unserer Fraktion mit Akteuren aus den Bundesländern ergeben. Wir brauchen übrigens auch gute Programme für die West-Länder.

4. 

Rex-Statistik
 
Wir fragen Monat für Monat die Bundesregierung, wie viele rechtsextremistische Straf- und Gewalttaten registriert wurden. Das übrigens bereits seit rund 15 Jahren. So verfügen wir über eine Langzeitstatistik, die auch von anderen genutzt wird. Sie kann auf meiner Webseite unter www.petrapau.de eingesehen werden. Zugleich bremse ich: Die Zahlen erhellen bestenfalls einen Trend, aber immerhin.
 
Der Befund seit zwei, drei Jahren besagt: Bundesweit werden im statistischen Schnitt stündlich 2 ½ Straf- und täglich 2 ½ Gewalttaten registriert, die rechtsextremistisch motiviert sind. Entsprechend hoch und höher ist die Zahl der Opfer. Oder anders gesagt: Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind hierzulande längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben, in Ost und West, in Nord und Süd.
 
Würde die Fraktion DIE LINKE im Bundestag nicht penetrant immer wieder diese parlamentarischen Fragen stellen, dann bliebe das alles medial weitgehend unbeachtet. Seit Jahren gibt es dabei eine abgestimmte Zusammenarbeit mit den Landtagsfraktionen-Ost. Meine Bitte ist nun, dass die Landtagsfraktionen-West sich ebenfalls kooperativ diesem Verfahren anschließen. DIE LINKE in Bremen hat damit begonnen.
 
Ich habe angedeutet, dass die staatlichen Zahlen tief stapeln. Dafür gibt es Gründe und deshalb wird sich daran auch nichts ändern. Deshalb fordern wir seit langem eine unabhängige deutsche Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nach EU-Vorbild. Unsere These dürfte einleuchten, hoffe ich: Denn ohne stimmige Analyse kommen wir nicht zu wirksamen Gegenstrategien.
 
Eine solche unabhängige Beobachtungsstelle schien übrigens unter Rot-Grün schon einmal eine beschlossene Sache zu sein. Es gibt sie aber nach wie vor nicht und ich sehe derzeit dafür auch keine Mehrheiten im Bundestag. Ich halte sie dennoch für unverzichtbar. Und vielleicht können die Kolleginnen und Kollegen vom DGB ihre Kontakte zur SPD nutzen, um in diesem Sinne zu werben. Das wäre jedenfalls meine Bitte.

5. 

Ressortübergreifende Strategien
 
Als wir im Dezember 2006 miteinander berieten, waren wir uns einig: Wir kommen nicht weiter, solange der Rechtsextremismus vorwiegend als Thema der Innen- oder Rechtspolitik und abwechselnd als Ost-, Rand- oder Jugendproblem behandelt wird. Wir waren uns damals einig: Wir brauchen eine ressort- und partei-übergreifende Strategie und einen Marathon-Lauf aller Demokraten - also auch breitere Bündnisse.
 
In der Bundestagsfraktion DIE LINKE haben wir daraus eine Konsequenz gezogen. Seit über einem Jahr gibt es eine Querschnitts-Arbeitsgruppe. Abgeordnete und Mitarbeiter aller Ressorts sind zur Mitarbeit eingeladen. Und wir konnten das Thema Rechtsextremismus dadurch auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln debattieren. Zuletzt ging es um die Kommunalpolitik, demnächst geht es um die Bildungspolitik.
 
Die Querschnitts-Arbeitsgruppe der Bundestagsfraktion DIE LINKE ist offen. Wer will, kann mitarbeiten und ist willkommen. Dr. Gerd Wiegel koordiniert sie. Er gibt auch gerne weitere Auskünfte. Ich sage aber auch offen: Der erreichte Stand befriedigt mich mitnichten. Selbst aus der Fraktion heraus wünschte ich mir noch viel mehr ressortübergreifendes Engagement. Aber der Ansatz ist richtig und der Anfang ist gemacht.
 
Damit bin ich aber auch bei einem weiteren Vorschlag. Ich habe ihn jüngst auch auf einer internationalen Antisemitismuskonferenz in Israel erneuert. Wir haben einen Bundesbeauftragten für Menschenrechte. Er ist weltweit tätig. Ich fordere eine Beauftrage des Bundestages für Demokratie und Toleranz, die hierzulande alle Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus aller Ministerien koordiniert.
 
Das wäre allemal sinnvoller, als der wiederkehrende Streit, ob denn das Familienministerium oder das Innenministerium im Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus federführend sein sollte. Ich merke an: Auch dieser Vorschlag hat in der laufenden Legislaturperiode des Bundestages keinerlei Chance auf Erfolg. Aber man sollte den Boden für bessere Zeiten bereiten.

6. 

Erinnerungs-Kultur
 
Ein letztes Thema für heute liegt mir am Herzen. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass die Schwerpunkte in der so genannten Erinnerungs-Kultur radikal verschoben werden sollen. Frei nach dem Motto: Der Nationalsozialismus habe in der Bundesrepublik lange und ausreichend im Focus gestanden, nun müsse man sich endlich und verstärkt der DDR widmen. Das ist absurd.
 
Ich stehe bestimmt nicht in dem Ruf, die DDR heilig zu sprechen. Aber das, was ernsthaft droht, wäre eine erneute Geschichtsklitterung von Staats wegen. Der Zentralrat der Juden und Jüdische Gemeinschaften haben hie und da die Zusammenarbeit bereits aufgekündigt, zum Beispiel in Sachsen. Unabhängig davon: Die Verteufelung der DDR läuft immer auf eine Relativierung des Faschismus und des Holocaust hinaus.
 
Dieser Geschichtsrevisionismus hat übrigens viele Facetten. Das beschlossene "Zentrum gegen Vertreibung" im Berliner "Deutschlandhaus" gehört dazu. Deshalb habe ich mich auch dem alternativen Appell des „Willi-Brandt-Kreises“ für ein „Zentrum gegen Krieg“ angeschlossen. Und umso weniger verstehe ich die Zustimmung der SPD für die CSU-hofierte Vertriebenen-Ausstellung.
 
Abschließend will ich noch mal in fünf Punkten zusammenfassen. Meine konzentrierten Forderungen in den aktuellen politischen Debatten sind:
a) die Abschaltung der V-Leute in der NPD;
b) die Einrichtung eine unabhängigen Beobachtungsstelle;
c) die Verstetigung der Bundesprogramme auf neuem Niveau;
d) eine koordinierende Bundesbeauftragte für Demokratie und Toleranz;
e) keine weitere Geschichtsrevision.
 

 

 

4.4.2008
www.petra-pau.de

 

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