Geheim ist das Gegenteil von Aufklärung und Demokratie

Bundestag, 27. Oktober 2006, Ergänzung des Untersuchungsauftrages des 1. Untersuchungsausschusses Erweiterung Untersuchungsauftrag
Rede von Petra Pau

1. 

Seit einem halben Jahr versucht ein parlamentarischer Ausschuss Licht ins Dunkel zu bringen. Es geht um die Frage, ob auch deutsche Dienste im so genannten Anti-Terrorkampf Menschenrechte verletzt haben. Und wenn Ja: wer wusste davon und wer hat dies politisch zu verantworten?
Salopp ist dabei häufig vom BND-Ausschuss die Rede. Aber es geht nicht nur um den BND, auch nicht nur um Geheimdienste. Sondern um schwere Vorwürfe, wie Kidnapping und Folter, unvereinbar mit dem Rechtsstaat und dem Grundgesetz. Es geht um viele Instanzen der Bundesrepublik Deutschland, von der Gebirgs-Jäger-Kaserne bis zum Bundeskanzleramt.

2. 

Nun befasst sich seit vorgestern ein zweiter Untersuchungsausschuss mit Menschenrechtsverletzungen im Anti-Terrorkampf. Im Focus stehen die KSK und ihr Agieren in Afghanistan. Der Verteidigungsausschuss hat sich dieser Sache angenommen. Die Fraktion DIE LINKE wird sich auch in diesem Ausschuss um größtmögliche Aufklärung bemühen.
Allerdings sollte niemand glauben, zwei Untersuchungsausschüsse würden doppelt so schnell und doppelt so viel aufklären. Es könnte sogar das Gegenteil der Fall sein. Denn der Verteidigungsausschuss tagt geheim und geheim ist nun mal das Gegenteil von transparent.

3. 

Gemessen daran tagt der 1. Untersuchungsausschuss zumindest hinter Milchglasscheiben, also semi-öffentlich. Was nichts daran ändert, dass die Bundesregierung auch hier eine absurde Geheimniskrämerei ins Absolute treibt. Deshalb bereitet mein Kollege Neskovic auch eine Klage gegen die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor.
Ungeachtet dessen geht es heute darum, den Untersuchungsauftrag des ersten Ausschusses zu präzisieren und zu ergänzen. Denn seit dem Frühjahr sind weitere Vorwürfe aufgetaucht, die natürlich ebenfalls zu untersuchen sind. Ich wäre froh, wenn wir sie entkräften könnten. Aber dazu müsste die Regierung endlich aus der Deckung kommen.

4. 

Deshalb begrüße ich die zarten Signale aus der Unions- und aus der SPD-Fraktion, wonach noch in diesem Jahr Frank-Walter Steinmeier - bei Rot-Grün Kanzleramtsminister und nunmehr Außenminister - gehört werden soll. Ebenso gefragt sind natürlich auch der damalige Außenminister, Joseph Fischer, und der damalige Innenminister, Otto Schily.
Zumal sich die nötige Untersuchung nicht nur um die bisher bekannten Fälle „Zamar“ oder "Kurnaz" dreht. Die Bespitzelung von Journalisten, wie im Fall „Cicero“, harrt ebenso der Aufklärung. Die Pressefreiheit ist bedroht, nicht nur nach Einschätzung von „Reporter ohne Grenzen“. Das sollte den Bundestag aufrütteln. Das findet jedenfalls DIE LINKE.

5. 

Nun will ich noch mal auf den Vorwurf zurückkommen, der Bremer Kurnaz sei in Afghanistan von deutschen KSK-Soldaten misshandelt worden. Die Rede ist von Ende 2001, Anfang 2002. Der Verteidigungs-Ausschuss will das untersuchen. Darüber hinaus mahne ich: Es stimmt grundsätzlich etwas nicht, womit ich wieder den Bundestag meine.
Ich habe in den letzten Tagen selbst bei gestandenen und regierungsgläubigen Abgeordneten den Eindruck gewonnen, sie fühlen sich hintergangen. Sie hatten darauf vertraut, dass die KSK ausschließlich im Rahmen von Recht und Gesetz agiert, allemal im Ausland. Und sie stellen nun fest, dass sie viel weniger wissen, als sie eigentlich müssten.

6. 

Das aber liegt an einem Konstruktions-Fehler im parlamentarischen Betrieb. Die KSK ist Teil der Bundeswehr und keine Geheim-Armee. Die Bundeswehr wiederum gilt als Parlaments-Armee. Wenn dem aber so ist, dann müsste logisch auch die KSK vom Bundestag kontrolliert werden.
Genau das aber passiert nicht, weil es nicht gewollt wird. Das Argument, bei der KSK könnte etwas aus dem Ruder gelaufen sein, wendet sich folglich gegen den Bundestag. Und das Problem wird verschlimmert, wenn die Grünen nun einen Geheimausschuss für die KSK fordern. Denn geheim bleibt nun mal das Gegenteil von Aufklärung und Demokratie!
Und deshalb bleibe ich und bleibt die Fraktion DIE LINKE dabei: Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr Transparenz, mehr Demokratie.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

27.10.2006
www.petra-pau.de

 

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