Grundnahrungsmittel sichern - Politik stärken

Bundestag, 6. April 2006, Debatte „Telekom“
Rede von Petra Pau

1. 

Wir reden über geplante Betriebsschließungen, über drohende Entlassungen, über einen weiteren Arbeitsplatzabbau. Überwiegend geht es um ohnehin strukturschwache Regionen. Und von alledem wären Frauen besonders betroffen.
Es geht um Pläne eines Konzerns, der noch vor kurzem ein öffentliches Unternehmen war. Und es geht um ein Unternehmen, bei dem die Bundesregierung noch immer ein Mitspracherecht hat.
Wir reden über die Deutsche Telekom AG. Der Konzern hat satte Gewinne erzielt. Trotzdem will die Konzern-Führung 32.000 Stellen streichen und bundesweit 45 Standorte schließen.
Die Fraktion DIE LINKE ist der Meinung: Das ist ein Fall für den Bundestag. Es ist sogar ein dringender Fall. Und deshalb haben wir einen Antrag gegen die Schließung der 45 Standorte gestellt.

2. 

Die Beschäftigten kämpfen verzweifelt um ihre Arbeitsplätze, um ihre Existenz, um ihre Zukunft. Ich war bereits vor Wochen auf einer Kundgebung der Telecom-Beschäftigten aus Brandenburg und aus Mecklenburg-Vorpommern hier in Berlin.
Aber es geht nicht nur um den Nord-Osten oder um Berlin. Betroffen sind: Lübeck, Flensburg, Stade, Bremerhaven, Heide, Cottbus, Erfurt, Angermünde, Perleberg, Donauwörth, Bamberg, Bayreuth, Hof, Ingolstadt, Landshut, Freising, Erlangen, Deckendorf, Regensburg, Rosenheim, Garmisch-Partenkirchen, Berlin, Aschaffenburg, Braunschweig, Göttingen, Oldenburg, Bad Kreuznach, Darmstadt, Limburg, Hanau, Reutlingen, Kaiserslautern, Offenburg, Weingarten, Calw, Schwäbisch Hall, Duisburg, Iserlohn und Wuppertal.
In den Medien nennt man so was einen „Flächenbrand“. Und ich finde: Die Mitglieder des Bundestages dieser 36 Standorte und die Bundestags-Abgeordneten der betroffenen Regionen, dürfen das nicht einfach hinnehmen. Wir sollten - partei-übergreifend - intervenieren und dafür kämpfen, dass nicht noch mehr Beschäftigte, allemal Frauen, ins berufliche Aus getrieben werden.

3. 

Teil zwei unseres Antrages ist grundsätzlicher. Er wendet sich dagegen, dass immer mehr öffentliche Betriebe privatisiert werden. Denn dadurch verliert die Politik, verlieren die Parlamente an Einfluss. Und Parlamente ohne Einfluss bedeuten immer auch eine Schwächung der Demokratie.
Natürlich muss die öffentliche Hand nicht alles bewirtschaften, was nur irgendwie möglich ist. Das Land Berlin hat sich z. B. von der königlichen Porzellan-Manufaktur getrennt. Das war vernünftig. Denn keiner Bürgerin und keinem Bürger kann plausibel erklärt werden, warum seine Steuern dafür herhalten müssen, teure Edel-Produkte zu subventionieren.
Aber es gibt lebenswichtige Grundnahrungsmittel, die darf man nicht dem freien Markt oder dem spekulativen Spiel der Börsen überlassen. Denn der freie Markt ist sozial taub und die Börse ist sozial blind. Zu diesen Grundnahrungsmitteln gehören zum Beispiel Bildung, Gesundheit, Wohnen, Mobilität und auch die Kommunikation.
Und weil das so ist, darf die Politik ihren Einfluss bei diesen Grundnahrungsmittel nicht verkaufen und Aktionären überlassen.

4. 

Es gibt aktuelle Beispiele, die belegen, wohin das führen kann. In Berlin wurden noch zu Zeiten der großen Koalition unter Federführung der CDU die Wasserbetriebe teilprivatisiert. Das war ein Geschäft, das spürbar zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger geht.
In Dresden wurde jüngst der gesamte kommunale Wohnungsbestand verkauft. Dazu gibt es eine Kontroverse auch in meiner Partei. Inzwischen planen weitere Städte - auch solche, in denen die Grünen das Sagen haben - ähnliches, um den kommunalen Haushalt zu sanieren. Ich halte das für kurzsichtig. Denn damit geben diese Kommunen zugleich ihren Einfluss, zum Beispiel auf die soziale Stadtentwicklung, preis.
Die Politik schwächt sich dadurch selbst. Ich finde: Das ist der falsche Weg. Noch dazu, wenn zu den Kaufwütigen ausgerechnet solche Unternehmen gehören, die der Kollege Müntefering noch vor einem Jahr als gefährliche Heuschrecken gegeißelt hat.
Unser Ansatz ist: Die Politik hat eine soziale Verantwortung. Um ihr gerecht zu werden, bedarf es effektiver öffentlicher Betriebe für die Daseinsvorsorge. Und darüber wollen wir mit unserem Antrag - über das aktuelle Telekom-Problem hinaus - gern eine Grundsatzdebatte führen.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

6.4.2006
www.petra-pau.de

 

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