Verbriefte Bürgerrechte schützen

Bundestag, 29. November 2007, Haushalts-Debatte, Innen-Ressort
Rede von Petra Pau

1. 

Mein erstes Thema ist der Rechtsextremismus und der Kampf dagegen. Er ist nach wie vor ein gesellschaftliches Problem, in Ost und West. In einigen Regionen verfestigt er sich, in Ost und West. Er ist eine permanente Gefahr, häufig auch für Leib und Leben. Und er lässt sich nicht auf die Frage reduzieren, ob die NPD erboten werden soll oder nicht.
Die Zahlen bleiben alarmierend: Im bundesdeutschen Schnitt werden jede Stunde 2 ½ rechtsextreme Straftaten registriert. Und täglich werden 2 ½ rechtsextreme Gewalttaten ausgewiesen. Die offiziellen Zahlen stapeln tief. Auch deshalb, weil das Ausmaß rechtsextremer Gewalt noch immer verharmlost wird. Sachsen-Anhalt liefert dafür das aktuelle Beispiel.
Das verschärft das Problem. Denn wenn die Analyse nicht stimmt, dann kann auch die Lösung nicht stimmig sein. Deshalb fordert DIE LINKE eine unabhängige Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nach EU-Vorbild. Und ich bitte alle Fraktionen, denen die Demokratie am Herzen liegt, stimmen sie diesem Vorschlag zu.

2. 

Mein zweites Thema ist die Reform der Bundespolizei. Sie ist aus dem Bundesgrenzschutz hervorgegangen. Und sie steht mit dem Beitritt weiterer Nachbarländer zur EU vor einer Sinnfrage. Die wiederum soll mit einer großen Reform beantwortet werden. Das Bundes-Innenministerium arbeitet eifrig daran - im Verborgenen.
Dienststellen werden aufgelöst, neue geschaffen. Polizistinnen und Polizisten werden versetzt, ohne dass sie erfahren, warum und wozu. Die Gewerkschaften werden übergangen und nicht nur sie. Auch der Bundestag erhält bestenfalls spärliche Informationen, obwohl er als Gesetzgeber zuständig ist. Zugleich werden Tatsachen geschaffen.
Ich halte das für illegal. Ich halte das obendrein für eine grobe Missachtung der Beschäftigten der Bundespolizei und der Abgeordneten des Bundestages. Diese im „Hause Schäuble“ durchaus übliche Praxis darf nicht länger Schule machen. Sie dient mitnichten der Sicherheit. Im Gegenteil: Sie schafft Unsicherheit und sie beschädigt die Demokratie.

3. 

Mein drittes Thema ist der Umgang mit der Verfassung. Bundes-Innenminister Dr. Schäuble wähnt sich dabei fast aus dem Schneider. Er hat im Früh-Sommer sinngemäß verkündet: Das Grundgesetz mit seinen Bürgerrechten sei ein historisches Relikt. Das Grundgesetz sei sogar ein Hemmnis im Kampf gegen den Terrorismus. Das war ein starkes Stück.
Für den Bürger Schäuble fällt eine solche Äußerung in die Kategorie „Meinungsfreiheit“. Für den Verfassungsminister, der seinen Diensteid auf das Grundgesetz geschworen hat, allerdings nicht. Ob Vorrats-Datenspeicherung, ob Online-Untersuchung, ob Abschuss entführter Passagier-Flugzeuge - ich halte das alles für verfassungswidrig.
Und ich kann daher nur dringend an die SPD appellieren, den Unions- Begehren nicht weiter nachzugeben. Sie sind schon Otto Schily viel zu weit gefolgt - übrigens gemeinsam mit den Grünen. Ich finde: Wir sollten verbriefte Bürgerrechte gemeinsam besser schützen.

4. 

Zum Schluss noch ein viertes Thema, die Integration. Es ist unstrittig, dass Menschen, die in der Bundesrepublik leben und mitwirken wollen, der deutschen Sprache mächtig sein müssen. Aber allein die Aufstockung der Mittel für Integrationskurse reicht dafür nicht. Der Kollege Wieland hat ihnen ihren Taschenspielertrick gerade schon vorgerechnet.
Es ist auch unstrittig, dass Menschen, die hier leben, das Grundgesetz achten und sich daran halten sollen. Allerdings ist Integration keine Einbahnstraße. Integration ist mehr und übrigens auch nicht nur eine Frage des Innenressorts. Integration heißt vor allem Teilhabe, heißt soziale und demokratische Teilhabe.
Deshalb bedaure ich sehr, dass wir noch immer kein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger haben. Die Fraktion DIE LINKE hatte es beantragt. Aber die anderen Fraktionen haben unserem Antrag nicht zugestimmt, leider.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

29.11.2007
www.petra-pau.de

 

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