Lindern ist zu wenig - es kann geheilt werden

Bundestag, 13. Mai 2005, „Freibeträge - Hartz IV“
Rede von Petra Pau

1. 

Wir reden über „Hartz IV“, konkret über die Freibeträge, die Empfängerinnen und Empfängern von ALG II gewährt werden, wenn sie einen Mini-Job haben. Die Freibeträge sollen angehoben und ihre Regeln sollen vereinfacht werden.
Ich sage für die PDS: Die vorgeschlagene Regelung ist besser als das Bisherige, aber sie ist nicht gut. Denn sie bricht nicht mit der Logik von „Hartz IV“. Sie gestaltet sie nur aus. Sie lindert ein Gesetz, das dennoch - und zwar für Millionen Betroffene - in die falsche Richtung weist.

2. 

Nun ist Lindern nichts Schlechtes. Die PDS hat in diesem Sinne seit Monaten zwei Vorschläge unterbreitet: Gleichen sie das ALG-II-Ost an das ALG-II-West an und heben sie beide auf 414 € monatlich an.
Für die Ost-West-Differenz gibt es keinen sachlichen Grund. Sie entspringt Mauern in politischen Köpfen, die längst weg sein sollten.
Für 414 € ALG-II wiederum gibt es gute Gründe. Das belegen Berechnungen von Sozialverbänden über minimale Alltagskosten.

3. 

Lindern kann auch noch andere Formen annehmen. Rot-Rot in Berlin, konkret Kultur-Senator Flierl, hat gemeinsam mit den Berliner Kultur-Einrichtungen ein 3-Euro-Ticket eingeführt, so dass auch „Hartz IV“-Betroffene wieder Zugang zum Theater, zum Konzert, zur Oper haben.
Und Rot-Rot in Berlin hat - anders als in der Uckermark und weiteren Regionen - eine Wohngeld-Regelung vereinbart, so dass Hartz-IV-Betroffene nicht obendrein massenhaft umziehen müssen.

4. 

Aber Lindern ist nicht Heilen. Und deshalb mache ich ihnen eine andere Rechnung auf. Bundeswirtschaftsminister Clement kennt sie. Denn Harald Wolf, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin, und Helmut Holter, Arbeitsminister in Mecklenburg-Vorpommern, haben sie schon mehrfach in die Debatte gebracht.
Die Frage ist schlicht: Warum ist es nicht möglich, die Mittel, für den Lebensunterhalt von „Hartz IV“-Betroffenen, fürs Wohnen, für 1- bzw. 2-Euro-Jobs, für deren materielle Absicherung und für die Qualifizierung der Betroffenen zu bündeln - Bundes- und Landesmittel.
Würde man das tun, dann könnte man - öffentlich gefördert - reguläre Arbeitsplätze schaffen. Arbeitsplätze, die den Betroffenen ihre Würde wieder geben, und Arbeitsplätze, die gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechen. Das wäre etwas anderes, als „Hartz IV“.

5. 

Alle mir bekannten Berechnungen sagen: Es ginge, allein es fehlt der Wille. Der Wille von Rot-Grün, der Opposition zur Rechten sowieso.
Ich wiederhole: „Hartz IV“ ist ein schlechtes Gesetz. Denn es entsorgt ein gesellschaftliches Problem - die Massenarbeitslosigkeit - bei den Betroffenen. Aber es gibt - wie immer - Alternativen.
Deshalb noch mal an die Adresse der SPD: Kapitalismus-Kritik ist gut für den Vereins-Abend. Von einer Regierungs-Partei wird mehr erwartet.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

13.5.2005
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

Übersicht

 

Reden&Erklärungen

 

Lesbares

 

Startseite